In unserer Steuerung ist ein wenig zu viel Spiel. Wenn man das Steuerrad dreht, hat man ein etwas wabbeliges Gefühl. Das gefällt uns nicht. Wir haben uns auf die Suche nach Konstruktionszeichnungen unserer Steuersäule gemacht und neue Lager bestellt. Meine Eltern haben die Lager nach Singapur mitgebracht und ich habe sie dort abgeholt. Nobbi hatte schon vorher einige schlaflose Nächte und auch ich habe Befürchtungen. Irgendwann müssen wir es angehen, jetzt ist der richtige Moment.
Als erstes bauen wir den Kompass aus und verstauen ihn sicher im Vorschiff. Solche Baustellen bieten die große Gefahr unverzeihliche Kollateralschäden zu verursachen. Steuerrad, Autopilot, Haltebügel, Getriebeschaltung, diese Dinge haben wir schon häufiger abgebaut. Kein Problem. Dann wird es spannend. Um die oberen Elemente abnehmen zu können, muss man zwei Sicherungsstifte ziehen. Die Stifte wollen nicht weichen. Schließlich, lassen sie sich, mit massiver Gewalteinwirkung doch überreden. Einer der Stifte fliegt dabei durchs Cockpit und verschwindet im Abfluss. Das kann doch nicht wahr sein! Ich klettere auf die Badeleiter und halte unter Wasser die Hände vor den Auslass. Nobbi stochert mit einer Leine vom Cockpit aus darin herum. Tatsächlich, der Stift war noch nicht im Hafenbecken verschwunden, sondern lag im Abfluss. Glück gehabt!!! Wir stülpen einen Eimer über die nun oben geöffnete Säule und beschließen am nächsten Tag weiterzumachen.
Nobbi liegt auf dem Rücken in der Achterkoje und schraubt dort den Fuß der Säule los, ich brauche nur von oben gegenhalten. Beim Lösen der Schubstange, die die Kraft zum Ruder überträgt fällt ihm ein 24er Schlüssel auf die Nase. Er ist etwas beschädigt,
Nun können wir die Säule endlich aus dem Cockpit heben und die äußere Hülle lösen. Endlich halten wir das Innenleben der Steuersäule in den Händen. Jetzt müssten wir die Lager abziehen, durch die neuen ersetzen und schon könnten wir alles wieder zusammenbauen. Nobbi hat schon ausgiebig darüber nachgegrübelt, wie er es schaffen soll das untere Lager über die ganze Achse nach oben abzuziehen. Nun sind wir doch etwas sprachlos. Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich das untere Lager nicht von der Achse schieben lassen wird. Oben ist ein kleiner Ring angeschweißt, der das obere Lager positioniert, unten ein Winkel. Eine kleine Abweichung von der Konstruktionszeichnung mit großer Wirkung. Plan B wird geboren. Das können wir nicht selbst. Der Hebel, der die Übertragung aufs Ruder übernimmt, muss abgetrennt und anschließend wieder angeschweißt werden.
Charly hatte bei der Reparatur der Hydrovane gute Arbeit geleistet und wir wissen, dass er Stahl, Niro und Alu bearbeiten kann. Leider ist Charly beim ersten Versuch nicht in seiner Werkstatt. Mal wieder bekommen wir Hilfe vom Marina Büro, eine der Frauen telefoniert für uns. Am nächsten Nachmittag sollen wir vorbeikommen.
Wir erklären Charly unser Problem, das ist nicht ganz einfach, unser Französisch ist zu schlecht und Charly spricht kein Englisch. Der Handwerker aus der Nachbarwerkstatt hilft und übersetzt.
Das Ganze gestaltet sich als nicht gerade trivial. Eineinhalb Stunden gibt Charly alles. Mit Flex, Hydraulikpresse, Schweißgerät, einer Armada weiterer Geräte und mehreren spontan zurecht gesägten Hilfskonstruktionen schafft er es die Lager zu entfernen. Das obere Lager leistete deutlich mehr Widerstand als erwartet und das untere Lager war in der Schale, in der es gelagert ist, so elegant festkorrodiert, dass gar nicht mehr sichtbar war, dass es sich ursprünglich um zwei Teile handelte. Einige Male hatten wir Angst, dass Charly aufgibt, doch er hatte für jedes auftauchende Problem eine neue Idee. Nachdem dann auch noch die neuen Lager eingepresst und der Steuerhebel wieder im 90 Grad Winkel am unteren Teil der Welle verschweißt ist verlassen wir die Werkstatt sehr erleichtert und sind einen riesigen Schritt weiter.
Bevor wir nun alles wieder einbauen, könnten wir doch die korrodierten Stellen außen am Fuß lackieren, denken wir uns. An wenigen Stellen kommt der Lack freiwillig runter, sonst nur sehr zögerlich. Das ist im Prinzip super, dass der Lack nach 30 Jahren wunderbar haftet, nur eben nicht wenn man „mal eben“ lackieren möchte. Wir entscheiden uns gegen die große Lösung, wir haben hier keine Werkstatt, wollen das auch nicht in Auftrag geben, sondern entscheiden uns, nur die schlimmen Stellen zu reparieren. Ich male das unhandliche Teil unter Deck, auf dem Tisch, Nobbi hält es fest und bindet es anschließend fest, so dass es nicht umfällt. Dann gehen wir zum Markt einen Kaffee trinken. Als wir zurückkommen ist der Lack soweit trocken, dass das Teil im Bad angebunden werden kann, um dort weiter zu trocknen. Wer etwas aus den Schränken im Bad braucht, hat Pech. Drei Anstriche gönnen wir uns – und dazwischen drei ausgezeichnete Espressi.
Zwischendurch passieren immer wieder Dinge, die den Fortgang der Arbeiten entschleunigen. Nobbi setzt den Multimaster an und möchte mit der Scheibe schleifen. Da zerlegt sich die Schleifscheibe in zwei Teile. Macht nichts, wir haben noch eine. Zack, wieder zwei Teile. Also werden diese Teller, auf die man das Schleifpapier klettet, erstmal mit Epoxi neu zusammen geklebt.
Hochmotiviert machen wir uns an den Einbau. Und, es ist mal wieder schlimmer als gedacht. Die Sicherungsstifte wollen nicht wieder an ihren Platz. Schließlich gewinnt Nobbi, aber es ist ein schmerzhafter Sieg. Diese mechanischen Baustellen, wo es am Ende doch nur mit Gewalt geht, mögen wir beide nicht. Dann können wir die Säule wieder an ihren Platz stellen und festschrauben. Nun haben wir endlich kein Loch mehr im Cockpitboden. Wir hatten einfach die Gasflasche auf das Loch gestellt und es ist auch bei starken Regenschauern erstaunlich wenig Wasser ins Schiff gekommen. Jetzt wird es wieder lustiger. Wir müssen die Länge der Schubstange neu einstellen. Ich sitze in der achteren Backskiste, Nobbi liegt in der Achterkoje. „Dreht das Gewinde links?“ „Welches links?“ „Kürzer!“ „Nee, andersrum“. Gar nicht so einfach. Ich peile die Mittschiffslage des Ruders während ich bis zu Hüfte im Wasser auf der Badeleiter stehe und Nobbi stellt in der Achterkammer die Länge der Schubstange ein. Schließlich sind wir zufrieden. Für die Endabnahme springt Nobbi mit der Taucherbrille in das Hafenbecken. Kein Vergnügen.
Letztlich brauchen wir fast zwei Wochen, in denen wir natürlich nicht ununterbrochen, aber eben immer wieder daran arbeiten. Wir sind froh, dass wir diese Aufgabe hinter uns gebracht haben. Das untere Lager war völlig hin. Zwischendurch haben wir ernsthaft überlegt, ob wir nicht einfach auf eine Pinne umrüsten sollten, dann hätten wir den ganzen Ärger nicht. Aber wo lassen wir dann unseren Kompass? Jetzt hoffen wir, dass wir auch nach der Testfahrt zufrieden sind und diese Lager auch erst in 30 Jahren wieder getauscht werden müssen.





