Kourou

Man merkt es nicht gleich, doch wir sind wieder in Frankreich. Französisch Guyana ist ein Departement Frankreichs, Teil der EU und der Euro-Zone. Übrigens ist Französisch Guyana auf jedem Euro-Schein. Macht euch auf die Suche, es funktioniert mit einem 5 Euro-Schein genauso, wie mit einem grünen Exemplar. Französisch Guyana ist nicht Teil des Schengen-Raums, das überrascht nicht, und nicht Teil des Zollraumes, das ist schon interessanter. Die EU ist schon ein Wahnsinnskonstrukt. Es lohnt sich, sich damit genauer zu befassen.
Am Morgen nach dem Raketenstart, also am Donnerstag, fanden wir es an der Zeit mal beim Zoll vorstellig zu werden. Das Einklarieren ist hier denkbar einfach, wir sind ja in der EU, man muss lediglich zum Zoll.
Wir beschlossen das Schlauchboot klar zu machen und auf dem Fluss zum Zoll zufahren, das erschien uns netter als der Fußweg von einer dreiviertel Stunde. Mari-Chen (so heißt unser Schlauchboot) war schnell aufgepumpt, doch unser Aussenborder hatte keine Lust. Irgendwie bekam er keinen Sprit. Der Schlauchanschluss leckte, zum Glück haben wir Ersatz aus Deutschland mitgebracht. Der neue Stecker passt perfekt auf den Motor, leider jedoch nicht auf den Schlauch. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Nobbi bastelt eine Verbindung. Der Motor will immer noch nicht. Nachdem er den Vergaser ausgebaut, getätschelt und wieder eingebaut hat, schnurrt der Außenborder. Es kann losgehen. Wir legen mit dem Dingi direkt neben dem 20m langen Zollboot an und fragen den ersten der vorbei kommt, ob das in Ordnung sei. Er zuckt mit den Schultern und erklärt uns den Weg zum Zoll. Geradeaus und zweimal rechts. Das Zollgebäude liegt am Ende eines Weges, der zunächst noch geteert, dann geschottert und schließlich nur noch aus Sand ist. Am Zaun hängt ein Schild auf dem in Schriftgröße 26 irgendwas mit Douane steht. Wir sind richtig. In dem unscheinbaren Büro arbeiten fünf Personen, wir werden mit Handschlag begrüßt. Lediglich die Bootspapiere und unsere Pässe sind interessant, nicht mal die Clearance aus Brasilien will der Beamte sehen. „Wann seid ihr angekommen?“ „Am 19. auf den Iles du Salut“ Wir machen ein schuldbewusstes Gesicht. Das ist schließlich fünf Tage her. Doch das scheint kein Problem zu sein. Lautet die nächste Frage nur „Diesen Monats?“. Wir bekommen ein unspektakulär aussehendes Papier in die Hand uns dürfen nun sechs Monate bleiben. „Bon Voyage“. Das war unkompliziert.
Das Industriegebiet, das den Hafen umgibt ist sehr sauber. Wir trauen uns gar nicht unsere Eis-Stile aus Holz in den Graben zu werfen. Das Hafengebiet ist mit mehreren Elektrozäunen und Stacheldrahtreihen geschützt. Die meinen das ernst.
Wir besuchen den Bootsladen und staunen, so etwas haben wir in Brasilien gesucht und nicht gefunden. Einen Händler, der etwas zu verkaufen hat. Das Klientel sind hier vorrangig Angler, aber neben Angeln und Ködern gibt es auch Motorenzubehör, Leinen, Kleinkram, Reparaturkits, Kanus, Hängematten, Farben und lebende Fische. Mir haben besonders die bunten Fische gefallen, aber ein Aquarium auf Mari ist vielleicht doch nicht optimal. Danach überfallen wir einen kleinen Supermarkt. Camembert, Schinken, Baguette, Schokocroissants und Rotwein. Wir sind im Himmel.
Als wir zurück an Bord klettern platscht es am Heck. Wir hatten Besuch. Ein Leguan lässt sich ins Wasser fallen, er hatte es sich auf der Halterung unserer Windsteueranlage bequem gemacht. Die Viecher können verdammt gut schwimmen. Er dreht noch eine Runde, aber mit uns an Bord hat der Platz anscheinend an Attraktivität verloren, er zieht sich in die Mangroven zurück.

Kourou ist eine verschlafene französische Kleinstadt im Nichts. Mittags werden die Bürgersteige hochgeklappt, die Geschäfte machen Mittagspause von halb eins bis vier, die Straßen sind ausgestorben. Der Handel ist fest in chinesischer Hand. Alle Supermärkte und auch alle „Plastikzeug-Haushaltsdinge-Läden“ gehören Chinesen. Der Bäcker in der Nähe des Hafens hat neben leckeren Baguettes auch guten Kuchen und eine schattige Terrasse mit guter Internetverbindung. Samstag ist der Gemüsemarkt besonders groß und Kourou erwacht für einige Stunden. So sauber es im Industriegebiet ist, so dreckig ist es im Ort. Der Müll wird auf der Straße gesammelt und überall fliegen Plastikflaschen rum.
Die Bevölkerung ist bunt gemischt, wenn auch anscheinend kaum vermischt. Die Polizisten und Zollbeamten sind alle weiß und scheinen zu großem Teil (für begrenzte Zeit) vom Französischen Festland zukommen. Ein großer Teil der Bevölkerung ist schwarz. Anders als in Brasilien, scheint es hier keine Vermischung zu geben, wir sehen keine gemischten Paare. Schwarze, Weiße, Chinesen, Vietnamesen, alle scheinen parallel und doch voneinander getrennt zu leben. Das ist neu für uns.
Es scheint Einwanderer oder Gastarbeiter von überall zugeben. Die Frau in der Bäckerei kommt aus der Karibik und spricht Spanisch. Der Sicherheitstyp von der Marina ist aus Coimbra Portugal, kann auf Deutsch sagen, dass Deutsch sehr schwierig ist und freut sich wenn wir ihn mit „Bom dia“ grüßen. Der Tankstellenangestellte spricht Holländisch mit uns, schließlich ist das so ähnlich wie deutsch, und ist stolz auf seinen niederländischen Pass, den er nicht gegen den Französischen tauschen würde. Kourou ist so klein, dass man sich grüßt. Ob wir vor der Bäckerei auf der Terrasse oder im Waschsalon sitzen, ob wir in der Tankstelle anstehen oder einfach die Straße entlang gehen, wir werden überall gegrüßt.
Unser Dinghi binden wir in der Marina an, die ihren Namen kaum verdient hat. Dort liegen die
Ausflugskatamarane, die zu den Iles du Salut fahren, zwei Yachten einer Segelschule und Schiffe ganz unterschiedlichen Verfallzustands. Nur eines dieser Schiffe sieht aus als würde es noch segeln. Alle anderen sind Schrott, werden aber bewohnt. Die Bewohner sind freundlich und hilfsbereit, wir dürfen einen Wasserschlauch zum Füllen unserer Kanister nutzen und werden auch hier immer freundlich gegrüßt.
Kourou ist zugepflastert mit Werbetafeln. Auf den meisten wirbt Carrefour. Diese Woche ist Pute aus Deutschland im Angebot. Willkommen in Europa.