Morgen verlassen wir Brasilien. Morgen ist Tag 89 von 90 Tagen, die wir in Brasilien verbringen dürfen. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Für mich war Brasilien kein Traumziel und als in Recife der Kühlschrank vorbeischwamm, habe ich zu Nobbi gesagt, ich wisse nicht ob ich drei Monate in einem Land verbringen möchte, in dem ich nicht baden kann. Dann kam es zum Glück ganz anders. Die Zeit ist viel zu schnell vergangen, ich habe ausgiebig gebadet und es gäbe noch so viel zu entdecken.
Die beiden Punkte auf die wir immer wieder angesprochen werden und auf die wir trotzdem keine zufriedenstellende Antwort finden, sind Sauberkeit und Sicherheit. In Recife war der Fluss ziemlich schmutzig, Salvador hingegen ist viel sauberer als angenommen. In den Buchten von Ribeira und Aratu muss ich nicht baden, vor Itaparica oder Bom Jesus lädt das Wasser jedoch zu längerem Aufenthalt ein. Müll, insbesondere Plastikmüll, ist ein Problem. Im Supermarkt bekommt man Unmengen dünner Flatterplastiktüten, Plastikflaschen, Strohhalme, Plastikbecher, selbst in Restaurants, und Verpackungen ohne Ende. Die Straßen und Strände sind relativ sauber, dass liegt aber nicht daran, dass die Menschen ihren Müll entsorgen, sondern daran, dass Salvador eine Armada von Straßenreinigern und Müllmännern (und -frauen) einsetzt. Für uns ist es doch sehr gewöhnungsbedürftig, wenn der Kellner die Kronkorken einfach auf die Straße wirft oder der ganze Plastikmüll nach einem Picknick am Strand liegen bleibt. Der Müll, der nicht ins Meer weht wird dann von den „grünen Männchen“ der Müllabfuhr in Schubkarren gesammelt. Doch es gibt Hoffnung. Für Alu gibt es Geld, also werden Getränkedosen gesammelt und auf einigen Bierflaschen aus Glas ist Pfand. Und wenn wir zum Einkaufen Taschen und Rucksäcke mitbringen, werden diese vom Personal genauso sorgfältig gepackt wie die Plastiktüten.
Noch kompliziertes ist es mit der Sicherheit. In Brasilien leben ganz arm und ganz reich häufig unmittelbar nebeneinander. Während die einen alles und noch viel mehr haben, haben die anderen nichts zu verlieren. Noch vor wenigen Jahren galt Salvador als vergleichsweise gefährlich. Die Situation hat sich verbessert, was auch an dem riesigen Polizeiaufgebot in der Altstadt liegt. Wir haben viele Warnungen erhalten. Beim Zoll in Recife (ihr erinnert euch, wir sind stundenlang durch das Hafengebiet und die Stadt gelaufen um das richtige Papier vom Zoll zu bekommen) wurde uns gesagt, dass wir sofort unsere Uhren abnehmen sollen. In Salvador hat uns der Volvohändler gewarnt auf keinen Fall der Straße zu folgen, sondern unbedingt zurück zu gehen, in Recife wollte man uns nur ungerne Busfahren lassen und brasilianische Segler haben uns davor gewarnt auf dem Rio Paraguacu zu ankern. Wie geht man mit den Warnungen um? Zum Glück hatten wir bereits eine tolle Woche auf dem Paraguacu verbracht, als wir gewarnt wurden, sonst wäre uns das vielleicht entgangen. Ansonsten haben wir einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen und beschlossen, dass man kein Land bereisen kann, wenn man beginnt allen Menschen zu mistrauen. Wir haben nur so viel Bargeld mitgenommen wie wir brauchen, mit einer Notreserve in der Innentasche oder im Schuh. Meine Juwelen und die Kreditkartensammlungen habe wir an Bord gelassen, genau wie wir unsere Original-Pässe nur zu offiziellen Stellen mitgenommen haben, sonst hat eine Kopie immer gereicht. Im Dunklen haben wir lieber ein Taxi genommen als den Bus. Auf dem Carnaval habe ich meine Sonnenbrille verloren und dachte nun sei sie halt weg (bei einer 2 Euro Sonnenbrille hätte ich das gerade noch verschmerzen können), da kam ein junges Mädchen mit meiner Brille und fragte, ob ich sie verloren hätte. Wir haben glücklicherweise nur gute Erfahrungen gemacht. Ob es daran lag, dass wir vorsichtig waren? Oder daran, dass wir einfach Glück hatten?
Für uns ist Brasilien das Land der Lebensfreude und der Vielfalt, der unglaublichsten Obstsorten und der spannenden Tiere, der knappen Bikinis und des Fußballs. Brasilien ist das Land der Kontraste glänzende Hochhäuser und Eselkarren in direkter Nachbarschaft, arm und reich, modern und traditionell. Hier ist es laut und bunt. Das Laute kann nerven, aber vor allem mitreißen. Musik ist überall, mindestens einer singt oder tanzt immer. Wir hatten eine schöne Zeit im Land der maroden Kirchen und der bunten Häuser. Wir hatten unglaublich viele schöne Begegnungen mit fröhlichen Menschen. Diese Mischung aus Chaos und Zuversicht, irgendwie wird es schon gehen. Und es geht. Und dabei sind alle fröhlich.
Für uns führt die Reise nun zunächst ohne Boot nach Buenos Aires, bevor es von dort nach Bremen geht. Morgenfrüh werden wir um vier aufstehen und müssen uns dann von unserer Mari verabschieden. Wir freuen uns schon auf die nächste Brasilienetappe. In 90 Tagen dürfen wir wieder einreisen, dann möchten wir weitere Orte dieses riesigen Landes entdecken.
Tchau! Muito obrigado Brasil!
