Müde Waden, eine fleißige Kreditkarte und der Segleralltag

Jetzt sind wir bereits eineinhalb Wochen in Opua. Nach zwei Tagen am Steg sind wir an eine Boje umgezogen. Als wir eingewilligt haben an die Boje zu verholen, war uns nicht klar wie weit diese von der Marina entfernt liegt. Der Weg zur Marina ist nun 1km weit und bei windigem Wetter werden wir schon mal etwas nass im Schlauchboot, aber dafür ist der Platz sehr schön. Ursprünglich hatten wir eine Reservierung für einen Stegplatz in der Marina und im nächsten Jahr einen Platz an der Boje. Nun ist die Marina aber sehr voll, hätten wir am Steg liegen bleiben wollen, hätten wir mehrfach umziehen müssen, das war uns zu kompliziert.
Hier in der Bucht ist es sehr schön. Da wir uns mit jeder Tide drehen verändert sich der Ausblick ständig. Wir beobachten die Seevögel und die Wolken, die über die Hügel ziehen, sich schnell verändern oder auflösen. Und natürlich die Boote um uns herum. „Haustiere“ haben wir auch. Enten, die sich gerne füttern lassen.
Wir leben uns hier langsam ein. Die Tage vergehen schnell. Kleinigkeiten am Boot erledigen, mit der neuen Liste zum Schiffsausrüster gehen, Brownies im Marina-Café naschen, Fish and Chips am Fähranleger essen. Die Kreditkarte wird in diesen Tagen ausgiebig genutzt. Wir haben entschieden uns für die zweite Hälfte der Welt ein neues Großsegel zu gönnen. Den Luftfilter, der uns auf den Marquesas mit Wasser vollgelaufen ist, konnten wir hier bestellen, er wurde am nächsten Tag geliefert und ist bereits eingebaut. Unsere Motorfüße sind schon wieder eingerissen. Wir wollen das gleiche Produkt nicht noch einmal kaufen, denn wir haben die Füße doch schon einmal ersetzt. Nun haben wir hier eine Werkstatt gefunden, die uns andere Füße so anpasst, dass sie auf unsere Fundamente passen.
Im Radio läuft Werbung für Außenborder und Traktoren, das finden wir lustig. Verwirrend sind die Weihnachtslieder, nicht nur weil sich hier wirklich niemand Schnee wünscht, sondern auch weil wir trotz Lichterkette und Adventskalender mindestens zweimal am Tag verwirrt feststellen, dass bald Weihnachten ist. Im Radio wird „White Christmas 2020 in London“ verlost, Leute rufen an und erklären warum sie Weihnachten im Schnee gewinnen wollen. Weihnachtsurlaub in London ist bestimmt nett, aber sehr wahrscheinlich dürfte Schnee zu Weihnachten dort nicht sein…
Opua ist klein und die Seglerwelt in Opua noch kleiner. Im Fish and Chips-Laden treffen wir Segler mit denen wir in Panama und auf den Marquesas lustige Abende verbracht haben und von denen wir nicht dachten, dass wir sie wiedertreffen. So geht es ständig. Überall trifft man jemanden und quatscht sich fest. Gestern haben Katja und Stefan uns an Bord der Kama mit Pizza verwöhnt und wir hatten einen sehr netten Abend. Die Crew der Kama haben wir vor zwei Jahren in Brasilien kennengelernt und uns gefreut sie hier wiederzutreffen.
Hier in Opua gibt es einen kleinen General Store, dort gibt es fast alles, allerdings nicht zu Schnäppchenpreisen. Der Supermarkt ist in Paihia, auf dem Wanderweg entlang der Küste sind es dorthin 8 km. Wir genießen die tollen Ausblicke und wecken die müden Waden, die so viel Aktivität gar nicht mehr gewohnt sind. Unterwegs kaufen wir eine große Portion leckerer Erdbeeren (ja, hier ist Frühsommer!) und essen sie auf einer Bank mit Wasserblick. In Paihia sammeln wir bei der Tourismus Information zahlreiche Prospekte über ganz Neuseeland ein, kaufen einen Reiseführer, essen eine leckere Pizza, erstehen eine Neuseeländische SIM-Karte und statten dem Supermarkt einen Besuch ab. Hier kann man fast alles (bis auf Lakritz) kaufen, doch wir überlegen uns genau was in den Korb wandert, schließlich liegen 8 km Nachhauseweg vor uns. Auf dem Hinweg haben wir zwar überlegt, ob der Rückweg bei Hochwasser passierbar sein würde, waren dann aber etwas zu optimistisch, so dass wir weite Strecken über Felsen klettern mussten um trockene Füße zu behalten. Diese Tour hat uns zwei Tage Muskelkater beschert, inzwischen ist dieser wieder vergessen, wir haben einige Spaziergänge unternommen und sind nun bereit für die nächste Wanderung.
Und wenn wir denken, dass wir jetzt die wichtigsten Dinge erledigt haben, nun ganz in Ruhe unsere Liste abarbeiten können und die Umgebung ansehen, dann passiert etwas Unvorhergesehenes.

Ein unfreiwilliges Candlelight-Dinner
Vor ein paar Tagen hatten wir ungeplant ein sehr romantisches Abendessen im Kerzenschein. Unsere Batterien haben sich abgemeldet. Nachmittags wollte ich meinen Laptop laden und als ich den Inverter eingeschaltet habe, ging das Funkgerät aus. Nachdem wir zunächst dachten der Inverter macht Ärger, stellten wir schnell fest, dass die Spannung zusammenbricht sobald wir einen Verbraucher einschalten. Wir beschlossen in Ruhe zu essen und uns am nächsten Morgen um das Problem zu kümmern, also haben wir den Hauptschalter betätigt, das Schiff stromlos gemacht und hatten einen gemütlichen Abend im Kerzenschein. Wie gut, dass wir mit Gas kochen. Rohes Kartoffelgratin wäre wohl kein Erfolg geworden. Am nächsten Morgen haben wir die Batterien freigelegt und durchgemessen. Zwei waren ganz tot, die dritte hatte noch 30 %. Ein paar Stunden, einige Dinghifahrten, etwas Schlepperei (die Dinger wiegen je 30 kg) und 600 Euro später haben wir wieder Licht an Bord.

Der Held der Nacht
Unser Außenborder springt an, schnurrt und wir pendeln eifrig zwischen Boot und Hafen. So war es die ganze Woche. Dann wollten wir spät abends zurück zum Boot, es ist dunkel und der Honda springt nicht an. Nobbi zieht und zieht (so sehr, dass er sich eine Blase holt), kontrolliert und testet, baut die Zündkerze aus und wieder ein. Der Motor bleibt aus. Zum Rudern ist es zu weit, die meisten Schlauchboote rudern sich extrem schlecht und wir liegen weit entfernt von der Marina, außerdem haben wir Gegenwind. Eigentlich komisch, dass es nicht geregnet hat, sonst regnet es in solchen Momenten immer. Wir überlegen gerade, wen wir um Hilfe bitten könnten, da kommt ein Mann mit seinem Hund den Steg entlang. Der sieht sich unseren Motor im Taschenlampenlicht an und kann den Fehler auch nicht finden. Schließlich leiht er uns sein Dinghy für die Nacht. Wir binden unser Schlauchboot an sein Schiff, das am Steg liegt, und fahren mit dem fremden Boot zu Mari. Obwohl er uns nicht kennt, wir uns noch nie gesehen haben, gibt er uns sein Boot. Als wir es morgens zurückbringen, ausgerüstet mit Werkzeug und Ersatzteilen, hat er den Fehler an unserem Außenborder bereits gefunden. Der Zündkerzenstecker ist hinüber. Jeff ist unser Held, er hat uns nicht nur nachts gerettet, sondern unserem Außenborder (und unserem Portemonnaie) auch noch einen Werkstattaufenthalt erspart.
Wir waren so froh darüber, dass unser Honda wieder läuft (erst mal mit einer Notreparatur), dass es fast egal war, dass wir auf dem Weg zurück zu Mari klatschnass geworden sind. Das stürmische Wetter hat für Schwell und Wellen gesorgt, der böige Gegenwind hat des Rest erledigt.

Wenn das Wetter mitspielt, nicht Merkwürdiges passiert und wir Lust haben, unternehmen wir nun morgen eine längere Wanderung.