Taipi

Am Samstag verlassen wir schweren Herzens Anaho. Unser Ziel ist die Baie du Controleur im Südosten Nuku Hivas. Die Fahrt dorthin macht wenig Spaß, wir kämpfen uns gegen den hohen Schwell um die Nordost-Ecke und werden die ganze Fahrt tüchtig hin- und hergeworfen. Ein Schauer duscht uns. Ich bin genervt und schimpfe auf die Segelei, Nobbi beruhigt mich mit Schokolade. Kurz bevor wir unser Ziel erreichen kommen Delfine zur Begrüßung und eine Gruppe Mantas schwimmt ums Boot. Doch nicht so doof, dieses Segeln. Die Baie du Controleur ist eine tief eingeschnittene Bucht, die sich in drei Finger teilt. Wir ankern im mittleren in Hakahaa. Obwohl die Bucht so tief ist, läuft der Schwell in die Bucht. Wir beschließen trotzdem zu bleiben und setzen den Heckanker. Nun kommt die Welle immer von vorne, das macht das Geschaukel sehr viel angenehmer.
Thor Heyerdal soll über die Marquesas gesagt haben, dass die Maler bessere Möglichkeiten haben die fantastische Landschaft einzufangen, als er in seinen Erzählungen. Er hatte Recht, es ist schwer die tiefen Täler, satt grünen Hänge und schroffen Felsen zu beschreiben. Wer wissen will wie es in dieser Bucht aussieht, braucht sich aber nicht auf meine mühsamen Versuche verlassen: ein Blick in die Weltliteratur hilft. Herman Melvilles Taipi spielt in diesem Tal.
Natürlich wollen wir uns am nächsten Tag das Dorf ansehen, das wirklich Taipivai heißt, und im Tal wandern, doch wo sollen wir mit dem Dinghi anlanden? Auf den breiten Strand läuft schäumend die Brandung, das erscheint uns gewagt. In einem unserer Bücher steht, dass man bei Hochwasser eventuell in den kleinen Fluss einfahren kann. Hochwasser ist noch lange hin, außerdem bricht sich die Welle auf der Barre. Eine andere Lösung muss her. Querab steht ein Auto im Wald und davor gibt es einen kleinen hellen Strand. Wenn dort ein Auto steht muss dort ein Weg hinführen, lautet unsere Theorie. Wir kommen einigermaßen trocken an Land, schnüren unsere Wanderschuhe und laufen los. Das Dorf ist hübsch. Alle Bewohner scheinen sich zum Grillen oder zum Petanque spielen an verschiedenen Plätzen zutreffen.
In „Maps.me“ ist Tiki Paeke als Sehenswürdigkeit vermerkt und tatsächlich steht hinter dem Dorf ein Schild „Tiki Paeke 500m“. Die 500m sind eine optimistische Schätzung, oder waren Höhenmeter gemeint? Zunächst stehen wir in einem Garten, dessen Besitzer uns die richtige Richtung in den Wald weist. Wir kommen zu einem kleinen Weg, der sich bald verliert. In den letzten Tagen wurde hier anscheinend kräftig abgeholzt und eine Gruppe Schweine wühlt nun im Matsch. Wir verlaufen uns zunächst, kehren zu den Schweinen zurück und finden schließlich doch noch den richtigen Pfad.
Der archäologische Festplatz liegt dicht bewachsen vor uns. Mehrere Tikis schauen über die freie Fläche. Die Statuen sind zum Teil verwittert, doch man kann die Gesichter noch gut erkennen. Gerne würden wir mehr darüber erfahren, wofür dieser Platz genutzt wurde und was die unterschiedlichen Tikis bedeuten. Es beginnt zu nieseln und wir machen uns auf den Rückweg. Aus dem Nieseln wird starker Regen. Zurück am Schlauchboot sind wir klatschnass. Wir schieben das Boot ins Wasser, doch der Meeresboden fällt steil ab und es ist nicht ganz einfach das Boot durch die Brandung zu schieben und hineinzuklettern. Nun sind wir auch noch Salzwasser getränkt. Wir spülen unsere Klamotten in Frischwasser, kaum hängen sie auf der Leine beginnt es wieder zu regnen…
Am Montag steht eine Wanderung zum Aussichtspunkt auf dem Programm, doch als der Rucksack gepackt ist und die Crew bereit zum Ablegen, regnet es. Also packen wir den Rucksack wieder aus und essen unsere Falafel an Bord. Nach dem Essen gibt es eine Regenpause, die wir nutzen um an Land zu fahren. Die Wanderung auf den Aussichtspunkt gestaltet sich gemütlich. Wir sind erst wenige hundert Meter auf der Hauptstraße unterwegs, als Joseph anhält und uns im Auto mitnimmt. Die Aussicht ist grandios und den Rückweg legen wir zu Fuß zurück.