Wir sind nun drei Tage auf Raiatea, aber ob es schön ist können wir nicht genau sagen. Man sieht es nicht. Das Wetter ist so grausam wie schon lange nicht. Nieseln und Regen wechseln sich ab. Der Norddeutsche fühlt sich Zuhause, gestern Abend gab es doch tatsächlich Tee mit Rum, aber dazu weiter unten mehr.
Südseegefühle kommen wirklich nicht auf. Als ich heute Morgen mein Müsli im Cockpit esse, schwappt Wasser vom Bimini in meine Müslischale. Und wann immer wir uns freuen, dass es trocken ist, kommt der nächste Schauer über die Berge.
Wir erledigen Bootsgetüddel. Unsere Hebelklemmen die die Fallen halten haben sich gelöst. Das ist mehr als unerfreulich. Wir haben sie erneuern lassen. Das war die einzige Arbeit in Bremen, die wir nicht selbst durchgeführt haben. Wir setzen längere Schrauben mit reichlich Epoxy ein und hoffen, dass es nun hält. Mal wieder zeigt sich wie wichtig eine gut sortierte Bordwerkstatt ist, Epoxy findet sich im Farbenschapp, in der Schraubensammlung finden sich tatsächlich 4 längere Inbusbolzen der richtigen Stärke. Ich nähe neue Verschlüsse ans Segelkleid, wir putzen ein bisschen, es gibt ein paar neue Taklinge, irgendwas ist immer zu tun. Ansonsten vertreiben wir uns die Zeit mit Regenbeschäftigungen wie Kuchen backen, Fotos sortieren und lesen.
Zum Glück regnet es nicht immer, sondern nur fast immer. Wir fahren mit dem Schlauchboot den Fluss hoch. André bewirtschaftet hier zwei Hektar Land und hat mit den Touristen eine Einnahmequelle gefunden. Er zeigt seinen Garten, erklärt welche Pflanzen er anbaut und verkauft Obst. Wir treffen ihn hinter der ersten Biegung des Flusses. Für uns kehrt er um. In seinem Kanu ist er deutlich schneller als wir mit dem Schlauchboot mit Außenborder. Der kleine Fluss wird immer schmaler und schlängelt sich durch das Tal. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auflaufen, so flach ist es. Seit langem treffen wir in André das erste Mal auf einen Menschen der sich über unsere mühsamen Versuche Französisch zu sprechen freut. Wir erfahren, dass er kein Auto hat und deshalb nicht auf dem Markt verkaufen kann. Doch mittlerweile kommen so viele Touristen, dass er davon gut leben kann. Neben den Seglern, bei denen dieser Ausflug beliebt ist, kommen Touristen mit gemieteten Kanus und sogar ein kleines Ausflugsboot fährt in den Fluss. Er pflanzt verschiedene Sorten Bananen, unterschiedliche Arten Taro, Papaya, Gurken und Bohnen. Er hat einen Mango- und einen Rhambutanbaum, Zitronenbäume und viele schöne Blumen. Pampelmusen- und Orangenbäume hat er neugepflanzt, sie brauchen noch ein paar Jahre, außerdem versucht er sein Glück mit Pfeffersträuchern. Wir kaufen ihm Bananen und Kochbanen, sowie zwei Papaya ab, bekommen noch ein paar Zitronen zugesteckt und eine Trinknuss serviert.
Es wird Zeit mal wieder zu laufen. Wir sind in Crocs unterwegs. Ich habe mir bei unserem Gewaltmarsch auf Moorea eine blutige Blase gelaufen und kann keine anderen Schuhe tragen. Außerdem passt unser Schuhwerk zum schlammigen Untergrund und der Absicht es etwas ruhiger anzugehen. Wir entscheiden uns der Straße ins Inselinnere zu folgen. Wir kommen an einem Kindergarten, der Feuerwehr und einer kleinen Kirche vorbei. Fast jeder hier hat einen großen Garten oder richtige Plantagen. André bekommt professionelle Konkurrenz, der Botanische Garten wird renoviert. Neue Wege wurden angelegt, der Parkplatz ist schon fertig und überall pflanzen Arbeiter prächtige Pflanzen. Auch ein College gibt es hier im Tal und an der Vereinigung der Kokosbauern. Am Wegrand wachsen Avocados, das sind die ersten Avocados, die wir seit Panama treffen. Uns begeistern der grüne Wald mit seinen unterschiedlichen Bäumen und die Vielzahl der Pflanzen, die wir am Wegrand, in den Gärten und Feldern entdecken.
Wenn die Wolken sich zurückziehen geben sie den Blick auf eine tolle Landschaft frei. Hohe grüne Berge und schroffe Felsen werden sichtbar. Der höchste Berg ist immerhin gute 1000m hoch, damit ist Raiatea die höchste der „Iles sous le Vent“. Zur Inselgruppe „unter dem Winde“ gehören neben Huahine, Raiatea und Tahaa auch die weniger bekannten Inseln Maupiti, Tupai, Manuae, Maupihaa (= Mopelia) und Motu One. Der Star der Inselgruppe ist Bora Bora. Raiatea und Tahaa sind nicht nur Nachbarn, die beiden Inseln liegen auch im gleichen Riff und teilen sich eine Lagune. Das finden wir nett, so können wir innerhalb des Riffs, geschützt vorm Schwell zur Nachbarinsel segeln. Das ist dann das Programm für einen der nächsten hoffentlich trockenen Tage.
Wir werden bei einem anderen Boot zu einem leckeren Essen eingeladen und verbringen einen netten Abend zusammen. Und tatsächlich trinken wir Tee mit Rum. Das schmeckt so gut, dass wir das heute Abend wiederholen. Das hätten wir nicht gedacht, dass wir in der Südsee Tee mit Rum trinken! Nun haben wir keinen Rum mehr, hoffen auf besseres Wetter und gehen irgendwann mal wieder einkaufen.
Heute folgen wir der Straße in die andere Richtung und haben Gelegenheit uns die Häuser aus der Nähe anzusehen. Das ist sehr interessant. Traurige Bretterbuden versinken im Schlamm, während die Nachbarn ein hübsches kleines Häuschen in einem schönen Garten ihr Eigen nennen. Es gibt auch in dieser Richtung einige tolle Gärten mit riesigen Fächerpalmen, einer Palmenbestanden Auffahrt samt Parkbank und großem Tor. Eine Pension ist geschlossen und hat ein ziemlich altes Zu-vermieten-Schild an der Tür. Ein Restaurant weckt mit einem Hinano-Schild Hoffnungen auf ein Bier, ist jedoch geschlossen. Das Schild, das für eine Veranstaltung Anfang Juni macht nicht den Eindruck, dass häufig geöffnet ist. Auch viele Wohnhäuser scheinen leer zu stehen. Heute Morgen wurde der Seitenstreifen gemäht, wir laufen also sehr komfortabel auf dem kurzen Gras. Nach einer Pause am Wasser, mit Blick auf den Pass, machen wir uns auf dem Rückweg. Katzenbabys und Kühe, die sich streicheln lassen, sorgen für Abwechslung. Und natürlich regnet es auch wieder.
Auch wenn es aussieht wie Herbst in Norddeutschland, irgendwas ist anders. Tagestemperatur heute ca. 26 Grad…
