Besuch bei der Verwandtschaft

Montevideo ist gewissermaßen die kleine Schwester von Buenos Aires. In Uruguay wird man das allerdings nicht gerne hören, steht man doch ohnehin ständig im Schatten der großen Nachbarn. Mit der Fähre braucht man nur gute zwei Stunden über den Rio de la Plata von Buenos Aires nach Montevideo. Wir wollen uns die Gelegenheit, auch noch einen kleinen Eindruck von Uruguay zu bekommen nicht entgehen lassen, stehen Montagmorgen früh auf und nehmen die Fähre um sieben. Egal wie viel man reist, es gibt immer noch irgendwas Lustiges, das man noch nicht kennt. Vor dem Boarding müssen alle, die an Bord gehen, Überzieher über die Schuhe streifen. Egal ob Passagier oder Crew, wir laufen mit den weißen Stoffhüllen über den Füßen auf der Fähre rum. Falls diese Maßnahme den bereits fleckigen Teppich schützen soll, kommt sie zu spät. Unser Hotel ist toll, wir dürfen gleich einchecken, stärken uns und wandern los. Obwohl der Weg entlang der Standpromenade in die Altstadt länger ist als gedacht, schaffen wir es noch zur Stadtführung (Free-Walking-Tour). Cynthia führt uns nicht nur am Theater, der Nationalbank, den wichtigsten Plätzen, dem Standesamt, der Kirche und am Markt vorbei, sie begeistert uns auch mit vielen kleinen Geschichten und überschüttet uns mit Informationen. Jetzt wissen wir, dass nirgends so viel Rindfleisch gegessen wird wie in Uruguay, dass es 4,1 Rinder pro Einwohner gibt und dass in Uruguay alles etwas länger dauert. Sie berichtet von Fake-Hochzeiten, bei denen man sich trifft und eine Hochzeit feiert, bei der niemand wirklich heiratet. Ein Trend der anscheinend aus Argentinien kommt. Sie erklärt uns wie man in Uruguay Mate zubereitet (natürlich der einzig richtige Weg) und dass die Uni zu wenig Räume hat und deshalb Vorlesungen in einer Kirche abhält. Mit der tollen Führung hat Cynthia uns nicht nur für Montevideo begeistert, sondern auch deutlich gemacht, dass Uruguay nicht immer nur im Schatten der großen Südamerikanischen Länder stehen will. Schließlich gibt es noch den Fußball-Joker. Uruguay hat die erste Fußball-WM gewonnen und Brasilien im Maracana-Stadium besiegt. Abends wandern wir am Wasser wieder zurück zum Hotel. An der Stadtpromenade zählen wir und stellen fest, dass tatsächlich über 80 % der Menschen zum Feierabend Mate trinken. Das Zeug ist ziemlich bitter, aber uns gefiel es so gut, wie die Menschen mit ihrem Mate an der Promenade saßen und die untergehende Sonne die Bombillas (das sind die silbernen Strohhalme) aufblinken ließ. Mate wird auch im Süden Brasiliens, in Argentinien und in anderen Ländern Südamerikas getrunken, jedoch haben wir noch nirgends eine so große Dichte Thermoskannen getroffen wie in Montevideo.
In Montevideo erwartete uns noch eine Überraschung. Rita und Daniel waren am Tag zuvor gerade mit ihrer Maramalda in Uruguay eingetroffen und sind mit dem Bus nach Montevideo gekommen. Bei einem gemeinsamen Mittagessen haben wir die Erlebnisse der letzten Wochen ausgetauscht. Als wir uns Anfang des Jahres in Salvador voneinander verabschiedet haben, hätten wir nicht gedacht, dass wir uns sobald wiedertreffen.
Montevideo ist zwar deutlich kleiner als Buenos Aires, aber mit 1,4 Mio. Einwohnern doch eine Großstadt. In der Altstadt merkten wir davon nichts, sie hat eher ein Kleinstadtflair. Es fühlt sich an wie Osnabrück. Die Menschen bleiben an der roten Ampel stehen, die Bebauung ist nicht so hoch und die Uhren scheinen ein wenig langsamer zu gehen. Uns hat es sehr gut gefallen, die Stadt ist ruhiger als Buenos Aires und nicht so schick, aber charmant und gemütlich. Außerdem kann man den Fluss sehen und am Wasser entlanglaufen. Darauf ist man in Montevideo sehr stolz, anders als Buenos Aires haben sie nicht nur die lange Promenade, sondern auch mehrere stadtnahe Strände.