Neuschwanstein statt Neuseeland

Gerne würden wir Neuigkeiten aus Neuseeland hören, wir wüssten gerne wann wir wieder zu unserer Mari reisen dürfen. Doch uns geht es wie allen anderen, wir wissen nichts. Bleibt uns nur das Beste aus unserem unfreiwilligen Aufenthalt zu machen.

Wir wollen die Zeit nutzen, bevor die südlichen Bundesländer Sommerferien bekommen und einen Ausflug in den tiefen Süden unternehmen. Rothenburg ob der Tauber wollen wir uns ansehen und einen Blick auf Neuschwanstein werfen.
In Creglingen an der romantischen Straßen finden wir eine tolle Ferienwohnung über einer Bäckerei. Hier wohnen wir die ersten Tage. Auf schmalen Straßen schlängeln wir uns durch kleine Orte. Immer auf der Grenze zwischen Baden Württemberg und Bayern. Uns gefallen die aufgeräumten Orte mit den vielen Blumen. Ob es hier ein Gesetz gibt, das Geranien an Häusern und Brücken vorschreibt? Uns gefällt es.

Rothenburg ist nur 20 Kilometer entfernt. Wir parken außerhalb der Stadtmauer und laufen in die Altstadt. Die Stimmung ist unwirklich. Rothenburg ist leer. Hinter uns kommt eine Familie durchs Stadttor, sonst ist niemand unterwegs. Wir streifen durch die Innenstadt, lassen uns durch die alten Gassen treiben und wandern auf der Stadtmauer um die schöne Stadt. Im Tourismusbüro erhalten wir die Beschreibung der vielen Türme und laufen nun von Turm zu Turm. Die mittelalterliche Altstadt ist gut erhalten bzw. wiederaufgebaut (fast die Hälfte der Häuser wurde im Krieg schwer beschädigt oder zerstört) und liebevoll gepflegt.
Mittags ist die Innenstadt belebter, viele Radwanderer machen ihre Mittagspause in Rothenburg. Trotzdem ist es ungewöhnlich leer, viele Souvenirgeschäfte und Gaststätten bleiben geschlossen. Nachmittags beschließen wird, dass wir genügend Kilometer auf dem Kopfsteinpflaster zurückgelegt haben und verlassen die Stadt. Wir machen eine Abstecher zu einem Aussichtspunkt, genießen die Sonne und Nobbi testet seine Vogelstimmen-App.

 

Am nächsten Tag ist es bewölkt aber trocken, wir wollen eine kleine Wanderung unternehmen und entscheiden uns für eine Runde in der Nähe von Rothenburg. Wir hoffen einen Platz auf einem Parkplatz am Ausgangspunkt verschiedener Wanderwege zu bekommen und werden wieder überrascht. Unser Auto wartet hier ganz allein auf unsere Rückkehr. Wir laufen eine schöne Runde, entlang der Tauber und des Hohbachs. Mal geht es durch den Wald, mal entlang des Waldrands. Anschließend machen wir eine Pause mit Blick auf Rothenburgs berühmte Silhouette.
Wir folgen der romantischen Straße. Während eines Spaziergangs in Schillingsfürst holt uns der Regen ein und wir machen uns auf den Rückweg. Wir nehmen die kleinsten Landstraßen und legen einen Zwischenstopp an der Jagst ein, auch wenn das überhaupt nicht auf dem Weg liegt. Den tollen Aussichtspunkt erreicht man nach einem kleinen Spaziergang. Über einer Schleife, die die Jagst hier bildet, thront auf der anderen Seite des Tals Kirchberg.

Uns gefällt es hier sehr gut, vielleicht machen wir irgendwann Wanderurlaub an der Jagst. Doch Mitte der Woche geht es für uns an den Alpenrand. Das passt gut, in und um Creglingen soll es heftig regnen. Wie schon in den letzten Tagen entscheiden wir uns für die langsame Route und folgen der romantischen Straße.
Kurz vor Dinkelsbühl steht ein Schild, das auf die „schönste Altstadt Deutschlands“ hinweist. Kurz entschlossen halten wir an. Wir biegen falsch ab und sind plötzlich mitten in der historischen Altstadt. Glücklicherweise gibt es einen freien Parkplatz vor dem Tourismusbüro. Um eine qualifizierte Aussage zutreffen, müssen wir uns nun natürlich alle Altstädte in Deutschland ansehen, allerdings können wir schon jetzt sagen, dass Dinkelsbühl zu den schönsten gehört. Dreiviertel der Häuser ist älter als 350 Jahre, der Bau fast der Hälfte der Häuser wurden sogar bereits im Spätmittelalter begonnen. Die Altstadt ist ausgesprochen hübsch, das liegt nicht nur an den alten Häusern, sondern auch daran, dass es keine Leuchtreklame und keine bunten Werbeschilder gibt, dafür umso mehr Blumen.


Wenn unser Tagesziel nicht noch so weit entfernt gewesen wäre, hätten wir uns einfach für den Rest des Tages auf den Marktplatz gesetzt.
Doch wir setzen unsere Reise fort. Umso näher wir den Alpen kommen, umso schöner wird das Wetter. Nachdem wir kein geöffnetes Gartenlokal finden, machen wir ein Picknick an einem Badesee. Nachmittags erreichen wir Hohenschwangau, unser Ziel.
Der Wanderweg um den Alpsee erscheint uns geeignet für Norddeutsche, weist er doch nur wenig Steigung auf. Im Abendlicht laufen wir um den schönen See mit seinen romantischen Ausblicken. Der aufkommende Hunger sorgt für Rekordtempo. Als wir zurückkehren ist es ganz leer im Ort, die Einheimischen gehen zum Baden und wir sind froh, dass wir einen Tisch fürs Abendessen reserviert haben. Der Tag klingt mit einem leckeren Essen unter Kastanien aus.

Am nächsten Morgen haben wir ein Date mit Schloss Hohenschwangau. In Zeiten es Corona-Virus ist der Zugang streng limitiert. Normalerweise gibt es alle fünf Minuten eine Führung mit bis zu fünfunddreißig Personen, jetzt höchstens alle fünfundzwanzig Minuten eine mit zehn Teilnehmern. Auch der Zugang zum Garten ist reglementiert, nur Teilnehmer der nächsten Führung dürfen auf das Gelände. Wir sind nur zu acht in unserer Gruppe. Die Führung ist sehr interessant, das Schloss ist weitgehend im Zustand von 1840 (als es umgebaut bzw. von einer verfallenen Burg zum Schloss wurde) und sehr sehenswert. Anschließend kommen wir mit dem Gärtner ins Gespräch, der uns erzählt wie voll es sonst ist. Wir genießen es noch ein bisschen mehr den Garten ganz für uns zu haben.

Nobbi zieht seine Wanderschuhe an, meine sind in Neuseeland. Unser Plan sieht vor ein bisschen zu wandern, aber keine Gewalttour unternehmen. Nachmittags soll es heftige Gewitter geben, dann wollen wir wieder am Hotel sein. Natürlich endet es damit, dass wir auf den Tegelberg laufen. Für norddeutsche Deichspaziergänger ist es ganz schön steil. Die Aussicht belohnt für die Anstrengung. Die Sicht ist super und das Wetter hält. Es sind viel weniger Leute unterwegs als gedacht. Wir freuen uns, dass uns ab und zu jemand entgegen kommt und erzählt wie weit es noch ist.
Das Gewitter lässt auf sich warten. Es regnet erst abends als wir am See sitzen und die Wolken beobachten, wie sie sich über die Berge wälzen.

Unser Ausflug ist schon zu ende, der Abschiedsschmerz wird allerdings vom einem kräftigen Regen weggespült. Wir haben ein unglaubliches Wetterglück, kaum lassen wir den Alpenrand hinter uns, wird es freundlicher und schon bald scheint die Sonne. Wir übernachten in Michelstadt im Odenwald und trinken auf dem Marktplatz mit Blick auf das Rathaus von 1484 Ebbelwoi. Erstaunlicherweise schmeckt der ganz ohne Trainingsphase. Normalerweise brauche ich immer ein bis zwei Gläser bis ich Apfelwein wieder mag.
Auf der Rückfahrt nach Bremen werfen wir von der Autobahn einen sehnsüchtigen Blick auf Frankfurt. Es wird Zeit die alte Heimat zu besuchen, wir kennen einfach zu viele nette Leute dort.

Wir hatten vermutlich großes Glück so exklusiv kann man Rothenburg, die romantische Straße und Hohenschwangau wohl nur sehr selten erleben. Keine Reisebusse, keine Reisegruppen. Asiatische und amerikanische Touristen dürfen nicht einreisen. Laut des Gärtners vom Schloss Hohenschwangau war das Schloss noch nie so lange geschlossen wie durch die Corona-Maßnahmen, nicht mal in zweiten Weltkrieg. Für die Leute die von den Touristenmassen leben, ist diese „Leere“ natürlich weniger erfreulich als für uns. Wir haben es sehr genossen.

Eine lustige Anekdote zum Schluss. Wenn wir „auf Reisen“ sind, eine Besichtigung machen oder in einer Unterkunft ankommen, wundern wir uns noch immer darüber, dass alle Menschen um uns herum deutsch sprechen… sogar die Titel der Wandmalereien im Schloss konnten wir lesen!