Dienstagmorgen ging es mal wieder früh los. Wir flogen von Manaus nach Tefé noch knapp 600 km weiter nach Westen. In Tefé wurden wir am Flughafen abgeholt und zum Hafen gebracht, von hier dauerte die Fahrt noch knapp eine Stunde mit dem Boot bis wir an der Uacari Lodge ankamen.
Der Amazonas ist der mit Abstand wasserreichste Fluss der Erde. Er fließt von den Anden bis in den Atlantik (bevor die Anden sich neulich aufgefaltet haben und dem Fluss vor 10 Mio. Jahren endgültig den Weg abgeschnitten haben, floss er übrigens in die andere Richtung). Die Quellflüsse entspringen in den Peruanischen Anden, weitere Zuflüsse in Kolumbien, Ecuador und Bolivien. Der tropische Regenwald, der das Amazonasbecken prägt, gilt als die grüne Lunge unseres Planeten.
Wer einen Amazonas-Urlaub plant sieht sich einem riesigen Angebot gegenüber. Für uns war klar, dass wir Manaus sehen wollen, die Oper besichtigen und von dort aus etwas Regenwald entdecken möchten. Es gibt Unterkünfte und Angebote in jeder Preisklasse, besonders nach oben gibt es kein Limit. Uns war wichtig, dass wir Gelegenheit haben etwas über Pflanzen und Tiere zu lernen. Schließlich haben wir uns für die Uacari Lodge entschieden. Sie liegt im Mamiraua Reservat, einem Gebiet zwischen Rio Japura und Rio Solimoes.
Im Amazonas-Gebiet unterscheidet man Igapo-Wald, Terra-Firme-Wald und die Varzeas. Der Terra-Firme-Wald liegt so hoch, dass er in der Flutsaison nicht überschwemmt wird, der Igapo wird von Schwarzwasserflüssen geflutet und die Varzeas von Weißwasserflüssen. Das Gebiet des Mamiraua Reservats gehört zur Varzea. Die Landschaft wird durch nähstoffreiches, sedimentreiches „Weißwasser“ in der Flutsaison überschwemmt. Alle Pflanzen, die hier wachsen sind daran angepasst mindestens vier Monate im Jahr durchgehend nasse Füße zu haben (oder auch mehr als nasse Füße, das Wasser steigt um mehrere Meter). Die Tiere müssen begeisterte Schwimmer sein, sich mit einem Leben auf dem Baum arrangieren oder fliegen können. Da es einen Kanal zwischen Rio Japura und Rio Solimoes gibt, ist es nicht möglich das Gebiet des Mamiraua Reservats trockenen Fußes zu verlassen. Tatsächlich handelt es sich also um eine Insel zwischen zwei Flüssen, die regelmäßig überspült wird. Wir sind zur Flutsaison hier und sehen diese besondere Landschaft also „unter Wasser stehend“. Wanderungen sind nicht möglich, wir bewegen uns mit Booten und Kanus auf dem Fluss und durch den Wald.
Das Mamiraua Reservat wurde Mitte der 90er Jahre eingerichtet und baut auf die Einbindung der Menschen, die in den Gemeinden am Ende des Reservates leben. Deshalb kommen auch die meisten der Angestellten der Lodge aus den umliegenden Gemeinden, arbeiten jeweils einige Tage dort und verbringen dann wieder Zeit in ihren Dörfern. Das Reservat liegt in einem Gürtel aus verschiedenen Naturschutzgebieten, die zusammen viermal so groß sind wie die Schweiz. Das Gebiet selbst ist etwa halb so groß wie Hessen. Im Mamiraua Reservat laufen unterschiedliche Forschungsprojekte, einige davon konnten wir kennenlernen.
Die Lodge schwimmt im Fluss und liegt wunderschön in einer Flussbiegung. Die Zimmer sind in kleinen schwimmenden Häusern untergebracht, die über Stege mit dem Haupthaus verbunden sind. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Das Wasser gurgelt unter den Häusern hindurch, die Brüllaffen und die Vögel machen ganz schön viel Lärm. Noch schöner als wir es uns vorgestellt hatten!
Nachdem wir die Angestellten der Lodge kennengelernt und Mittag gegessen haben, setzten wir uns auf die Terrasse und entspannen. Ein Pärchen rote Aras (Ara macao, für die, die es ganz genau wissen wollen) fliegt vorbei. Perfekt!
Nachmittags unternehmen wir unsere erste Tour mit dem Boot. Praktikantin Daniela begleitet uns, sie kennt sich gut aus und übersetzt die Erklärungen von unserem Guide Alan. Wir sehen Totenkopfäffchen, einen kranken (?) Brüllaffen und unser erstes Faultier. Bei Vögeln gibt es gelegentlich Missverständnisse, wenn wir den portugiesischen Namen nicht verstehen und den englischen nicht kennen, aber Dani und Alan haben immer ihr Vogelbuch dabei und zeigen uns, was wir gesehen haben.
Unsere Tage haben nun einen angenehmen Rhythmus. Frühstück ist um 6:30 Uhr, eine halbe Stunde später geht es los zur Vormittagstour, von der wir gegen elf zurückkehren. Um 12:00 Uhr ist Mittagessen, danach Pause bis um 15:30 Uhr. Dann beginnt unsere Nachmittagstour die bis kurz nach 18:00 Uhr dauert. Um 19:00 Uhr ist Abendessen und an einigen Tagen noch ein Vortrag. Bei Sonnenaufgangs- oder Sonnenuntergangstouren werden die Mahlzeiten ein bisschen verschoben. Die freie Zeit verbringen wir auf der Terrasse und schauen auf den Fluss, lesen, liegen in der Hängematte oder wälzen Bestimmungsbücher um herauszufinden welchen Vogel wir gesehen haben. Im Gemeinschaftsraum liegen viele Bücher über den Wald, Vögel, Säugetiere und Reptilien und einige davon sind sogar auf Englisch. So werden wir immer schlauer.
Mittwochmorgen machen wir unsere erste Kanu-Tour. Guide Alan sitzt vorne im Kanu, Nobbi in der Mitte und ich hinten. Alan paddelt uns, wenn wir gegen die Strömung unterwegs sind wird er von Nobbi unterstützt. Ich gucke nur schlau. Die Touren mit dem Kanu sind besonders schön, wir fahren mitten durch den Wald und genießen die Stille. Alan zeigt uns viele Tiere. Wir sehen wieder viele Totenkopfäffchen und Kapuzineraffen, außerdem stellen wir fest, dass er mit Krokodilen sprechen kann. Er macht tiefe Laute und sie antworten tatsächlich!
Nachmittags geht es zum Maumiraua-See zum Sonnenuntergang. Auf dem Rückweg ist es schon dunkel und die Guides suchen für uns nach Kaimanen. Tatsächlich sehen wir ein kleines Exemplar.
Nach dem Abendessen, haben wir Gelegenheit uns einen Vortrag über Jaguare anzuhören. Seit Jahren wird im Reservat an den großen Katzen geforscht. Heute sind die Teilnehmer der „Jaguar-Expedition“ angekommen. Sie begleiten die Forscher und haben so die Chance die scheuen Tiere zu sehen. Wir lernen, dass nirgends auf der Welt so viele Jaguare leben wie hier und dass sie tatsächlich auch in der Flutsaison hier bleiben. Die Jaguare verbringen also einen Teil des Jahres hauptsächlich auf dem Baum. Sie fressen hier vor allem Faultiere und Kaimane, manchmal werden sie aber auch von den Kaimanen gebissen. Einigen fehlt nämlich ein Stück vom Schwanz.
Die wohl größte Überraschung unseres Amazonas-Aufenthalts ist, dass es kalt ist. Also kalt für tropische Verhältnisse. Auf einigen Bootstouren sind wir froh über die wärmenden Schwimmwesten. In den ersten Tagen ist es bedeckt, zum Teil recht dunkel und so kalt wie nur selten hier. Das kühle Wetter sorgt dafür, dass die Fotos der ersten Tage ziemlich dunkel sind und dass wir wunderbar schlafen!