Diese Überfahrt bot uns eine Art komprimierte Form der Vor- und Nachteile des Fahrtenseglerlebens. Die ganze Bandbreite an Aspekten durften wir in wenigen Tagen erleben. Es war schön, anstrengend, ruhig, aufregend, verlangte uns manchmal mehr ab, als wir zu geben bereit waren und endete glücklich. Hier findet ihr die Zusammenfassung. Wie immer habe ich schon kurz nach der Ankunft vergessen wie müde ich war, wie nass ich geworden bin und dass Segeln ziemlich doof sein kann. Ich erinnere mich an wunderschöne Nächte und leuchtend blaues Wasser.
Wir frühstücken zeitig, die Tide kentert und für uns geht es los. Ein letzter Blick auf Domburg, Abschied von Suriname. Mit dem ablaufenden Wasser geht es vorbei an Paramaribo hinaus aufs Meer. Der Strom schiebt uns, wir kommen flott voran und laufen mehr als 8 Knoten. Im Fluss sehen wir Delfine, die im schlammig braunen Wasser vor unserem Bug spielen.
An der vorletzten Tonne des Fahrwassers geht plötzlich unser Motor aus. Während Nobbi unter Deck verschwindet, entlüftet und den Filter wechselt, segle ich hoch am Wind aus der Mündung des Suriname River. Was hätten wir gemacht wenn der Motor etwas eher ausgegangen wäre? Vor der Küste liegen große Sandbänke und das Wasser ist flach. Wir sind froh, als wir es endlich ins tiefere Wasser geschafft haben.
Nobbi taucht wieder auf. Der Filter war sauber, Luft ist auch nicht in den Leitungen. Diese Feststellung ist der Beginn einer Dieselbaustelle, die uns die nächsten drei Tage immer wieder auf Trab hält. Schließlich können wir das Problem einkreisen. Wir scheinen verunreinigten Diesel getankt zu haben. Wir lassen den Motor mit Diesel aus dem Kanister laufen. Mit dem Diesel den wir zuletzt getankt haben läuft der Motor, mit dem den wir zuvor getankt haben (anderer Kanister) läuft er nicht. Mit der Mischung aus dem Tank läuft er bis er warm wird, dann nicht mehr. Macht das Sinn? Und weshalb ist er zu Beginn fast fünf Stunden gelaufen? Wir stellen Thesen auf, schlafen drüber, testen…
Schon lauert das nächste Problem. Während der Motor läuft, mit „gutem“ Diesel aus dem Kanister, überlegen wir wieviel Diesel eigentlich über die Rücklaufleitung in den Tank läuft. Da geht der Motor aus. Der Kanister ist halb leer. Wir lernen, es geht sehr viel mehr Diesel zurück in den Tank, als wir dachten. Wir haben so also unseren „guten“ Diesel über den Rücklauf in den Tank mit dem „schlechten“ Diesel laufen lassen. Das war nicht so schlau.
Der neue Versuchsaufbau hat zwei Kanister, einen aus dem der Diesel kommt, einen in den er laufen soll. Das funktioniert super, bis der Schlauch als dem Kanister rutscht und der Diesel im Salon landet. Was für eine Sauerei. Wir beschließen den Diesel aus dem Tank in die leeren Kanister abzupumpen, das ist mühsam, funktioniert aber ganz gut. Am nächsten Tag stellen wir fest, dass wir ein neues Problem verursacht haben, durch unser Gepumpe haben wir irgendwelche Partikel im Tank gelöst, diese verstopfen nun die Dieselleitung vom Tank zum Motor. Leider haben wir ja bereits einen Teil unseres guten Diesels in den Tank gekippt…
Schließlich baut Nobbi baut eine neue Kanisterlösung. Mit einem Stück Kupferrohr werden zwei Schläuche verbunden und so die Rücklaufleitung so weit verlängert, dass der Diesel nun in den Kanister, aus dem er kommt, zurückfließt.
Dieses Schlamassel wieder aufzulösen ist unsere Aufgabe für die nächsten Tage. Hinzu kommt die Beseitigung der Kollateralschäden. Leider ist der Diesel durchs halbe Schiff nach vorne geschwappt und in der Bilge unter dem Salon unter den Lack gelaufen. Wie auch immer das geht. Jetzt haben wir mit Diesel gefüllt Blasen unterm Lack. Leider ist bei der ganzen Aktion auch der Tankdeckel über Bord gegangen, wir werden also eine neue Tankzuleitung samt Deckel einbauen.
Weitere technische Unannehmlichkeiten waren der Ausstieg unseres Navigationsprogramms und eine stark tropfende Stopfbuchse. Die Stopfbuchse hat Nobbi auf See nachgezogen, das war kein Problem, die Lösung für unser Problem mit dem Navi-Programm kennen wir. Leider braucht man dafür eine Internetverbindung. Extrem praktisch auf See. Wie gut, dass wir die ein oder andere Backuplösung hatten.
Ansonsten sind wir wunderbar gesegelt. Nach den schlammigen Flüssen haben wir uns am Morgen des zweiten Tages sehr über das blaue Atlantikwasser gefreut. Am zweiten und dritten Tag hatten wir wenig Wind und sind entsprechend langsam, aber auch sehr gemütlich gesegelt. Die Nächte waren sternenklar und wunderschön. Zeit zum Nachdenken und Lesen. Wann hat man so viel Zeit seinen Gedanken nachzuhängen, wie in einer ruhigen Nacht auf See.
Am Montag nahm der Wind zu, wir kamen schneller voran, wurden aber auch immer wieder von fiesen Böen auf Trab gehalten. Viele schnelle Reff-Manöver waren nötig. Die Nächte waren nun nicht mehr entspannt, sondern nass. Immer wieder zogen Gewitter durch, es blitzte immer wieder. Zunächst fand ich die Gewitter sehr unheimlich, doch sogar daran gewöhnt man sich. Irgendwann hat es mich nur noch geärgert, wenn es wieder angefangen hat zu regnen. Nasse Klamotten können wir unter Deck nicht auch noch brauchen, wer im Regen draußen bleibt muss sich schnell ausziehen oder die Öljacke überziehen. Zum Glück lässt unsere Mari sich von dem wilden Wetter nicht beeindrucken und unsere Windsteueranlage steuert gewohnt unbeeindruckt ihren Kurs.
Unterwegs haben wir die 10.000ste Meile seit Bremen gefeiert. Wir waren vorbereitet, hatten eingekauft und haben den „Sprudel“ mit Neptun geteilt.
Dienstagabend sehen wir endlich Tobago, unser Ziel. Das Wetter wird immer unangenehmer. Heftige Schauer mit starken Böen halten uns in Atem. Ab und zu kommt ein Gewitter hinzu. Es ist lange dunkel als wir Tobagos Nordspitze runden, der Strom schiebt uns nach Westen. Im Dunkeln fällt die Orientierung schwer, wegen des starken Stroms müssen wir 50 Grad vorhalten und kommen und der Bucht in der wir ankern wollen nur sehr langsam näher. Dann erreicht uns der nächste Schauer. Bei diesen Bedingungen wollen wir die unbekannte Bucht nicht ansteuern, zumal wir auf über 20 m Wassertiefe hätten ankern müssen. Wir beschließen eine weitere Nacht auf See zu verbringen und nach Grenada weiter zu segeln.
Der letzte Schauer stellt sich als viel weniger spektakulär heraus als die vorherigen und der Wind lässt bald etwas nach. Während ich noch mit mir ringe, ob wir vielleicht doch hätten warten sollen und versuchen sollen Tobago anzulaufen, macht Nobbi sofort seinen Frieden mit der Entscheidung.
Gegen Morgen kehrt der Wind zurück, wir rauschen bei 3 m hoher achterlicher See in Richtung Grenada. Es ist dunkelgrau, die Luft, das Wasser, die Wolken. Das ist also die Karibik. Irgendwie hatten wir uns das anders vorgestellt.
Grenada taucht nachmittags endlich aus dunklen Wolken auf. Noch ein heftiger Schauer und dann wartet ein Kulturschock auf uns. Wir sehen hunderte von Masten. Ende der Einsamkeit.
Nach fünf Tagen und neun Stunden fällt unser Anker in der Prickly Bay. Aufräumen, Lüften, Ankommen. Wir pumpen unser Beiboot auf, entscheiden aber nicht mehr an Land zu fahren. Zur Feier des Tages gibt es Knipp mit Kartoffeln und Apfelmus.
Wir sind angekommen. Nach fast genau einem Jahr in Südamerika sind wir gespannt auf die Karibik.