Am Freitag, 1. Juni flogen wir nach Manaus. Sehr früh, genauer gesagt um ein Uhr morgens holte Aurelio uns ab und brachte uns zum Flughafen. Von Salvador ging es nach Sao Paulo, 1400 km nach Südwesten, von dort nach Manaus, wiederum 2700 km nach Nordwesten. Direktflüge von Salvador nach Manaus gibt es nicht.
Die Anreise verlief, bis auf ihren frühen Beginn, sehr entspannt. Bemerkenswert war nur der Kaffeeautomat auf dem Flughafen in Sao Paulo. Dort konnte man die Zuckermenge manuell einstellen, Nobbi wählte 50 %. Der Kaffee war so süß, dass wir augenblicklich einen Zuckerschock bekamen und dass obwohl in dem kleinen Becher noch etwa zwei Stück Zucker ungelöst zurückblieben.
Manaus liegt 1700 Flusskilometer von der Amazonasmündung entfernt am Rio Negro mitten im Regenwald und damit an einem der vielen Enden der Welt. Die Stadt ist nur übers Wasser oder durch die Luft zu erreichen. In Manaus gibt es sehr viele Autos, doch wer weiter als 200 km fahren möchte braucht Allrad-Antrieb, gutes Wetter und Glück. Oder er muss im Kreis fahren.
Die Stadt wurde durch den nur 40 Jahre dauernden Kautschukboom um 1900 reich, danach verfiel sie. Seit 1957 ist Manaus Freihandelszone, deshalb produzieren hier viele Firmen, die Stadt ist auf 2 Mio. Einwohner gewachsen und viele der alten Gebäude wurden renoviert. Aus Salvador kommend erscheint uns Manaus vergleichsweise wohlhabend und sauber. Die Altstadt ist sehr nett und versprüht Kleinstadtcharme.
Wir verbringen zunächst knapp vier Tage in Manaus. Als erstes laufen wir zum Hafen, der leider nicht frei zugänglich ist. Doch wir treffen Manoel, der Werbung für Flussfahrten macht und anbietet uns die Ausflugsschiffe und den Hafen zu zeigen. Da der Rio Negro sehr wechselnde Wasserstände aufweist, der Unterschied zwischen Trocken- und Regenzeit kann 12 m betragen, sind alle Piers Schwimmpontons. Der Fährhafen, den wir besichtigen, ist über 100 Jahre alt und wurde in England gefertigt. Auch das Gebäude der Zollverwaltung wurde Ende des 19. Jhd. aus Liverpool hierher verschifft. Während Manoel sich mit seinen Kollegen unterhält dürfen wir uns umsehen. Von hier fahren Schiffe flussabwärts nach Belem (5 Tage) und flussaufwärts nach Tabatinga an der Grenze zu Kolumbien (6-7 Tage). Die Reisenden bringen eine Hängematte mit und spannen diese auf dem Oberdeck. Nur selten gibt es die Möglichkeit Kabinen zu buchen, wer es sich leisten kann fliegt. Hier im kleinen Fährhafen wird vor allem Obst umgeschlagen, einige Meilen flussabwärts liegt der Containerhafen und die Tankerpier.
Schließlich buchen wir bei Manoel eine Flusstour. Encontro das Aguas, das „Treffen der Wasser“, die Stelle an der Rio Negro und Rio Solimoes aufeinandertreffen wollen wir gerne sehen. Der Rio Solimoes kommt aus Peru, wo er Amazonas heißt, ist relativ kalt, nährstoffreich, fließt schneller und hat einen pH Wert von 7,5. Der Rio Negro entspringt in Kolumbien, ist wärmer, nährstoffarm, fließt langsamer und hat einen niedrigen pH Wert von 3,5. Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften vermischen die Ströme sich zunächst nicht, sondern fließen 11 km nebeneinander her. Es entstehen schöne Muster aus dem dunkeln „schwarzen“ Wasser des Rio Negros und dem hellbraunen „weißen“ Wasser des Rio Solimoes. Diese „Encontro das Aguas“ gibt es an vielen Stellen, einige Kilometer flussabwärts von Manaus jedoch besonders schön. Nach dem Zusammenfluss von Rio Negro und Rio Solimoes heißt der Fluss dann wieder Amazonas.
Die Flusstour macht uns letztlich viel Spaß. Bei 36 Grad ist es auf dem breiten Fluss mit dem Fahrtwind gut auszuhalten. Wir verbringen fast den ganzen Tag auf dem Wasser, schauen uns große Seerosen an, machen einen Spaziergang durch einen Naturpark, essen sehr gut zu Mittag und sehen einen der größten Süßwasserfische der Welt, den Arapaima oder Pirarucu. Unsere Tour beinhaltet einen Stopp bei einer Indio-Gemeinde, die aus einer Region an der kolumbianischen Grenze hierher umgezogen ist um sich hier den Lebensunterhalt mit Touristentouren zu verdienen. Im Schnellverfahren sehen wir uns einen Tanz an, sollen geröstete Ameisen essen und schon geht es weiter. Ein merkwürdiges Gefühl. Viele der brasilianischen Touristen in unserer Gruppe hatten eine kürzere Anreise als die Menschen, die hier ihre Tänze aufführen. Irgendwo zwischen Dokumentarfilm und Disneyland. Mein ganz persönliches Highlight sind die beiden blauen Aras, die während des Tanzes durch die Versammlungshütte fliegen und draußen auf einer Palme streiten. Der letzte Tagesordnungspunkt ist das Baden mit den Flussdelfinen. Die Touristen stellen sich in einer Schwimmweste ins brusthohe Wasser und die Delfine werden zwischen den Menschen mit Fischen gefüttert. Dabei werden die Delfine eifrig betatscht. Wir sehen uns die Tiere lieber nur an.
Natürlich sehen wir uns die berühmte Oper, das „Teatro Amazonas“ an. Bei unseren ersten Besuch bekommen wir eine merkwürdige Auskunft, es würde englische Führungen geben, allerdings nur vielleicht. Wir seinen in Brasilien. Das kommt uns merkwürdig vor. Bei unserem nächsten Versuch sitzt eine kompetente junge Dame an der Kasse. Eine Stunde später beginnt die ausgezeichnete Führung. Wir lernen, dass alle Baumaterialen, abgesehen vom Holz für die Fußböden, aus Europa stammen. Bevor die Oper eine Klimaanlage bekam, war der Platz um die Oper mit Gummiblöcken gepflastert damit die Pferdegespanne nicht so einen Lärm machen. Gummi war ja reichlich vorhanden! Die Oper ist wirklich schön, die ungewöhnliche Kuppel in den brasilianischen Farben hebt sie von anderen Gebäuden der Zeit ab. Ganz besonders wird sie jedoch durch ihren Standort. Bei der Eröffnung 1896 ist das Opernhaus „mitten im Urwald“ ein Zeichen des unglaublichen Reichtums der Stadt. Man schickte seine Wäsche damals zum Waschen nach Lissabon…
Wir machen einen kleinen Ausflug zum „Bosque de Ciencia“ einem kleinen Wald der zur Uni gehört. Hier kann man Otter, Manatis und Kaimane sehen. Im Wald und dem zugehörigen See trifft man mit Glück viele andere Tiere wie Affen, Faultiere, Schildkröten und Fische. Auf dem Rückweg werden wir wieder einmal „Opfer“ brasilianischer Hilfsbereitschaft. Weit und breit ist kein Taxi zusehen und wir entscheiden uns zur Hauptstraße zulaufen. Als ein Taxi vorbei kommt dem wir winken, ruft die Familie die dieses Taxi bestellt hat uns ein Taxi und ruft uns zu, dass wir zurück zum Eingang gehen sollen, unser Taxi käme gleich. Nur wenige Minuten später sammelt uns ein Taxi ein und bringt uns zurück in die Altstadt.
Die Adolfo Lisboa Markthalle, die den Pariser „Les Halles“ nachempfunden ist, beherbergt heute nicht nur den Fisch- und den Fleischmarkt, sondern neben Gemüseständen auch viele Andenkenläden. Kurz überlegen wir, ob wir ein 1,20m langes Paddel im Handgepäck mitnehmen können, dann fällt uns ein, dass wir es auch an Bord irgendwo lassen müssen und kaufen dieses Mal kein Paddel.
Der Palacio Rio Negro wurde von dem Hamburger Karl Waldemar Scholz Anfand des 20. Jhd. als Wohnhaus erbaut und diente von 1918 bis 1995 als Regierungssitz des Bundesstaates Amazonas. Heute kann er besichtigt werden. Wir bewundern nicht nur die schönen Räume, sondern lernen auch einiges über die Verfassung und die Flagge des Bundesstaates Amazonas.
Das kleine Museu Amazonico liegt in der Nähe unseres Hotels. Zunächst macht es den Eindruck geschlossen zu sein, doch die Pforte lässt sich öffnen und die Haustür steht offen. Im Untergeschoss ist eine Ausstellung moderner Gemälde und Fotografien, die sich unter dem Titel „das Universum als Wassermelone“ zusammenfassen lässt und uns nicht überzeugt. Wir sind immer noch nicht sicher ob geöffnet ist, als eine Frau reinkommt uns Licht macht und wieder verschwindet. Im Obergeschoss finden wir eine nette kleine Ausstellung mit Alltagsgegenständen der Ureinwohner und mit Gefäßen und Werkzeugen die bei Ausgrabungen gefunden wurden und über 6000 Jahre alt sind.
Am Wochenende findet auf dem Platz an der Oper ein Tanzfestival statt. Wir finden einen Platz direkt davor in einer Pizzeria, sehen sehr gute Ballettvorführungen, lustige tanzende Putzkolonnen, engagierte Tangotänzer und begeisterte Hip-Hop tanzende Kinder. Überhaupt ist auf dem Platz an der Oper immer etwas los, wir legen immer mal wieder eine Pause im Schatten der Bäume ein.
Ansonsten bummeln wir durch die gemütliche Stadt, essen Fischgerichte und testen immer neue Obstsorten wie Cupuacu und Jenipapo. Wir fühlen uns überraschend sicher. Unsere Telefone jedoch scheinen weniger sicher zu sein. Gemessen an der Anzahl gebrauchter Telefone, die uns zum Kauf angeboten werden muss die Quote „verlorener“ Telefone riesig sein.
Nach schönen Tagen in Manaus begann am Dienstag unsere Woche im Regenwald.