Mittwinternacht und Rumgetüddel

Schon mehr als eine Woche ist vergangen seit wir aus Manaus zurückgekommen sind und der erste Monat unserer zweiten Spielzeit in Brasilien ist bereits um.
Inzwischen sind alle Amazonasfotos sortiert und bearbeitet und auch die Erkältung, die wir uns mitgebracht haben, gilt als besiegt.
Bevor wir den Hafen verlassen in dem unsere Mari nun seit fast fünf Monaten liegt, erledigen wir kleine und winzige Punkte von unserer Liste. Wir haben eine neue Außenborderhalterung gebastelt, Sprayhood und Bimini mehrfach imprägniert und die freien Einmachgläser gefüllt. Rinderfilet, Papaya-Chutney und Apfelmus warten nun auf ihren Einsatz. Unsere Niedergangstreppe hat neue Haken bekommen und vibriert nun hoffentlich nicht mehr, einige Schrauben wurden ersetzt und ein paar Kleidungsstücke repariert. Da wir zum Glück im Moment keine Schäden haben, haben wir Zeit für diesen ganzen Kleinkram. Außerdem haben wir begonnen unsere Proviantschapps wieder zu füllen, bekommen morgen hoffentlich eine volle Gasflasche zurück und haben unsere Dieselkanister betankt. Unsere Arbeitsliste ist nicht leer, für Beschäftigung ist also auch in den nächsten Tagen gesorgt. Wir überlegen ob wir eine Liste mit Punktesystem anlegen, so dass man sich beim Abarbeiten der Liste von Level zu Level hangelt, quasi wie in einem Computerspiel. Ganz „beliebte“ Punkte stehen noch auf der Liste, die sich als Endgegner eignen würden, z.B. Fußboden in der Pantry abschleifen und neu lackieren…
Seit Monaten hoffe ich jetzt im Südwinter Wale hier an der Küste zu sehen, weil die Buckelwale jetzt Richtung Norden ziehen stehen die Chancen nicht so schlecht. Wir haben vor zwei Tagen einen Wal gesehen, allerdings anders als ich mir die Sichtung vorgestellt hatte. Er trieb tot in der Bucht.
Wir beneiden unsere Freunde, die gerade im hohen Norden segeln, um das lange Tageslicht. Hier wird die Tageslichtversorgung um halb sechs abrupt abgeschaltet. Da wir hier ungern im Dunkeln unterwegs sind, ist der Tag für uns sehr kurz. Angeblich hat der brasilianische Fußballstar Neymar in St. Petersburg das umgekehrte Problem, er kann nicht schlafen weil es so lange hell ist. Vielleicht hätte er statt seinem Friseur eine Augenmaske einpacken sollen? Wir hatten schon in Manaus beschlossen Mittwinternacht an Bord ausgiebig zu feiern. Zurück in Salvador wurden wir vom Yachtclub zu einer Sao Joao Party am 20. Juni eingeladen. Die Junifeste sind eine Mischung aus Sonnenwendfeier und Erntedankfest und werden besonders im Nordosten Brasiliens gefeiert. Traditionell gibt es lauter Leckereien mit Mais und frischen Erdnüssen. Wir werden von den anderen Seglern liebevoll mit salzigem und süßen Gebäck versorgt. Anlässlich von Sao Joao wird auch ordentlich geknallt. Jeden Abend ist hier Geböller, gestern Abend lag ganz Ribeira im Dunst.
Damit uns hier nicht die Decke auf den Kopf fällt, waren wir am Mittwoch in Barra, einem Stadtteil am Atlantik. Wir standen an der Bushaltestelle und unser Bus kam einfach nicht. Also haben wir begonnen bei den Busfahrern nachzufragen. Eine junge Frau, die das mitbekommen hatte, informierte einen anderen Wartenden über unser Ziel als ihr Bus kam. Er wusste, dass wir Bus 220 nehmen müssen. Bevor auch er in den Bus stieg, malte er die Zahlen in die Luft und versuchte es sogar auf Englisch. Ein Taxifahrer, der an der Bushaltestelle auf Fahrgäste wartete, stieg aus und erklärte uns welche Endhaltestelle an unserem Bus steht. Als unser Bus schließlich kommt, stoppt der Taxifahrer ihn und drei Leute sorgen dafür, dass wir auch wirklich einsteigen. Immer wieder unglaublich wie die Brasilianer für uns sorgen! Wir haben fast ein schlechtes Gewissen, wäre unser Bus nicht gekommen, hätte der nette Taxifahrer ein gutes Geschäft gemacht.
Nach einem Spaziergang an der Strandpromenade und einer erfrischenden Kokosnuss mit Meerblick, machen wir uns auf den Weg ins Einkaufszentrum. Wir brauchen eine neue Computermaus. Unsere Entscheidung fällt auf ein Modell für umgerechnet zwei Euro, für das wir einen liebevoll ausgefüllten Garantieschein erhalten. Bevor wir den Laden verlassen, gucken wir gemeinsam mit den Verkäufern das Fußballspiel Uruguay gegen Saudi-Arabien zu ende. Anschließend wollen wir bei einem netten Italiener essen, bei dem wir während unseres letzten Brasilienaufenthalts waren und werden enttäuscht. Das Restaurant gibt es nicht mehr. Letztlich stellt sich dies als großes Glück heraus, wir finden ein anderes Restaurant mit einem tollen Büffet. Gemüse in allen Varianten! Eine Seltenheit in Brasilien. Damit ist klar, dass wir diese Woche wieder nach Barra müssen. Es wird sich doch irgendein 2-Euro-Artikel finden lassen, den wir „dringend“ besorgen müssen?