Anstrengende Segeltage liegen hinter uns. Nachdem wir uns entschieden hatten Suwarrow nicht anzulaufen, kämpften wir zunächst zwei Tage mit recht wenig Wind. An Bord war es gemütlich, mich haben nur die vielen Gewitter gestört, die zum Glück jedoch nie in unsere Nähe kamen.
Doch Montagabend kam der versprochene Wind, inklusive zunehmend hoher Wellen. Es ist unheimlich. Die Nacht um mich herum ist tiefschwarz, die heranrollenden Wellen kann ich nicht sehen, nur hören. Ab und zu sehe ich im Schein des Hecklichts, wie das Wasser von den brechenden Kämmen weggerissen wird. Erst hypnotisiere ich die Windanzeige, doch das bringt ja nichts und Mari scheint es völlig egal zu sein ob wir nun sieben oder acht Windstärken haben. Ab und zu schüttelt eine kräftige Böe das Rigg, doch Mari segelt völlig unbeirrt nach Westen.
Jetzt sind wir froh, dass wir am Morgen von der Genua auf die Fock gewechselt haben. Unsere Genua ist schon ziemlich alt und schon öfter haben wir gedacht, dass sie es wohl nicht mehr lange macht, doch seit Panama ist sie ununterbrochen im Einsatz. Morgens hatte ich eine offene Naht im Unterliek entdeckt und uns war klar, dass das Segel eine Nacht mit starken Wind wohl nicht überleben würde. Außerdem steht die Fock wesentlich besser als die Genua, so dass wir sie lieber segeln wenn wir damit rechnen kreuzen zu müssen, oder wenn wir das Segel teilweise eingerollt haben. Also haben wir die Genua komplett ausgewickelt, runtergenommen, durchs Vorluk ins Schiff gestopft, die Fock hochgezogen und die Genua unter Deck zusammen gelegt. Das Ganze ging viel schneller als befürchtet und erstaunlicherweise ohne größere Mengen Wasser ins Schiff zubringen. Nachmittags haben wir vorsichtshalber unser Bimini weggenommen, Sonne vor der es uns schützen konnte gab es ohnehin nicht.
Der Wind bleibt uns den ganzen Dienstag erhalten, doch nun kommt auch noch Regen hinzu. Unglaubliche Wassermassen stürzen stundenlang vom Himmel. Die Sicht beträgt vielleicht zwanzig Meter. Die Wellen erreichen jetzt ihr Maximum. Signifikante Wellenhöhe vier bis fünf Meter. Zum Glück sind Wellen schön lang, da macht das nichts. Nur ab und zu kommt ein deutlich höherer Brecher heran gerauscht und versucht uns zur Seite zu schubsen. Es ist mühsam, der beste Platz unter Deck ist die Lee-Koje (d.h. die tiefer gelegene Seite), doch erstens passt da nur einer rein und außerdem ist es heiß unter Deck. Bei dem Versuch auch einen gemütlichen Platz zu ergattern wird Nobbi von der Luv-Bank geschleudert. Die Maststütze stoppt ihn, eine Platzwunde am Kopf ist die Folge. Mein Angebot die Wunde zu nähen lehnt der glücklicherweise ab, das wäre was geworden in dieser Achterbahn. Es blutet nicht sehr und nach einem Erholungsschläfchen ist Nobbi wieder fit.
Mittwochmorgen nimmt der Wind ab, wir feiern das mit Pfannkuchen zum Frühstück. Im Laufe des Tages nimmt der Wind so weit ab, dass wir beginnen zu rechnen, ab wann wir motoren müssten um noch am Donnerstag anzukommen. Nobbi übergibt mir gestern Morgen (Donnerstag) um vier die Wache und berichte von einer sehr entspannten Wache, er habe gelesen und Sterne angeguckt, leider seien wir sehr langsam. Gerade habe ich es mir mit Musik, Buch und Gummibärchen im Cockpit gemütlich gemacht, da beginnt ein leichter Sprühregen. Für mich fällt die gemütliche Lesestunde aus. Auf dem Sprühregen folgt ein Gewitter, dann ein heftiger Schauer, Böen mit sieben Windstärken fordern mich auf die Fock einzurollen, dann dreht der Wind … so geht es immer weiter. Trotzdem, als Nobbi gute drei Stunden später aufwacht bin ich zufrieden. Wir segeln wieder mit fünf bis sechs Knoten, ich hatte Delfinbegleitung und ich habe Samoa bereits gesehen (und mir für die Sichtung Belohnungsschokolade zugesprochen, die ich sogleich verspeist habe).
Die Einfahrt nach Apia ist einfach. Apia Port Control meldet sich schließlich doch noch. Nachdem wir sie etliche Male gerufen hatten und sich nie jemand gemeldet hatte, bekommen wir die Erlaubnis direkt in die Marina zu fahren. Wir dürfen nicht von Bord bis „Health“ und „Customs“ da waren. Der junge Mann von der Gesundheitsbehörde fragt nur, ob wir gesund sind, wir füllen ein Formblatt aus und dürfen die gelbe Flagge runternehmen. Die Herren vom Zoll sind tiefenentspannt, lassen uns zwei Seiten ausfüllen und empfehlen das lokale Bier. Das war schon alles.
Die Marina ist sehr übersichtlich. Einer der beide Stege ist zerstört und es wirkt nicht, als würde er in näherer Zukunft wieder aufgebaut. Am anderen liegen derzeit drei bewohnte Fahrtenschiffe (eins davon ist Mari), zwei unbewohnte Boote und ein paar Fischer. In der Bucht ankern zwei weitere Segler. Es gibt Strom und Wasser auf dem Steg und eine rustikale Dusche auf der anderen Seite des Hafenbeckens. All-you-can-shower, das war toll heute Morgen!
Wir sind angekommen auf der anderen Seite der Erde von jetzt an sind wir auf dem Rückweg. Lesum liegt ungefähr auf dem 8. Längengrad (Ost), auf dieser Seite heißt dieser Längengrad 172 Grad West und führt durch Samoa. (Für Haarspalter: Lesum liegt auf 8,6 Grad Ost und Apia auf 171, 7 Grad West…). Besucher des Klimahauses Bremerhaven wissen das alles, schließlich haben sie diesen Längengrad dort bereist. (Ihr seht ich werde nicht müde einen Bremerhaven-Besuch zu empfehlen). In den nächsten Tagen werden wir herausfinden, ob Samoa tatsächlich so aussieht wie das Samoa im Klimahaus.
Übrigens wir sind euch nun voraus. Vom Gestern ins Morgen. Oder die Letzten werden die Ersten sein. Wir haben die Uhr nicht nur eine Stunde zurückgestellt, sondern auch einen Tag vor. Den Sonntag haben wir einfach ausgelassen. Die Sache mit der Datumsgrenze ist eigentlich ganz einfach, erst wenn man genauer darüber nachdenkt wird es kompliziert. Von Greenwich geht es in beide Richtungen 12 Stunden. Nach Westen UTC -1, -2, -3,… nach Osten UTC +1, +2, +3 und bei +12 ist die Datumsgrenze. Sollte man denken. Wir sind jetzt in der schönen Zeitzone UTC +13. Aus politischen Gründen möchte Samoa auf der neuseeländischen Seite der Datumsgrenze sein. Bei den Nachbarn in Amerikanisch Samoa ist heute gestern. Dort gilt UTC -11. Dort ist es gleich spät, aber eben gestern. Um das Ganze noch ein bisschen interessanter zu gestalten beginnt die Sommerzeit am Wochenende, das ist dann UTC +14 und entspricht Tahiti-Zeit. Nur eben einen Tag weiter. Verrückt.