In 94 Stunden sind wir von Ayamonte nach Porto Santo gesegelt. Sonntagmorgen ging es um sieben Uhr los, aber auch nur, weil wir auf portugiesische Zeit umgestellt haben, eigentlich war es sechs. In der Einfahrt in den Rio Guadiana gibt es eine Barre, also eine flache Stelle. Deshalb mussten wir uns mit unserer Abfahrtszeit nach der Tide richten um sicher zu sein, dass es dort tief genug für uns ist. Der Strom spült uns schnell aus dem Fluss aufs Meer hinaus und über uns fliegt ein Schwarm mit über 100 Flamingos. Was für ein grandioser Abschied.
In der ersten Nacht auf See queren wir die Schifffahrtsstraße, auf der die großen Schiffe von der portugiesischen Küste Richtung Gibraltar fahren. Später treffen wir auf die Schiffe, die von Gibraltar in die Karibik unterwegs sind oder umgekehrt auf dem Weg ins Mittelmeer. Wir freuen uns, wenn wir die Lichter der Schiffe sehen, bevor sie auf dem AIS auftauchen und passen den Kurs ab und zu etwas an, eng wird es aber nie. In der zweiten Nacht werden wir von einem Yachttransporter überholt, mit dem Fernglas kann ich an Deck die Yachten sehen, doch ich frage nicht, ob er uns mitnimmt.
Der Sonntag fühlt sich wie ein ganz normaler Segeltag an, Montag ist unser Eingewöhnungstag, wir müssen uns ans Schaukeln gewöhnen, ich kann nicht lesen und bin lieber an als unter Deck. Ab Dienstag können wir die Überfahrt in vollen Zügen genießen. Dieses unglaubliche blau des Atlantiks, an dem wir uns nicht satt sehen können. Unsere Mari segelt unbeeindruckt Meile um Meile und Ursel, unsere Windsteueranlage, steuert uns zuverlässig. Wieder einmal sind wir mit unserem Boot und seinen angenehmen Seegangseigenschaften rundum zufrieden. Was für einen tollen Job unsere Windsteueranlage macht, merken wir erst als wir die letzten Meilen in den Hafen per Hand steuern und bei den hohen achterlichen Wellen sehr gut aufpassen müssen. Einmal am Tag rufen wir mittels Kurzwellenfunk und Pactormodem den Wetterbericht ab, es gibt keine Überraschungen. Zunächst bläst der Wind mit vier bis fünf Windstärken aus Nord bis Nord-Ost, am Mittwoch nimmt der Wind auf satte 6 Windstärken zu und auch die Wellen werden höher.
Die Tage vergehen mit Essen, Schlafen, Lesen und nichts tun. Einmal eingeschaukelt, könnte es so immer weiter gehen. Aus unserer Biskayaüberquerung haben wir gelernt keine Segelbücher auf Überfahrten zu lesen. Lord Nelson soll gesagt haben, das sicherste Mittel gegen Seekrankheit sei sich unter einen Apfelbaum zu legen. Wir befolgen diesen Rat indirekt und lesen auf See nur noch absolut wasserfreie Bücher. Beide verschlingen wir einen Krimi nach dem anderen. Während Nobbi im Münsterland ermittelt bin ich in München und Italien aktiv. Nachts schlafen wir abwechselnd in unserer sicheren, gemütlichen Seekoje und holen auch tagsüber ein wenig fehlenden Schlaf nach. Neben dem warmen Mittagessen und dem Sundowner (auf See gibt es keinen Alkohol auf Mari, einzige Ausnahme ist der Sundowner) ist die Dusche das Tages-highlight. Wir duschen ausgiebig mit Atlantikwasser, das macht wach und erfrischt. Da wir, Dank unseres Wassermachers ausreichend Wasser haben, gönne ich mir anschließend eine Süßwasserdusche zum Haare waschen. Ein wahrer Luxus, gefolgt vom anschließenden Trocknen in der Sonne und aufs blaue Wasser gucken. Wunderbar. Einen Wal haben wir noch nicht gesehen, dafür gab es einige andere tierische Begegnungen. In der ersten Nacht hatten wir eine Gruppe jagender Delfine am Boot und am Mittwoch haben wir eine Gruppe Delfine beobachtet, die über die 3m hohen Wellen gesprungen sind. Ich habe eine Schildkröte überfahren, die es aber hoffentlich gut überstanden hat. Sie ist taumelnd in unserem Kielwasser aufgetaucht, hat sich dann aber sortiert und mir entsetzt hinterher geschaut. In kleiner Vogel hat eine Pause bei uns gemacht und saß einige Stunden auf dem Steuerrad. Nach der Ankunft haben wir festgestellt, dass auch einige Tintenfische auf Mari eine Pause eingelegt haben, allerdings ihre letzte. Nobbi hat ihre Reste von Deck geschrubbt. Am Mittwochabend sichtet Nobbi schließlich Porto Santo aus 30sm (!) Entfernung und gewinnt damit die dafür ausgelobte Schokolade. Als Gewinn nimmt er aber auch Aquadiente aus Madeira an. Donnerstagmorgen um fünf Uhr lassen wir den Anker in der Hafenbucht Porto do Porto Santo fallen und stoßen auf die angenehme Überfahrt an. Wir freuen uns über die schöne Reise, die wir nicht nur heil, sondern auch ausgesprochen fröhlich überstanden haben.
Nach einem gemütlichen Frühstück fragen wir über Funk im Hafen nach einem Liegeplatz und dürfen nachmittags schließlich an den Steg umziehen. Hier treffen wir die „Lotta“ wieder, die 12 Stunden vor uns angekommen ist.
Porto Santo, die kleine Schwester von Madeira, gefällt uns auf Anhieb. Direkt am Hafen beginnt ein langer Strand mit feinem weißem Sand und an der Kasse im Supermarkt wartet man mit Blick auf die Brandung und den blauen Atlantik. Da macht Schlange stehen doch Spaß.
