Die Tage vergehen schnell in Recife. Bootsgetüddel, Sightseeing und Caipi stehen auf dem Programm. Wir haben das Frischwasser auf dem Steg ausgiebig genutzt, Boot, Kleidung, Bettwäsche und Handtücher sind wieder salzfrei. Unsere ToDo-Liste ist sehr kurz geworden, unsere Mari ist klar zur Weiterfahrt. Zum Glück hatten wir, abgesehen von unserem kaputten Babystag, keine ernsthaften Schäden. Irgendwas zu tun ist jedoch immer. Wir haben eine neue Dirk eingezogen, die wir nun auch als Ersatz-Großfall nutzen können, die üblichen Kontrollen durchgeführt, den Schwanenhals, der die Kabel ins Boot führt, neu abgedichtet, ein Kojenbrett abgesägt und herausgefunden, weshalb unser Ankerlicht so gelb ist. Auch unsere Annäherung an Brasilien geht voran, wir haben gelernt, dass man Caipirovska trinkt, nicht Caipirinha, und ich besitze nun einen brasilianischen Bikini.
Donnerstag haben wir uns die Altstadt Recifes angesehen und sind kreuz und quer durch Recife Antigo und Santo Antonio getrabt, die beiden Stadtteile mit den meisten Sehenswürdigkeiten. Es gibt viele alte Bauten, besonders Fans morbiden Charmes kommen auf ihre Kosten. Vieles ist verfallen, bräuchte deutlich mehr als nur neue Farbe und Schimmel scheint ein Problem zu sein. Die kreuz und quer verlaufenen Oberleitungen laden nicht zum Fotografieren ein. Doch insgesamt gefällt uns die Stadt. Im ehemaligen Gefängnis, einem spannenden Gebäude mit kreuzförmigem Grundriss, ist das Casa da Cultura untergebracht. In den ehemaligen Zellen finden sich viele kleine Läden, die Kunsthandwerk, Getränke und Snacks verkaufen, hier macht das Bummeln Spaß. Gleich um die Ecke ist die Aquariumsstraße, in der es lauter Stände gibt, die lebende Fische verkaufen. Mir tun die Fische in ihren Plastiktüten und Flaschen leid, aber ich bin auch beeindruckt von der Vielfalt. Wir stürzen uns schließlich in die vielen kleinen Straßen Santo Antonios, in denen alles an Ständen verkauft wird, Obst, Gemüse, Haushaltswaren, Kleidung und Plastikmüll. Es ist ohrenbetäubend laut, jeder bewirbt seine Waren, gerne mit Lautsprechern und überall läuft (natürlich unterschiedliche) Musik. Doch die Stimmung ist fröhlich und nicht aggressiv. Wir kaufen lediglich eine Schale Jackfruit.
Schon morgens waren wir am Gouverneurspalast dem Palacio do Campo das Princesas. Dieser sehr gepflegte und gut erhaltene Palast ist der Amtssitz des Gouverneurs von Pernambuco, des Bundesstaates dessen Hauptstadt Recife ist. Das sehr freundliche Wachpersonal erlaubte uns die Eingangshalle zu besichtigen und wir erfuhren, dass es Nachmittagsführungen gibt. Wir wollen den Palast von Innen sehen und kommen zurück. Die Halle ist voll mit Schülern und wir hoffen, dass wir uns der Führung anschließen dürfen. Eine Dame fragt ob wir zur Führung wollen, wir müssen unsere Passnummern angeben und sollen kurz warten. Gleich darauf erscheint Louisa, eine Studentin die extra angerufen wurde, um uns eine Englische Führung zu geben. So bekommen wir eine sehr nette, private Führung. Es geht durch den typisch brasilianischen Garten, die ehemalige Gouverneurswohnung und die Räume, die für offizielle Anlässe genutzt werden. Die Queen war hier auch irgendwann in den 60er-Jahren zu Besuch. Der Palast ist auch von innen ein Schmuckstück. Am besten hat uns das aufwendige Parkett gefallen, in jedem Raum hat es ein anders Muster. Anhand der Glasfenster lernen wir einiges über die Geschichte Brasilien und Pernambucos. Der Palast war einen Besuch wert und da Louisa so gut Englisch spricht, wurden uns viele Fragen zu Recife beantwortet.
Gestern waren wir in Olinda, einer Stadt wenige Kilometer nördlich von Recife. Olinda gilt als eine der am besten erhaltenen Kolonialstädten Brasilien und wurde 1535 gegründet. Es gibt eine Vielzahl barocker Kirchen, schöne Kolonialbauten, kleine Kopfsteinpflasterstraßen, Gärten und viele bunte Häuser. Olinda erinnert uns etwas an Porto. Von weitem sieht es toll aus, wenn man näher kommt sieht man die undichten Dächer. Tatsächlich sind die meisten der alten Gebäude in sehr schlechtem Zustand, allerdings gibt es mehrere Renovierungsprojekte in der Stadt. Vom oberen Teil der Stadt hat man einen tollen Blick über die roten Dächer des unteren Teils und den leuchtend türkisen Ozean. Während Olindas Häuser eher niedrig sind, meistens nicht mehr als zwei Stockwerke, sieht man im Hintergrund die vielen Wolkenkratzer Recifes.
Am Wochenende tobt das Leben hier im Yachtclub. Man trifft sich, isst hier, grillt, die Kinder spielen im Pool und einige Boote werden bewegt. Jeder macht auf seinem Boot Musik, laut und natürlich eine andere als der Nachbar. Die meisten Boote werden länger gewaschen als bewegt. Man wäscht sein Boot natürlich nicht selbst, sondern sitzt mit einer Zigarre im Liegestuhl auf der Pier und guckt beim Putzen zu. Abends wird an der Bar gefeiert, morgens zeugen die Armadas von leeren Flaschen von einem vergnügten Abend. Gestern war anscheinend Kindertag. Morgens um kurz nach acht traf eine Gruppe von 20 etwa 9-jährigen Mädchen ein und dann wurde es fröhlich. Bis zum Dunkelwerden wurde geplantscht. Mittwoch, Donnerstag und Samstag ist Optisegeln. Hauptsächlich kleine Mädels, das Kinder-Clubleben ist fest in weiblicher Hand, segeln im Hafenbecken und der Einfahrt zum Hafen. Heute, am Sonntagvormittag, ist es ruhiger. Das Fitnessstudio ist gut besucht und einige Leute sitzen im Schatten und lesen Zeitung.
Der Fluss, in dem der Hafen liegt ist ziemlich dreckig. Plastikflaschen, Mülltüten und FlipFlops ziehen vorbei. Seit gestern treibt ein Kühlschrank in der Tide flussauf- und abwärts. Was ins Hafenwasser fällt, wie gestern unser 7er-Schlüssel, ist verloren. Hier gehen wir sicherlich nicht baden. Trotz des ganzen Drecks gibt es hier viele tolle Vögel, Fische und kleine Tiere, von denen wir die wenigsten kennen. Viele verschiedene Reiher durchwühlen den schlammigen Grund bei Niedrigwasser, ein netter gelber Vogel trinkt das gechlorte Poolwasser und Kolibris naschen an den Blüten der Sträucher auf den Marinagelände. Zwischen den angrenzenden Mangroven gibt es immer Vögel und Krebse zu sehen. Hier ist es recht sauber, allerdings nur weil Netze verhindern, dass der Müll von Fluss zwischen die Mangroven treibt. Hier soll es Capybaras geben, gelegentlich wird so ein Wasserschwein sogar auf der Pier gesichtet. Ich halte die Augen offen, so ein Riesenmeerschwein würde ich zu gerne treffen.
