Die ersten Tage in Neukaledonien

Wir sind in Frankreich. Neukaledonien ist Französisch, gehört aber nicht zur EU. Es ist etwa 18000 km2 groß, weil man sich darunter nichts vorstellen kann, habe ich nach einer etwa gleichgroßen Fläche gesucht und festgestellt, dass Neukaledonien und Sachsen etwa die gleiche Größe haben.
Die Hauptinsel Grande Terre ist ungefähr 400km lang und 50 bis 60 km breit. Längs über die Insel verläuft eine Bergkette, der höchste Berg ist der Mont Panié mit 1628 m. Die Insel ist umgeben von einem riesigen Barriere Riff, das als eins der größten Korallenriffe gilt. Zu Neukaledonien gehören außerdem die Loyalitätsinseln und die Ile des Pins, sowie weitere Riffe und Inseln.
Die Benennung als Neuschottland erfolgte, wie sollte es auch anders sein, durch James Cook. 1774 war er als erster Europäer hier unterwegs, sein Aufenthalt dauerte nur neun Tage. Überraschend kurz, finde ich.

Bezahlt wird hier mit dem Pazifik Franc (XPF), der direkt an den Euro gebunden ist. Wir kennen die bunten Scheine schon. Der Franc ist auch Zahlungsmittel in Französisch Polynesien (und in Wallis und Futuna). Eine Seite der Scheine ist mit Motiven aus Französisch Polynesien gestaltet, die andere mit denen aus Neukaledonien.
Woher stammt das Geld? Der Tourismus ist weniger entwickelt als in den Nachbarländern wie den Cook Inseln oder Vanuatu. Der größte Arbeitgeber ist die Société de Nickel. Neukaledonien verfügt über große Nickelvorkommen. Je nach Quelle ist von 10 bis 25 % des weltweiten Vorkommens die Rede. Die großen Abweichungen der verschiedenen Zahlen kommen wohl dadurch zustande, dass unterschiedliche Vorkommen betrachtet werden. Das Zeug liegt nur selten rein, also elementar vor, sondern meistens in Form von Erzen, so auch hier. Das Nickelschmelzwerk liegt quasi in der Hauptstadt Nouméa. Wir haben es schon gesehen. Neukaledonien ist hochverschuldet und von finanziellen Zuschüssen des französischen Mutterlands, sowie von Krediten des französischen Staats abhängig.
Neukaledonien hat einen Sonderstatus unter den Auslandterritorien Frankreichs und verfügt seit 1988 über weitreichende Autonomie, das ist nicht zuletzt Tjibaous Verdienst. Trotzdem gibt es wieder eine Unabhängigkeitsbewegung. Bereits dreimal wurde über eine Unabhängigkeit von Frankreich abgestimmt. 2018 und 2020 stimmte jeweils nur die knappe Mehrheit für den Verbleib. Beim dritten Referendum stimmten über 95 % gegen eine Unabhängigkeit, dieses Referendum gilt jedoch als Umstritten, da die Corona-Pandemie den Wahlkampf erschwert hatte, es Boykottaufrufe und eine geringer Wahlbeteiligung gab.

In der Hauptstadt Nouméa leben 180.000 der 270.000 Einwohner. Damit ist Nouméa nicht nur die größte sondern auch die einzige „richtige“ Stadt und das Zentrum Neukaledoniens. Die Marina in der unsere Mari liegt, liegt mitten in der Stadt und ist ein toller Ausgangspunkt um die Stadt zu erkunden.
Wir finden eine geschlossene Kathedrale, ein Stück der Berliner Mauer, eine Bibliothek, die als Pavillon auf der Weltausstellung 1900 diente, und ein Museum im Rohbau. Das Museum Neukaledoniens wird leider gerade neugebaut. Die Pläne für das neue Museum sehen toll aus, sehr modern. Doch wir können jetzt eben nur die Baustelle besichtigen. Der zentrale Platz ist schön begrünt und lädt zu einer Pause ein. Die Bebauung ist eine wilde Mischung. Regierungsgebäude, Rathaus und Supermärkte, viele kleine Läden und sehr viele geschlossene Läden. Geschlossene metallene Rolltore. Überall sehen wir „A Louer“ – zu vermieten. Ob das schon lange so ist? Oder erst durch die Pandemie? Zwischen der Zweckbebauung aus Beton finden sich echte Perlen. Ältere, schöne Gebäude mit Fensterläden und neue Bauten mit gewagten Dachkonstruktionen.
Wir kaufen erste Souvenirs, eine SIM Karte und Seekrankheitsmittel. Dabei probieren wir unser Französisch aus und sind überrascht, die Neukaledonier sprechen nicht nur bereitwillig, sondern auch gut Englisch.

Mit dem Bus fahren wir zum Tjibaou Kulturzentrum. Busfahren ist sehr einfach. Es gibt viele Buslinien, übersichtliche Fahrpläne und Fahrkarten gibt es beim Fahrer oder am Automaten.
Jean Marie Tjibaou war Politiker und Anführer der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung. Kanaken heißen die melanesischen Urbewohner Neukaledoniens. Die Kanaken sind mit 45 % die größte Bevölkerungsgruppe. Das Kulturzentrum zeigt kanakische Kunst. Es gibt Dauerausstellungen mit Schnitzereien, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst und wechselnde Ausstellungen, außerdem Konferenzräume, eine Bibliothek und ein Archiv. Das Kulturzentrum wurde von italienischen Architekten Renzo Piano entworfen und ist architektonisch sehr sehenswert. Auf dem Gelände kann man außerdem Hütten aus verschiedenen Teilen des Landes ansehen und es gibt den Kanaken Pfad, einen Weg, der die Verbindung der Menschen zu ihrem Land und die Verwendung der Pflanzen erklärt. Dass Geister wichtig sind, auch wenn wir ihre Bedeutung nicht verstehen, aber vielleicht wenigstens eine Ahnung ihrer Wichtigkeit bekommen, beginnen wir schon an der Kasse zu verstehen. Der Kassierer nimmt sich zeit und erklärt uns ausführlich, was wir auf dem Gelände alles sehen können und in welcher Reihenfolge wir die Ausstellungen besuchen sollen. Das Museum steht im südlichen Distrikt, also sollen wir die Hütte des Südens zuerst besuchen, eine Frage des Respekts. Hinterher können wir dann ruhig die Hütten der anderen Landesteile ansehen. Abschließend bekommen wir noch Tipps welche Statuen wir anfassen sollen, das bringt Glück. Natürlich halten wir uns an seine Empfehlungen, wir wollen keine Geister verärgern und Glück können wir doch immer gebrauchen.

Den Bus nehmen wir auch am nächsten Tag um zum Parc Forestier zu kommen. Im weitläufigen Park lernen wir viele einheimische Tiere und Pflanzen kennen. In der großen Anlage gibt es verschiedene Wege, auf denen man die unterschiedlichen Waldformen Neukaledoniens kennenlernt und viel über die endemischen Arten lernt. Der Anteil endemischer, also nur hier vorkommender Arten, ist mit 77% ungewöhnlich hoch.
Wir lernen den Kagu kennen, den Nationalvogel, einen blau-grauen, flugunfähigen Vogel, der etwa so groß ist wie ein Huhn und lustige Geräusche macht. Klar, auch er kommt nur in Neukaledonien vor. Genau wie die Cook Kiefer, die keine Kiefer ist sondern eine Araukaria nämlich Araucaria columnaris und es aufs Wappen geschafft hat. Von den 19 Aukarienarten gibt es 13 nur in Neukaledonien, einige von ihnen nur in ganz begrenzten Gebieten. Insgesamt werden etwa 3.000 Arten zur einheimischen Flora gezählt, das ist viel im Hinblick auf die geringe Landmasse. Neukaledonien ist also ein richtiges Botaniker-Paradies. Die Böden hier sind kompliziert, zum Teil sehr trocken, ultrabasisch und reich an Schwermetallen, dies dürfte zum hohen Maß der Endemie beigetragen haben, genauso wie die relative Abgeschiedenheit.
Aus einem Parkspaziergang wird eine ausgedehnte Wanderung, es gibt einfach so viel zu entdecken und neben uns sind nur eine Handvoll andere Besucher unterwegs. Neben den einheimischen Tieren und Pflanzen gibt es noch eine kleine Afrika Abteilung mit einem Strauß und einigen Affen, Papageien aus den verschiedenen Ecken des Planeten und einen kleinen „Bauernhof“ mit Schwein, Hirschen, Eseln und Kühen.

Uns scheint, wir sind in einem extrem interessanten Teil der Erde gelandet. Auch wenn wir davon nur einen winzigen Teil erkunden werden, freuen wir uns schon sehr darauf.