Big Ben, Regen und Pilger

Das erste was ich höre, noch bevor ich richtig wach bin, ist der Regen der aufs Luk prasselt. Meine Aufwachgeschwindigkeit wird vollautomatisch auf die langsamste Stufe runtergeregelt. Bei Regen habe ich es nicht eilig. Nobbi wacht auch auf und der Tag beginnt mit einem Austausch über den Regen. Wir motivieren uns mit optimistischen Regenbetrachtungen „ich glaube das grau wird heller“ und „die Tropfengröße hat deutlich abgenommen“. Das ist ein Vorteil, wenn man im Vorschiff direkt unter dem Luk schläft, man muss sich nicht bewegen, um das Wetter einzuschätzen. Als wir vom Duschen kamen war es fast trocken, auf dem Rückweg vom Brot kaufen, haben wir dann gleich noch eine Dusche bekommen.
Seit drei Tagen sind wir in Muxia. Nach einem sehr gemütlichen Tag am Anker in Corme sind wir hierhergekommen. In Corme hat uns der Kirchturm, der zur halben Stunde die Melodie von Big Ben und zur vollen Stunde eine andere, traurigere Melodie schlägt, unterhalten. Sehr nett. Wir hatten dort einen windigen Tag am Anker, den wir großen Teils mit Buch in der Sonne verbracht haben. Ein 9. Oktober, den man im Bikini verbringt, lässt keine Wünsche offen. Da macht es auch nichts, wenn es abends schnell kühl wird und man sich nach dem Abendessen auf dem Sofa in eine Fleecedecke wickelt. Dank Wind und Sonne waren unsere Batterien schnell geladen und wir hatten am Anker mehr Strom als wir mit der Hilfe des Kühlschranks und dem Laden aller Geräte vernichten konnten. Die Solarpanels machen einen tollen Job. Vom Ankerplatz in der Ria de Corme hierher waren es nicht mal 20 Meilen und wir hatten wenig Wind, dafür viel Sonne.
Dann war zunächst kräftiger Wind aus Süden vorhergesagt, der auch kam. Da waren wir froh, dass wir hier schön geschützt liegen. Gestern war weniger Wind und der drehte wieder auf Nord. Heute wollten wir ursprünglich weiter, doch dann sagte der Wetterbericht für heute ungemütliches Wetter an, das Sturmglas bildete Kristalle, die kalt und stürmisch bedeuten könnten, und Nobbi registrierte ein Barometer das ins Bodenlose fällt (Anmerkung der Redaktion: ein bisschen übertrieben). Heute haben wir tatsächlich eine ganze Menge Wind aus Nord-Ost. Wir bleiben hier. Außerdem macht Segeln im Regen ja wenig Spaß. Man wird zunehmend anspruchsvoll.
Hier haben wir ausgiebig gewaschen, jetzt sind nicht nur alle Klamotten sauber, sondern auch die Handtücher sind vorübergehend salzfrei und die Bettwäsche duftet. Ansonsten verbringen wir die Zeit mit Spaziergängen, der Ort ist nicht so klein wie er zunächst aussieht und es gibt eine nette Kirche direkt am Meer. Muxia ist mitten im Pilgertrubel. Santiago de Compostela ist ja nicht weit und der ein oder andere pilgert dann noch bis ans Cabo Finisterre, optional über Muxia und die Kirche am Meer. Wir sind also auch ein wenig auf dem Camino gelaufen, brauchen wir doch dringend Ersatz für „unseren“ GR34. Gestern wollte eine sehr resolute Spanierin uns unbedingt in ihrem Hostel unterbringen. Nachdem ich ihr erklärt hatte, dass wir keinen Schlafplatz brauchen, weil wir mit dem Boot da sind, wurden wir zum Kulturzentrum geschickt. Muxia liegt auf einer Landzunge, der Yachthafen liegt geschützt auf der Ostseite, an der Westseite kann man wunderbar Wellen gucken, die da beeindruckend und laut auf die Felsen donnern. Trotzdem gibt es hier keine Bürgerinitiative die ein Nachtbrandungsverbot fordert ;-).
Der Hafen ist ziemlich leer. Nur drei Boote sind bewohnt, lustigerweise drei deutsche Boote. Zwischendurch trifft man sich immer mal auf einen Stegplausch. Gerade ist noch ein belgisches Schiff dazu gekommen. Sie hatten zunächst vor dem Hafen geankert, jetzt wo der Wind gedreht hat, ist es wohl zu ungemütlich, außerdem waren sie auf der Suche nach einem Supermarkt.
Auf einem Boot gibt es immer was zu tun. Wir haben die Achterkammer ein bisschen umgestaut, der Hahn für die Dusche im Cockpit ist jetzt festgeschraubt, da hatte es etwas getropft und uns mal wieder einen Wasseralarm beschert, und Nobbi hat gestern mal wieder ausgiebig unseren Motor gestreichelt.
Morgen sieht es ganz gut aus fürs Kap Finisterre und ein Blick auf den Wetterbericht lässt auf spätsommerliche Tage in den südlichen Rias hoffen. Gerade wird das grau heller und der Regen hat aufgehört, beste Bedingungen für eine weitere kleine Wanderung auf dem Camino.