Eine ungemütliche Überfahrt

Nach der morgendlichen Schwimmeinheit rund um Boje Nr. 8 haben wir uns am Donnerstagmorgen mit einem ausgiebigen Frühstück auf den Segeltag vorbereitet. Da der Anmeldesteg durchgehend besetzt war, haben wir (verbotenerweise) am Platz der Polizei angelegt und ausgecheckt. Von dem Stegbesetzer erfahre ich, dass die Marina-Crew ihm irgendwie nicht glauben will, dass er die ARC (eine große Regatta über den Atlantik) mitsegelt. Zwar hat er die riesige ARC 2017 Flagge gesetzt, doch auch ich habe beim Anblick seines gammeligen Bootes Zweifel.
Zunächst geht es um die Nordspitze Gran Canarias, der Wassermacher füllt unsere Tanks und wir haben diesmal eine gute Sicht auf die Insel. Wir segeln gemütlich, haben Besuch von vielen Delfinen und ich mache einen Mittagschlaf. Man weiß ja nie.
Zwischen den Kanarischen Inseln gibt es sogenannte „Acceleration Zones“, Bereiche in denen der Wind stark beschleunigt wird, zu Deutsch starke Düseneffekte. Die hohen Berge bilden enorme Düsen, so dass man zwischen den Inseln mit deutlich (10-15 Knoten) mehr Wind rechnen muss. Wir haben die Acceleration Zones voll ausgekostet und sind in den zweifelhaften Genuss eines ungeplanten Schwerwettertrainings gekommen.
Als wir den Teide im Abendlicht sehen und wir Kurs auf Teneriffa nehmen nimmt der Wind zu und wir gönnen uns ein Reff. Wenig später wird es Zeit für das zweite Reff. Der Wind wird mehr, die Wellen brechen sich. Wir rollen unsere Fock bis auf einen Geschirrhandtuchgröße weg. Inzwischen haben wir satte 7 Bft mit 8er Böen und eine relativ Steile Welle, leider genau von achtern. Wir rauschen mit 8 Knoten durch die Wellen. Schließlich nehmen das Groß weg und rollen die Fock auf Badehandtuchgröße aus. Zum ersten Mal seit Wochen (oder Monaten?) trage ich meine Öljacke zur kurzen Hose, es wird richtig nass im Cockpit. Ursel, unsere Hydrovane-Windsteueranlage steuert souverän, doch es ist ungemütlich. Einige hohe Wellen brechen direkt hinter unserem Heck und schicken ein paar Liter Wasser ins Cockpit, eine Premiere für uns. Das Handtuch ist im Dauereinsatz. Wir entschließen uns, dass es jetzt reicht und ändern den Kurs um 20 Grad. Zwar ist es weiterhin ungemütlich, aber nicht mehr so nass.
Erst als wir schon weit in Teneriffas Süden sind lässt der Wind nach. Wir rollen das Vorsegel aus und segeln gemütlich dahin, der Schwell lässt uns rollen. Nobbi legt sich hin und ich höre Musik, beobachte den Nachtverkehr auf dem Flughafen und bekomme noch einmal Delfinbesuch. Als ich später in der Koje liege schläft der Wind völlig ein und Nobbi schmeißt den Motor an.
Kurz darauf ist der Wind zwischen Teneriffa und La Gomera wieder da, diesmal gibt es 7 Bft auf die Nase. Mit dem Groß im zweiten Reff können wir San Sebastian auf La Gomera anliegen. Unter Motor hätten wir keine Chance gegen die unangenehme Welle, aber so kommen wir gut voran. Uns wird keine Meile geschenkt, noch an der Hafenmole messen wir 30 Knoten Wind. Morgens um kurz nach neun machen wir in San Sebastian fest.
Unser Fazit: Auch wenn es ungemütlich war, unser Vertrauen in unser Schiff und die Windsteueranlage ist weiter gewachsen. Ursel, die Windsteueranlage hat nicht nur bei viel Wind, sondern auch bei sehr wenig Wind und bei Wind direkt von Achtern hervorragend gesteuert. Das nächste Mal darf es dann ruhig wieder etwas gemütlich werden.
Die Marina La Gomera gefällt uns auf Anhieb, hier geht es familiär zu. Ich erlebe den fröhlichsten Check-in der Reise. Schon öfter wurde mir erzählt, dass es eine spanische Sängerin gibt die Marisol heißt, vorher hat mir aber noch nie jemand ein Lied von ihr vorgesungen! Außerdem erfahre, dass La Gomera die schönste kanarische Insel ist, was natürlich auch an den netten Bewohnern liegt.
Der Rest des Tages vergeht mit einer Bootsentsalzungsaktion, Schlaf nachholen und einem Spaziergang durch den netten Ort. San Sebastian gefällt uns sehr, es ist hübsch und entspannt. Hier werden wir ein wenig bleiben.
Heute hat unser Radio eine neue Antenne am Windgeneratormast bekommen und unser Kurzwellen-Amateurfunkgerät musste eine Diode hergeben und kann dafür jetzt auch auf den Seefunkfrequenzen senden. Gerade lauschen wir einem Rock-Konzert, das lautstark am Strand neben der Marina stattfindet. Hoffentlich führt das gleich zu schönen Träumen.
Morgen wollen wir uns die nähere Umgebung ansehen und natürlich die verschiedenen Badeplätze ausgiebig testen.