Bomfin – das gute Ende

Bahia und insbesondere Salvador ist der Teil Brasiliens in das afrikanische Erbe besonders deutlich wird. Bis irgendwann vor 150 bis 100 Millionen Jahren Afrika und Südamerika auseinanderdrifteten, kuschelte sich Bahia tief in den afrikanischen Kontinent. Auch wenn das Bild der ineinanderpassenden Kontinente gerne in der Werbung benutzt wird, ist der kulturelle Einfluss Schwarzafrikas deutlich jünger. Zwischen dem 16. Und 19. Jhd. wurden bis zu fünf Millionen Afrikaner als Sklaven nach Brasilien verschleppt. Das Zentrum des brasilianischen Sklavenhandels war Salvador, die erste Hauptstadt Brasiliens (die zweite war Rio ab 1763 und die dritte dann Brasilia seit 1960). Die afrikanischen Wurzeln sind sicher am stärksten spürbar in Musik, Essen und Religion. Für uns ist diese Mischung Brasilien, denn wir kennen ja (bisher) kein anderes Brasilien.
Gestern haben wir die Bonfim-Kirche besucht, die Igreja do Nosso Senhor do Bonfim. Sie ist einer dieser Plätze an dem Katholizismus und Candomblé aufeinandertreffen. Die katholische Kirche ist aus dem 18. Jhd. und für die katholischen Bewohner die vielleicht wichtigste Kirche Salvadors. Gleichzeitig ist diese Kirche der Ort an dem die Fitinhas angeknotet werden und die Prozession Lavagem do Nosso Senhor do Bonfim endet. Der Katholizismus und der Candomblé existieren hier auf merkwürdige Art gleichzeitig, parallel und manchmal vereinigt, die vielleicht nur in Brasilien möglich ist. Candomblé ist eine afro-brasilianische Religion. Die Sklaven brachten aus Afrika ihre Götter mit und weil sie ihre Religion nicht ausüben durften und in Brasilien zwangsgetauft wurden, wurden den katholischen Heiligen afrikanische Götter zugeordnet, die dann stellvertretend angebetet wurden. Gleichzeitig wurden Traditionen und Rituale im Verborgenen gepflegt. Soweit die Kurzfassung, die Wirklichkeit ist, wie immer, deutlich komplizierter. Man kann nicht durch Salvador laufen ohne einige der Götter zu treffen. Oxala, eine Art „Chefgott“ und Vater aller Götter, und Yemanja, die Herrscherin der Meere sind stark vertreten. Die beiden, aber auch andere Götter zieren unzählige Souvenirs. Es gibt viele Fischrestaurants die Yemanja heißen und die Meerjungfrauen Gestalt ist ein beliebtes Motiv. Zu Ehren Oxalas trägt man weiß, besonders freitags an seinem Lieblingstag. Allgegenwärtig sind in Salvador die Fitinhas, die bunten Bänder. Mit drei Knoten lässt man sie an sein Handgelenk binden, wenn das Band abfällt, gehen die Wünsche, an die man während des Knotens gedacht, hat in Erfüllung. Diese Bänder werden überall in Salvador verteilt. Sie sind ein Souvenir der Kirche, gleichzeitig sollen die Farben für verschiedene Götter des Candomblé stehen. Kompliziert. Der Zaun um die Bonfim-Kirche ist unter den Wunschbändern kaum noch zu erkennen.
Candomblé Feiertage sind fester Bestandteil der Kultur Salvadors, nicht nur bei den Anhängern dieser Religion, sondern auch vieler Katholiken. Überhaupt gibt es in Brasilien eine interessante Art der alltäglichen Religionspflege. Es gibt praktisch keinen LKW auf dem nicht Jesus oder Gott um Beistand gebeten wird, über so manchem Stringtanga-Bikini ist eine Maria oder eine Bitte an Jesus tätowiert und gleichzeitig trägt man Bekenntnisse zu Oxala oder Yemanja. Beistand, egal woher, kann nicht schaden. Die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Candomblé scheint zurückhaltend neutral. Wenn am zweiten Donnerstag im Januar hunderttausende weißgekleidete Menschen zur Kirche pilgern, Oxala ehren und die Kirchenstufen waschen bleibt das Portal jedoch geschlossen.
Die Bonfim-Kirche selbst ist im Vergleich zu anderen Kirchen Salvadors eher schlicht. Sie steht auf einer kleinen Anhöhe, so dass man sowohl die Hochhäuser in Barra sehen kann, als auch über Ribeira. Neben der Sakristei gibt es ein Wunderzimmer, das ich ziemlich verstörend fand. Hier bittet oder dankt man für Wunder, insbesondere Heilungen von schwerer Krankheit. Unter der Decke hängen Wachsnachbildungen geheilter Körperteile. Nicht nur Arme und Beine baumeln von der Decke, auch Bäuche und Köpfe. Die Wände sind mit Bildern bedeckt. Menschen danken für das Kind, das doch noch gekommen ist oder die Heilung vom Krebs. Gerne mit Vorher-nachher-Foto. Was ich beunruhigend fand zieht viele Menschen an. Viele bitten hier um Zuspruch, lassen sich segnen und kaufen Weihwasser.
Neben den viele katholischen Kirchen und dem Einfluss von Religionen mit afrikanischem Ursprung, sieht man Versammlungsräume vieler protestantischer Sekten und Kirchen. Viele dieser Gotteshäuser sind nur durch das Schild von einer Lagerhalle zu unterscheiden. Auch da gibt es Ausnahmen und Kirchen, die gigantische Tempel errichten. Die größte Pfingstkirche Brasiliens ist Assembleia de Deus, deren Versammlungsräume wir überall gesehen haben. Einige der Kirchen in Ribeira haben wir fotografiert.