Eigentlich hätte ich gerne einen ausführlichen Blogeintrag über den schönen Gesangsabend verfasst, bei dem Freitagabend die Kirchenchöre der verschiedenen Glaubensrichtungen (Adventisten, Evangelisten, Katholiken, Mormonen) aufgetreten sind und die jungen Mädchen Südseetänze aufgeführt haben. Oder über den grauen regnerischen Samstag an dem wir das Kabel unseres Windmessers in den Mast verlegt haben.
Doch die jüngsten Ereignisse drängen alle vorigen Erlebnisse in den Hintergrund. Am Sonntag zieht es uns weiter. Wir haben wenig Wind und segeln die gut 10 Meilen in die angepeilte Bucht auf der Insel Tahuata ganz gemütlich. Alle Boote die hier liegen kennen wir bereits, sie sind in den letzten Tagen von Atuona hierhergekommen und dann hängen geblieben. Es ist wunderschön. Ein weißer Strand, Palmen, links und rechts steile Hänge mit Ziegen.
Montagmorgen entdecken wir beim Kaffee trinken zwei Mantas wenige Meter vom Boot. Das lasse ich mir nicht entgehen. Ich schnappe mir Maske, Schnorchel und Flossen und springe ins Wasser. Nach einem Schnack mit dem Nachbarboot treffe ich die Mantas endlich auch unter Wasser und begleite eines der Tiere durch die Bucht. Unterwegs sehe ich sogar noch einen Ammenhai und eine kleine Schwarzspitze.
Auf dem Rückweg sehe ich, dass Nobbi den Motor angeworfen hat. Unsere Ankerkette liegt um einen Korallenblock, so liegen wir etwas dicht am Vordermann. Ich kontrolliere schnorchelnd, dass die Ankerkette freikommt. Dann frühstücken wir und beschließen, dass dies der perfekte Tag wäre um nichts zu tun. Da piept der Wasseralarm. Wir entdecken eine kleine Wasserpfütze in der Bilge und suchen nach dem Leck. Vielleicht ein undichter Schlauch. Als ich den Motor starte, wir wollen feststellen ob es dann irgendwo tropft, passiert nichts. Der Motor startet nicht. Schließlich tropft Wasser aus dem Luftfilter. Dort wo Luft in den Motor gelangen soll, kommt Wasser heraus. Gar nicht gut. Wir bauen den Filter aus, nun läuft Wasser aus dem Motor. Kurz überlegen wir ob wir sofort versuchen sollten das Wasser aus dem Motor zubekommen. Doch wir sind mit der Ankersituation nicht zufrieden, an Land ist nichts, wir haben keine Internetverbindung für eventuelle Nachfragen. Wir müssen zurück in die Bucht von Atuona.
Wir bitten die KISU uns zurück nach Atuona zu schleppen. Auch wenn das Schleppen hervorragend klappt beginnen nun bange Stunden. Aus unserer Ankertrosse mit 10 m Kette und 30 m Leine und einem 35 m langen alten Fall basteln wir eine Schleppleine. Die schwere Kette dämpft die Bewegungen und verhindert ruckhafte Bewegungen. Wir machen uns bereit zu segeln, falls das Schleppen nicht funktioniert oder die Leine bricht. Zum Glück hat die KISU eine starke Maschine und Gaby und Markus fahren ruhige und überlegte Manöver. Sie liefern uns im Hafenbecken von Atuona ab, wo wir den Anker fallen lassen.
Wir stoppen ein vorbeifahrendes Schlauchboot und bitten die LEONORA zu alarmieren. Christoph kommt sofort. Mit seiner Hilfe und der eines weiteren Schlauchbootes mit einem starken Außenborder manövrieren wir Mari an einen sicheren Ankerplatz. Dann geht bei uns nichts mehr. Obwohl seit dem Auftreten unseres Problems nur wenige Stunden vergangen sind, sind wir fix und fertig. Wir sind unendlich dankbar für die Hilfe der KISU, ohne Gabys und Markus Einsatz wären wir nicht oder zumindest nicht so schnell zurück nach Atuona gekommen. Sie sind unsere Helden des Tages. Und wir freuen uns über die Unterstützung und den Zuspruch von Larissa und Christoph von der LEONORA.
Zwar fallen wir früh in die Koje, schlafen jedoch schlecht. Um zwei unterhalten wir uns darüber, dass wir versuchen nicht an den Motor zu denken, aber das klappt eben nicht. „Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!“. Wir malen uns aus, wie wir hier Wochen oder Monate auf Ersatzteile warten müssen und überlegen ob wir ohne Maschine nach Tahiti segeln sollen.
Dienstagmorgen geht es weiter. Klar ist, das Wasser muss raus aus dem Motor. Doch wie ist es hineingekommen. Nobbi sagt, eigentlich kann es nur über den Kühlwassereinlass gekommen sein, wenn das Schnüffelventil seinen Job nicht gemacht hat. Dieses Ventil sorgt dafür dass die Wassersäule abreißt und es keinen Siphoneffekt gibt. Nobbi wälzt das Motorhandbuch.
Wir fahren an Land, besorgen und das Internetpasswort (man bekommt es nur morgens, dann ist es aber 24 h gültig) kaufen Baguettes und besuchen die kleine Werft. Hier in Atuona ist der einzige Platz der Marquesas an dem wir Mari zur Not aus dem Wasser nehmen könnten. Vincent, der Chef, kennt das Problem und bestärkt Nobbi in seinen Ideen. Außerdem gibt er Tipps an welchen Stellen man das Handbuch etwas weiter auslegen kann. Wir haben keine Ersatzdichtungen für die Einspritzdüsen, er meint, wir können sie ruhig weiter verwenden.
Nobbi verschwindet unter Deck, ich beginne an Deck zu putzen. Ab und zu wird meine Hilfe für Handreichungen angefordert. Ansonsten höre ich nur Werkzeug klappern und Gemurmel. Das ist eine größere Aktion: Dieselschläuche ab, Auspuff ab, Kühlwasserpumpe ab, Glühkerzenkabel… Als Nobbi den Motor von Hand dreht und das dreckige Wasser aus den Löchern der Einspritzdüsen schießt: spektakulär! Eine richtige Fontäne und eine riesen Sauerei. Anschließend drehen wir den Motor elektrisch durch, damit er das verbliebende Wasser aushustet. Zum Glück ist kein Wasser im Öl. Nun heißt es alles wieder zusammenbauen, entlüften, anlassen und freuen! Er läuft wieder!
Anschließend bekommt der Motor noch einen Ölwechsel und darf erneut laufen bis er schön warm ist. Mein Kapitän, der gleichzeitig mein Chefingenieur ist, ist mein Held des Tages. Und nie wieder frage ich, weshalb wir so viel Werkzeug an Bord haben, ohne die 21er Spezial-Nuss…
Niemals hätten wir Montagvormittag gedacht, dass wir Dienstagnachmittag so glücklich sein würden. Ein verdammt gutes Gefühl wieder manövrierfähig zu sein! Nun müssen wir noch etwas putzen und bei nächster Gelegenheit brauchen wir einen neuen Luftfilter. Jetzt können wir wieder Pläne machen.
Und wer war schuld? Vermutlich ein winziges Stückchen blaue Plastikspäne. Wie es in das Schnüffelventil gelangen konnte? Keine Ahnung.
