Ausflug zum Weltraumbahnhof

Wer Kourou besucht, muss natürlich den Europäischen Weltraumbahnhof besuchen. Ich glaube, dass die Franzosen sehr froh sind, dass ihnen eingefallen ist, dass man von hier ganz gut Raketen ins All schießen kann. Seit es hier das Space Center gibt, hat sich Kourou zur zweitgrößten Stadt gemausert, ist mit 25000 Einwohnern aber noch immer übersichtlich. Viele Arbeitsplätze sind hier mit dem Space Center verbunden. 12 % der arbeitenden Bevölkerung Französisch Guyanas (nicht Kourous!) sind hier direkt oder indirekt beim Weltraumgeschäft angestellt.
Tatsächlich hat der Standort hier Vorteile gegenüber anderen Weltraumbahnhöfen. Die Nähe zum Äquator sorgt für extra Schwung, schließlich rotiert Kourou mit deutlich höherer Geschwindigkeit um die Erdachse, als ein Ort der näher an den Polen liegt, wie zum Beispiel Bremen oder die Weltraumbahnhöfe in Kasachstan, China oder den USA. Bis zu 30 % Energie kann eingespart werden, oder eben mehr Fracht in den Weltraumtransportiert werden. Ein weiterer Pluspunkt von Kourou ist der Start hinaus auf den Atlantik. Falls eine Rakete kurz nach dem Start abstürzt, fällt sie ins Meer. Deshalb wurde unser Ankerplatz bei den Iles du Salut auch zum Sperrgebiet und wir mussten auf den Fleuve Kourou umziehen.
Es gibt Rampen für verschiedene Raketen. Zurzeit starten drei verschiedene Raketentypen von Kourou aus: Vega, Soyuz und Ariane 5. Vega und Ariane sind europäische Entwicklungen, die Soyuz ist eine russische Entwicklung und wird auch dort gebaut, in Kourou von russischen Experten montiert und dann an Space Center übergeben. Die ESA hat keine Rakete im mittleren Bereich, deshalb gibt es die Kooperation mit den Russen. Die Soyuz kann etwa 3,5t transportieren und füllt damit die Lücke zwischen Vega und Ariane. Vega ist eine kleine Rakete, mit bis zu 1,5t Nutzlast, die als sehr effektiv gilt. Der Start, den wir gesehen haben als wir vor 10 Tagen hier angekommen sind, war der Start einer Vega-Rakete. Die Ariane 5 ist der Lastesel und kann bis zu 10t ins All bringen, die Startrampe für ihre Nachfolgerin Ariane 6 ist bereits im Bau.
Das Verhältnis von Startgewicht zu Nutzlast ist interessant. Die Ariane 5 wiegt beim Start 780t, wenn sie Satelliten mit einem Gewicht von 10t in eine geostationäre Umlaufbahn bringen soll (die Ariane 5 kann mehrere Satelliten auf einmal transportieren und aussetzen). Unsere Erde ist eben sehr anziehend, da braucht es eine Menge Treibstoff um von ihr loszukommen. Beindruckend auch, dass Satelliten eine Geschwindigkeit von 7,8 km/s erreichen müssen, damit sie nicht zurück auf die Erde fallen. Dieser Weltraumbahnhof ist ein Güterbahnhof, bemannten Missionen werden von hieraus nicht gestartet.
Wer eine Tour machen möchte, muss sich zuvor anmelden. Wir hatten gehofft an einer englischsprachigen Tour teilnehmen zu können, leider gibt es nur sehr wenige englische Touren. Trotzdem hatten wir Glück und haben noch Plätze für die Tour am Donnerstagnachmittag bekommen. Danach sind erstmal 10 Tage Ferien.
Im klimatisierten Bus geht es über das riesige Gelände von 690 km2, da lohnt sich die Busfahrt. Unsere erste Startrampe, die der Soyuz Rakete ist 26 km vom Eingangsbereich entfernt. Insgesamt sind wir über 3 Stunden unterwegs. Die beiden Guides erklären viel, gelegentlich bekommen wir ein Video gezeigt. Wir lernen, dass die Raketenteile und auch die Satelliten aus Europa per Schiff und Flugzeug kommen, wo die Satelliten zusammengebaut und getestet werden, wie die Raketen zusammengebaut und schließlich zur Rampe gebracht werden und das der Treibstoff ebenfalls auf dem Gelände produziert wird.. Und natürlich wie so ein Start abläuft. Wir halten mit dem Bus an verschiedenen Stationen, an der Rampe, wo die Soyuz Raketen gestartet werden, an einem der Kontrollzentren, an einem Aussichtspunkt nahe des Starts der Vega-Raketen und mit Blick auf die Rampe für die Ariane 5. Unsere Tour Ende schließlich im großen Kontrollzentrum.
Schade, dass die ganze Tour auf Französisch ist. Zum Glück sprechen beide Guides sehr gut Englisch und beantworten alle Fragen. Zweitweise können wir den Erklärungen folgen, auf Dauer ist es aber sehr anstrengend und Raketen-Französisch ist auch nicht gerade Basiswissen. Die Fahrt über das Gelände ist auch abseits des Raketengeschäfts interessant. Von dem riesigen Gebiert werden nur kleine Teile genutzt, der Rest gehört Pflanzen und Tieren, die hier abgesehen von einem Knall pro Monat ungestört sind. Es gibt sogar regelmäßig kleine Exkursionen, in denen man die Wildnis erwandern kann.
Insgesamt hat die Tour sich sehr gelohnt und ist sogar kostenlos! Bei jedem Satelliten, den ich sehe (und man sieht viele bei Sonnenauf- und Untergang, ich werde sogar von einer App auf ISS-Sichtungen aufmerksam gemacht), frage ich mich nun ob er seine Weltraum-Reise in Kourou begonnen hat.

Die Tour war jedoch nicht der spannendste Teil des Tages. Der Morgen verlief aufregender als wir uns das gewünscht hätten. Nach einem ausgiebigen und reichhaltigen Frühstück wollten wir zeitig starten, um auf jeden Fall pünktlich am Space Center anzukommen.
Als Nobbi das Schlauchboot ins Wasser ließ, fiel eines unserer Paddel ins Wasser. Dieser kleine Zwischenfall war der Beginn eines sehr schweißtreibenden Vormittags. Nobbi ruft also „ich hole eben unser Paddel“, springt ins Beiboot, startet den Außenborder, ich werfe die Leine los, er braust davon. Wenige Meter bevor er das Paddel erreicht, stirbt der Motor. Nobbi versucht den Motor wieder zu starten und treibt dabei flussabwärts. Unser Paddel treibt auch flussabwärts. Der Motor springt nicht wieder an, als Nobbi das offene Meer sieht versucht er mit dem verbliebenen Paddel voranzukommen. Leider hören die Segler von dem anderen Fahrtenboot seine Rufe nicht. Der Strom ist stärker als gedacht und er schafft es nur mit Mühe den Steg zu erreichen. Ich kann aber nicht sehen, ob er irgendwo angekommen ist und mache mir Sorgen. Ich packe die Tröte aus und versuche auf mich aufmerksam zu machen, doch die anderen Segler hören mich nicht. Das vorbei rasende Motorboot beantwortet mein Getröte und Gewinke leider nur mit freundlichem Winken und verschwindet. Nobbi steht nun auf dem Steg. Nur in Shorts, ohne Schuhe, ohne Hemd, ohne Hut und ohne Wasser. Der Steg wirkt verlassen, niemand anders ist zusehen. Er findet heraus, dass der Schlauch vom Außenborder lose ist und versucht dies zu reparieren. Im Werkzeugset fehlt der Griff des Schraubenziehers (warum eigentlich?). Schließlich hilft ihm einer der Segler am Steg aus, der doch noch aufgetaucht ist. Als der Motor endlich wieder läuft, hilft ein anderer ihm bei dem starken Ebb-Strom (über 2 Knoten) vom Steg aus zu starten.
Inzwischen haben wir es sehr eilig, wenn wir es schaffen wollen rechtzeitig am Space Center zu sein. Ich springe mit unseren Sachen zu Nobbi ins Schlauchboot und wir quälen uns gegen den Strom den Fluss hoch. Dreimal geht der Motor aus, dreimal denken wir, dass wir es nicht schaffen rechtzeitig zur Führung dort zu sein. Als wir endlich den Steg der Zollboote erreichen sind wir völlig fertig. Wir binden unser Dinghi dort an und machen uns auf den langen Fußweg. In 40 min beginnt die Führung und es sind 3,6 km bis zum Startpunkt. Wir traben so schnell wie wir bei 32 Grad in der Mittagshitze eben können die Straße entlang. Als wir schließlich ankommen, haben wir noch 12 min Luft (das nenne ich rekordverdächtig!), sind klatschnass und völlig fertig.
Auf dem Rückweg nehmen uns junge Deutsche, die wir während der Führung kennengelernt haben, mit dem Auto mit und unser Dinghi liegt friedlich am Zollsteg. Wir hatten etwas Bedenken, ob wir Ärger bekommen könnten, weil wir uns dort einfach angebunden haben, oder ob das Tor vielleicht geschlossen wird, aber alle die wir dort treffen grüßen nur freundlich.