Die große Erde oder der Kiesel

Die Hauptinsel Grande Terre hat den Spitznamen Caillou, was Kiesel oder Steinchen bedeutet. Das kleine Kieselchen gehört allerdings zu den größeren Inseln im Pazifik. Im Südteil der Insel waren wir schon ziemlich viel unterwegs. Wir würden gerne auch etwas vom nördlichen Teil sehen.
Seit wir das Auto abgeholt haben ist das Wetter mäßig, die Vorhersage für die nächsten Tage ist schaurig. Wir wollten gerne eine Tour an die Ostküste unternehmen, aber können uns zunächst nicht entscheiden. Sollen wir bei so schlechtem Wetter wirklich fahren?
Wir entscheiden uns trotzdem eine Tour zu machen und buchen nach einigem Hin und Her zwei Übernachtungen. Am Samstag starten wir zeitig. Vor uns liegen 370 km, eine Strecke die uns auf deutschen Autobahnen nicht lang vorkäme, aber die Berichte über die Straßenverhältnisse sind gemischt. Zunächst geht es 170 km die Westküste entlang bis Bourail. Diese Strecke kennen wir schon, hier waren wir vor einigen Wochen zum Wandern. Unterwegs legen wir eine kleine Teepause ein, ansonsten wollen wir Meilen machen. Nach Bourail biegen wir ab, hier geht es für uns quer über die Insel an die Ostküste. Ein Gebirge, das sich über die ganze Insel zieht, teilt die fast 400km lange Insel in einen feuchten Osten und einen trockenen Westen. Die höchsten Berge sind bis zu 1600m hoch, die Straße verläuft aber die meiste Zeit in einem Flusstal und schlängelt sich zwischen den Bergen durch.

Teepause am Kofferraumbuffet

An der Ostküste folgen wir der Straße nach Norden. Hier ist noch weniger los, als auf der Straße an der Westküste. Meistens ist die Straße gut ausgebaut, dicht an der Küste oder über Brücken aber nur einspurig. Es gibt nur wenige Orte, aber immer wieder machen Schilder darauf aufmerksam, dass man das Gebiet eines Tribus, eines Stammes, durchfährt und langsam fahren soll. Die kleinen Häuser und Hütten stehen oft etwas von der Straße entfernt und wer sich nicht auskennt, könnte sonst übersehen, dass er gerade quasi mitten im Ort ist. An einigen Stellen wird das Fußballspiel auf der Straße unterbrochen, damit wir passieren können. Vor vielen Häusern stehen kleine Stände, auf denen Obst, Gemüse, Pflanzen, Muscheln oder Körbe aus Palmenblättern angeboten werden, das Geld legt man in eine Box oder Spardose. Also wie bei uns Zuhause. Entgegen kommende Autos und Fußgänger grüßt man, Kinder winken begeistert zurück. In den Dörfern sehen wir Frauen in Gruppen zusammensitzen und klönen. Auch sie winken fröhlich zurück. Samstagnachmittag scheint eine gute Zeit für ein Treffen zu sein, überall ein ähnliches Bild.

Den ganzen Tag drohen dunkle Wolken, aber es bleibt bis kurz vor unserem Ziel trocken. In einem Teil der Strecke wird die Straße gerade erneuert und immer wieder fehlt für einige Kilometer die Fahrbahndecke. Bei starkem Regen könnte das ein Problem für unser kleines Auto werden.
Immer wieder halten wir an und werfen einen Blick auf die wilde Küste. Die dunkelgrüne üppige Vegetation weckt Regenwaldgefühle. Die Pflanzenwelt bietet ihre ganze Vielfalt auf um uns zu begeistern. Hohe Bäume und Schlingpflanzen, breite Kronen und schlanke Nadelbäume, riesige Blätter, Epiphyten, Palmen, Baumfarne und lange Gräser. Um die kleinen Häuser stehen Bougainvillea und Hibiskus-Hecken, in den Gärten wachsen Papaya, Bananen und Taro.
Etwas traurig stimmt uns der Müll. An fast allen kleinen Rastplätzen fallen uns die vielen grünen Bierdosen („Number One“) auf. Nicht nur die Mülleimer laufen über, auch die Parkbuchten sind gepflastert von platten Dosen. Uns fällt es deshalb besonders auf, weil es sonst fast überall in Neukaledonien sehr sauber ist.

Nachmittags erreichen wir Hienghène, unser Ziel für heute. Inzwischen regnet es etwas, trotzdem fahren wir zuerst zum Aussichtspunkt. Von hier hat man den perfekten Blick auf die Henne, einen Felsen im Meer, der aussieht wie ein Huhn auf seinem Nest. Immer wieder hatten wir gehört, dass Hienghène so schön sei. Jetzt verstehen wir es. Schwarze, steile Felsen ragen direkt an der Küste aus dem grünen Wald. Davor ein Riff, das sogar bei Regenwetter leuchtet und kleine weiße Strände.

Die berühmte Henne

Wir haben hier ein Zimmer in einer Pension gemietet. Das Zimmer ist sehr spartanisch und mit zwei Betten eingerichtet, ein Spiegel oder eine Nachtischlampe wäre schön gewesen. Es ist sauber und wir schlafen gut, aber es ist kein Ort an dem man sich aufhalten möchte. Die Terrasse des angeschlossenen Restaurants ist da viel attraktiver und das Essen landestypisch und lecker. Mir gefällt der Kürbis, der in Kokosmilch gekocht wurde, Nobbi mag den Choux kanak, den „Kanaken-Kohl“, der an Spinat erinnert, besonders gern. Vor dem Essen gehen wir noch ein paar Schritte und sehen uns die Marina an. Die kleine Marina und die Boote, die hier liegen sind total heruntergekommen. Ein trauriges Bild. Auch der Anleger, das (ehemalige?) Marktgebäude und ein leerstehendes Restaurant sind verfallen und strahlen wenig Hoffnung aus.

Unser Zimmer, rechts im Anbau…
Die traurige Marina

Am nächsten Morgen gießt es. Wir legen zunächst eine Pause auf der Restaurant-Terrasse ein. Wenn man trocken sitzt, ist der Ausblick sehr schön. Lust nass zu werden haben wir nicht. Als der Regen nachlässt, fahren wir los. Zunächst geht es nach Norden, nach einigen schönen Aussichtspunkten regnet es wieder stärker und wir drehen um. Heute nehmen wir eine andere Traverse. Dieser Weg über die Berge zurück an die Westküste gefällt uns noch besser als der Hinweg. An der Westküste dominieren Buschwerk und Weiden mit wenigen großen Bäumen. Dies ist das Land der Kühe und Cowboys. Hier ist es meist trocken und heiß. Heute ist es grau und nieselt. Wir haben noch etwas Zeit und finden ein Café an einer Tankstelle, essen extrem leckere Eclairs und beobachten das ländliche Leben. Für diese Nacht haben wir eine ganz tolle Unterkunft via AirBnB gefunden. Sylvia, unsere Gastgeberin ist sehr nett und gibt sich viel Mühe sich mit uns zu unterhalten. Sie wohnt in einem schönen Haus und wir verbringen einen gemütlichen Abend auf ihrer Terrasse.

Wunderschönes AirBnB mit fantastischer Terrasse samt Pool und Katzen,

Am Montag machen wir uns auf den Rückweg nach Nouméa. In Bourail sind wir gerade aus dem Auto gestiegen, als der Regen einsetzt als hätte jemand die Dusche eingeschaltet. Wir fliehen zurück ins Auto und sind trotzdem durchnässt. Auf der Höhe von Farino ist es gerade trocken, wir setzen uns auf eine Bank vorm Rathaus, machen ein kleines Picknick und beobachten wie es in der Ebene unter uns schauert. Die letzten zwei Stunden unserer Fahrt regnet es immer wieder heftig. Aquaplaning bekommt eine ganz neue Bedeutung, wir kommen ganz schön ins Schwimmen. Ich bin froh, dass Nobbi so gute Nerven hat. Glücklicherweise haben wir genügend Zeit es ruhig angehen zu lassen. Immer wieder tun sich auch auf der „Autobahn“ riesige Pfützen auf und es hat bereits die ersten Unfälle gegeben. Wir erreichen nachmittags die Marina und hören im Radio von schweren Überschwemmungen auf der Straße, auf der wir wenige Stunden zuvor unterwegs waren.

Auch wenn wir uns über etwas besseres Wetter gefreut hätten, hat sich die Tour gelohnt. Wir haben weitere Facetten dieser tollen Insel kennenlernen dürfen und können bestätigen: an der Ostküste sieht es ganz anders aus.