Ein kleines Stimmungstief

Dieser Ozean ist riesig. Gestern, unserem 31. Tag auf See, hatten wir ein kleines Stimmungstief. Ich musste es einfach mal aussprechen: Ich wuerde gerne ankommen. Nobbi weiss nichts zu entgegnen, ihm geht es nicht anders. Wer sich hier draussen selber sucht ist hier falsch. Hier ist niemand. Und in den langen Nachtwachen ist man mit sich selbst allein. Besser man mag sich.
Wir segeln inzwischen wieder vor dem Wind, die eingerollte Genua auf der einen, das gereffte Gross auf der anderen Seite. Das Rollen von einer Seite auf die andere ist nervig. Wir sammeln eifrig blaue Flecken. Der Wind ist ziemlich konstant bei 5 Bft, mal etwas weniger, mal etwas mehr. Der Seegang unregelmaessig und ueberraschend steil. Gestern hatten wir alle 10 min eine Gruppe von Wellen ueber 4 m hoch und steil. Mari laesst sich davon nicht beeindrucken und laesst sie unter ihrem Heck durchrauschen. Ursel, unsere Windsteueranlage, steuert souveraen. Haeufig hoert man Windsteueranlagen wuerden vor dem Wind schlecht steuern. Das koennen wir nicht bestaetigen. Ursel steuert auch bei steilen Seen besser als wir das koennten.
Als Nobbi mich um zehn weckt ist er wieder bester Dinge. Er hat im Cockpit eine entspannte Leseposition gefunden und erzaehlt begeistert von seinem Buch. Die Nacht ist schauklig aber angenehm. Ich lese in meinen beiden Nachtwachen, mache etwas Gymnastik zu Sonnenaufgang und beginne mit dem Broetchen backen sobald Nobbi die Augen aufschlaegt. Das Fruehstueck mit frischen Mohnbroetchen mit Butter und Marmelade schmeckt uns sehr und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Grosse Schwaerme fliegender Fische springen auf beiden Seiten aus dem Wasser. Ihre hellen Baeuche werden von der Sonne angestrahlt und leuchten vor dem tiefblauen Wasser. Das Exemplar, dass wir im Cockpit gefunden haben gehoert zu einer anderen Art, ist es doch komplett schwarz.
Wir fragen uns, ob direkt vor uns eine andere Yacht segelt, die ihren Muell ueber Bord wirft. Immer wieder treffen wir auf Plastikflaschen, die aussehen, als ob sie noch nicht lange schwimmen.
Noch weniger erfreulich war unsere gestrige Begegnung mit einem Floss, das wohl mal zu einer Fischfarm gehoerte. Wir haben es im Abstand von 20 m passiert und es erst gesehen als wir daran vorbei waren. Eine Flosskonstruktion, mit einer langen Bojenleine mit Schwimmern daran, trieb flott nach Westen. Es muss von Suedamerika bereits 2500 Meilen zurueckgelegt haben. Gut, dass wir da nicht drauf gesegelt sind. Reines Glueck.
Jetzt machen wir unsere Wetterbeobachtung, dann lernen wir Franzoesisch-Vokabeln und schon ist Zeit fuer das Abendessen. Heute gibt es Rinderfilet mit Champignons in Sahnesosse und dazu Reis. Essen haelt Leib und Seele zusammen. Zu feiern gibt es auch schon wieder etwas: weniger als 900 Meilen bis zum Ziel und mehr als 15000 Meilen seit Lesum!