Über die Singapore Strait nach Batam

Als der Wecker um viertel nach fünf klingelt, lese ich schon seit eineinhalb Stunden. Es scheint, als sei ich etwas nervös. Die letzte Querung der Singapore Strait habe ich in schlechter Erinnerung und hoffe, dass die Gewitter uns diesmal verschonen. Um Punkt sieben durchfahren wir die Brücke nach Singapur und die Sonne geht auf. Ein gut gelaunter Beamter auf einem Patrouillenboot der Singapore Coast Guard fragt nach unseren Plänen und ermahnt uns nicht ins Singapurer Hafengebiet zu fahren. Wir halten uns brav auf dem schmalen Streifen zwischen Verkehrstrennungsgebiet und Hafengebiet. Es bleibt abwechslungsreich, ein Containerschiff stoppt direkt vor uns auf, um auf den Lotsen zu warten. Ich steuere, Nobbi überwacht den Verkehr am AIS. „Da kommt ein riesiger MSC Dampfer aus dem Hafen“. „Den sehe ich nicht“ widerspreche ich, ich sehe nur ein großes Evergreen Schiff. Das Fernglas hilft. Wir reden über das gleiche Schiff, quasi ein getarntes MSC-Schiff, auf dessen Bauch in großen Lettern Evergreen steht. Der Koloss gibt Gas und zieht vor uns durch. Gas-Leo tutet direkt neben uns, aber es gibt nur Abstimmungsprobleme mit dem kleinen Schiff, das den Proviant liefert. Nun meldet sich mal wieder die Singapurer Coast Guard. Ein anderes Patrouillenboot. Wir sollen den Kurs nach Steuerbord ändern. Das halten wir für eine schlechte Idee. Steuerbord von uns ist das Verkehrstrennungsgebiet und auf der Grenze kommt uns ein 350m langer Gas-Tanker entgegen. Der Streifen zwischen dem Verkehrstrennungsgebiet, also dem Großschiffs-Highway und dem Singapurer Hafengebiet ist nur 500m breit. Das ist ziemlich schmal, wir sind nicht die einzigen, die hier fahren: Militärschiffe, Bunkerboote („kleine“ Tanker), Schleppverbände und natürlich viele Schiffe, die diese Zone vom und zum Ankerplatz oder Hafengebiet queren. Es wird Zeit, dass wir die Seite wechseln. Nobbi informiert die Verkehrszentrale, dass wir jetzt queren wollen. Das ist gar nicht so einfach, die Crews zweier großer Schiffe funken angespannt hin und her, da wird es gerade eng und der Überholer scheint uneinsichtig zu sein. Wir bekommen den Ratschlag „with great caution“ zu queren. Zuerst gilt es die „Fahrbahn“ der nach Westen fahrenden Schiffe zu queren. Ich steuere im rechten Winkel zur Verkehrsrichtung und Nobbi behält die großen Schiffe im Blick. Das klappt super. Am Rand des Mittelstreifens biegen wir ab und fahren mit dem Verkehr nach Osten. Gerade fahren zwei Tanker neben einander auf den Verkehrsweg nach Osten, wir schaffen es nicht vor ihnen den Fahrstreifen zu überqueren. Wir fahren Parallelkurs und als sie uns endlich überholt haben, überqueren wir auch den anderen Streifen. Nun können wir auf der indonesischen Seite außerhalb des Verkehrs entspannt nach Osten fahren. Die Sicht ist vergleichsweise gut, so dass wir die Skyline Singapurs sehen können. Die schnellen Fähren fahren dicht an uns vorbei und schütteln uns durch. Wir kommen viel besser voran als erwartet, der Gegenstrom setzt später ein, er ist nicht so stark wie befürchtet und so wir erreichen die Nongsa Point Marina auf Batam schon nachmittags. Fünf ! Männer nehmen unsere Leinen an und noch bevor wir richtig angekommen sind, beginnt das Einklarieren. Ein Offizieller fotografiert unsere Navigationsgeräte und sogar den Motor. Die Klappe schließt er aber sehr schnell wieder, da ihm die Motorhitze entgegenschlägt.
Abends sind wir zufrieden mit uns, erleichtert, dass die Überquerung gut geklappt hat und wir endlich wieder richtig unterwegs sind, und sehr müde.

In Batam steht zunächst der Bürokram an: die Einreise nach Indonesien. Das ist für uns recht entspannt, da die Marina als Agent fungiert und viel Übung mit Seglern und der zugehörigen Bürokratie hat. Bei der Immigration geht alles ganz schnell, wir bekommen eine E-Mail, das wir unser Visum benutzt haben und bis Anfang September in Indonesien bleiben dürfen. Vom Zoll kommt ein Beamter am nächsten Tag an Bord und ist nach wenigen Minuten zufrieden. Ein Papier für die Biosecurity fehlt, dabei haben wir doch das berühmte „green book“ von unserem letzten Besuch. Aber auch dieses Problem kann gelöst werden. Unsere zuvor elektronische gemachte Zollerklärung kann zunächst nicht gefunden werden, ich übermittle sie noch einmal. Nachdem wir nun nach Indonesien eingereist sind, brauchen wir eine „domestic clearance“ um Batam zu verlassen und in Indonesien segeln zu dürfen. Dafür braucht es wieder knapp zwei Tage Vorlauf.

Bevor es weitergeht, wollen wir noch einkaufen. Schon wieder einkaufen fragt ihr euch nicht zu unrecht. Wir brauchen Bier, da wir zolltechnisch nichts nach Indonesien einführen durften. Vermutlich liegen wir das nächste Mal erst in Mauritius oder Réunion in einem Hafen. Das sind viele tausend Meilen und Wochen entfernt. Bis dahin sind die Einkaufsmöglichkeiten begrenzt und alle Einkäufe müssen im Beiboot transportiert werden. Außerdem können wir immer Obst und Gemüse gebrauchen. Wir gehen davon aus, dass wir erst auf Belitung wieder einkaufen. Die Bootscommunity funktioniert toll. Ich frage eine Nachbarin, ob sie einen Tipp für einen Laden hat, sie erzählt einer anderen von meiner Frage und diese findet mich auf Facebook und sendet mir lauter Tipps. Beim Ausflug in die nächste Stadt, stellen wir fest, dass Batam-City 1,3 Mio. Einwohner hat. Kein Wunder, dass es fünf-spurige Straßen (je Richtung!) gibt und entsprechend viel Verkehr. Unser Fahrer ist nicht nur sehr lustig, sondern kennt auch lauter sehr elegante Abkürzungen. Wir kommen an einer Moschee mit einer wunderschönen blau-weißen Kuppel vorbei und an riesigen Wohntürmen, die zur „Meisterstadt“ gehören. Der deutsche Name ist kein Zufall, das Projekt der Stadt in der Stadt, das etwas zur Hälfte fertiggestellt wurde und nicht nur Wohntürme, sondern auch Büros, eine Mall, Universitätsgebäude sowie Grünflächen und Shophouses enthalten soll, wird zur Hälfte von der Habibie-Familie, der Familie des dritten Indonesischen Präsidenten Habibie, finanziert, der in Deutschland studiert, promoviert und gearbeitet hat.
In einem kleinen Laden kaufen wir viele Dosen Bier, das unter lautem Gekicher und mit der Frage was wir für eine Party machen ins Auto geladen wird. In einer Mall besuchen wir einen Supermarkt mit tollem Obst und Gemüseangebot. In einem kleinen Restaurant essen wir sehr lecker und bestellen ein Gemüse, das wir nicht kennen.

Von unserem Liegeplatz nahe der Hafeneinfahrt können wir den Verkehr beobachten. Immer wieder beeindruckend was hier alles vorbei kommt. Ganz viele Güter, die wir in Deutschland kaufen können, sind im Container durch diese Meerenge gereist. Neben den vielen großen Containerschiffen und Tankern sehen wir viele „graue“ Schiffe, dieser wichtige Handelsweg wird gut bewacht. Uns interessieren die ganzen Spezialschiffe, die wir nicht so häufig sehen, ein Schiffstransporter, ein Schiff mit riesigen Baumaschinen, ein schwimmender Kran und eine Bohrinsel, die ganz langsam nach Osten geschleppt wird. Außerdem gibt es ein unendliches Gewusel kleiner Feeder, also kleinerer Schiffe, die den Containertransport auf den kürzeren Strecken übernehmen, kleiner Tanker, Bargen auf denen Baumaterial in die indonesische Inselwelt transportiert wird, Fähren und natürlich Fischer.

Wir sind bereit für die Weiterreise. Die nächsten etwa 400 Meilen werden interessant, vermutlich kommt der Wind genau von vorn. Wir kennen bereits die Geschichten der Segler, die in den letzten Wochen umgedreht sind und sind gespannt wie wir vorankommen werden.

MSC-Schiff im Mantel eines Evergreen-Dampfers.
Die Polizei passt auf, dass wir keinen Unsinn machen.
Wir lassen den Tanker überholen.
Hinterm Heck der Mathilde Oldendorff queren wir das Fahrwasser.
Unser Track (in gelb) beschreibt unsere gefahrene Route.
Ein Screenshot des Navi-Programms. Jedes Dreieck ist ein Schiff mit AIS.
Suchbild: Marisol in der Nongsa Point Marina.
Beim Morgenspaziergang auf Batam.