Hinter mir stürzt sich der große Wagen ins Meer, vor mir funkelt Sirius in allen Farben. Es ist sehr dunkel, aber sternenklar. Das Wasser rauscht an Maris Bug. Ich schaue mir den Sternenhimmel an und beschließe noch ein Kapitel in meinem Buch zu lesen.
Wir hatten eine schöne Überfahrt von Curacao nach Panama, ziemlich genau sechs Tage und sechs Nächte haben wir gebraucht. Am Montag um 14 Uhr ging es los, am Sonntag um 14 Uhr sind wir hier angekommen.
Die Reise beginnt spannend. Nobbi meldet sich über Funk, wir möchten die Brücke passieren. Zunächst bekommen wir keine Antwort. Doch schließlich meldet sich jemand. Die Brücke wird gerade geöffnet, große Schiffe wollen einlaufen. Die Schiffe sind noch weit weg, wir können direkt durchfahren. In Willemstad ist viel los, vier Kreuzfahrtschiffe sind zu Besuch. Auf unzähligen Fotos passiert eine kleine deutsche Yacht die geöffnete Brücke.
Schiebt der Strom uns in der ersten Nacht noch kräftig an Aruba vorbei, treffen wir bald auf den „Carribbean Countercurrent“ der uns dann mal mehr mal weniger verlangsamt und uns erst kurz vor Panama wieder loslässt. Als wir die Küste Kolumbiens hinter uns haben, sind wir erleichtert. In den letzten Wochen war hier immer sehr viel Wind. Der Wetterbericht hat Wort gehalten, wir haben, abgesehen von einer kurzen Flaute in der wir einige Stunden dümpeln, immer vier bis fünf Windstärken. Schönste Segelbedingungen.
Unterwegs haben wir mehr Großschiffe gesehen als auf allen anderen Passagen. Vor Aruba tummelten sich nachts die Kreuzfahrer, viele Schiffe waren auf dem Weg von oder nach Kolumbien und schließlich viele Schiffe mit dem Ziel Panamakanal. Am letzten Tag ist ein Hamburg-Süd Frachter uns doch recht nahe gekommen. Er fuhr hinter uns her. Irgendwann habe ich ihn angefunkt und gefragt ob er uns gesehen hat. Ja hat er, er würde nun so weiter fahren und uns überholen. Doch dann hat er „heimlich“ den Kurs geändert uns ist uns immer näher gekommen. „Heimlich“ ist in Zeiten von AIS ziemlich unheimlich, kann man doch den Kurs des anderen abgelesen. Nobbi erklärt mir fröhlich: „wenn ich von einem Frachter überfahren werde, möchte ich wenigstens als letztes den Hamburg Schriftzug lesen“. Mein Eindruck bestätigt sich immer wieder. Hamburg ist eine schöne Stadt, aber diese Hamburger sind komische Leute. Wir haben uns nicht überfahren lassen, auch nicht von einem Hamburg-Süd Schiff.
Noch nie haben wir so viele fliegende Fische gesehen, manchmal sah es aus als würde es Fische regnen, weil ganze Schwärme von Fischen gleichzeitig gesprungen sind. Viele haben Mari getroffen. Die die ins Cockpit fliegen, schmeißen wir möglichst lebend wieder rein, die die an Deck liegen werden am nächsten Morgen seebestattet. Am Morgen des fünften Tages hat Nobbi 52 Fische von Deck gesammelt. Unser ganzes Schiff ist voller Schuppen. Ein Fisch hat einen dicken Fettfleck (und einige Schuppen) auf der Windfahne hinterlassen. Doch wir haben nicht nur die Gejagten gesehen, sondern auf die Jäger. Ein Thunfisch hat einen riesigen Satz gemacht und ein Marlin ist weit aus dem Wasser gesprungen. Am schönsten war jedoch die Begegnung mit drei Pottwalen. Alle drei waren etwa so lang wie unser Boot und kamen uns entgegen.
Sonntagnachmittag fällt der Anker hinter der Isla Linton bei dem kleinen Ort Porto Lindo. Wir sind in Panama! Wir klaren auf, pusten das Schlauchboot auf, essen Bratkartoffeln und fallen in die Koje.
Heute Morgen sind wir wieder fit. Nach elf! Stunden Schlaf kann man das wohl auch erwarten. Wir fahren an Land, finden das Büro der AMP und bekommen dort unser „Cruising Permit“. Der Wisch kostet 185 Dollar und ist gültig für ein Jahr. Der nette Beamte unterhält sich mit uns, erklärt uns, dass er viel schneller arbeitet als in Colon und wir Glück haben, dass wir am Montag einklarieren, kostet das Permit an Sonntagen doch 20 Dollar mehr.
Nun müssen wir noch zur Immigration, dafür müssen wir nach Portobelo. Der Bus ist theoretisch vor fünf Minuten abgefahren, doch ein Paar sitzt noch an der Bushaltestelle, der Bus war noch nicht da. Wir kommen ins Gespräch, die beiden wollen auch zur Immigration. Als der Bus mit 40 Minuten Verspätung abfährt, haben wir gerade festgestellt, dass wir schon viele Geschichten über die beiden gehört haben, sind sie doch Freunde von Freunden und mit ihnen mehr oder weniger parallel in den letzten zehn Jahren um die Welt gesegelt. Die Segelwelt ist ein Dorf. Bei der Immigration geht es schnell, wir dürfen nun ein halbes Jahr in Panama bleiben.
Anschließend sehen wir uns in Portobelo um und spazieren über das verfallene Fort. Der kleine Ort hat eine bewegte Geschichte, denn die Spanier haben doch von hier das Gold weggeschafft, das sie erbeutet haben. Als wir einen Blick in die Kirche werfen, wundern wir uns gleich doppelt. Sie ist brechend voll und die Gebete werden auf Deutsch gesprochen. Wir erfahren, dass das Weltjugendtreffen der katholischen Kirche gerade in Panama stattfindet. 120 deutsche Jugendliche, die meisten aus Trier, verbringen einige Tage in der Umgebung von Portobelo. Die Abschlussveranstaltung in zwei Wochen findet in Panama City statt, dafür kommt dann auch der Papst angereist.
Das Schiff neben uns scheint verlassen zu sein und nähert sich langsam dem Wrack-Stadium. An Bord leben drei Hühner. Wer hat sie dorthin gebracht? Werden sie nur von Seglern gefüttert, die zufällig vorbei kommen oder kümmert sich jemand? Ein Boot ist doch kein Lebensraum für ein Huhn.
Uns gefällt die Landschaft hier. Die grünen Berge, in denen die Wolken hängen, die Mischung aus Palmen und Bäumen, die kleinen Strände, die schroffen Felsen. Morgen bleiben wir erst mal hier, mal sehen wo es uns dann hinzieht.