An Sumbawas Küste

Von Labuan Bajo brechen wir auf in Richtung Westen. Eine Nacht verbringen wir im Norden Komodos und sehen wieder Hirsche am Strand, schwarze Schweine und sogar einen Waran zum Abschied.
Die nächste Insel ist Sumbawa. Unser erster Ankerplatz beim Dorf Wera ist sehr ungemütlich. Ich schlafe insgesamt keine vier Stunden. Nicht mal verkeilt zwischen verschiedenen Kissen finde ich eine Position, in der ich soweit entspannen kann, dass ich einschlafe. Irgendwann gebe ich auf und lese meinen Krimi weiter, dann ärgere ich mich wenigstens nicht die ganze Zeit, dass ich nicht schlafen kann. Um kurz nach vier ist auch Nobbi wach, tatsächlich schlafe ich nun endlich ein. Um vier Uhr zweiundzwanzig rufen die Muezzine zum Morgengebet, es scheint drei Moscheen in dem kleinen Dorf zu geben, und ich bin wieder wach.
Die Bucht vor dem Dorf Kilo bietet am nächsten Abend eine ruhige Übernachtungsmöglichkeit, das Boot liegt wie auf dem oft beschriebenen Ententeich. Von hier geht’s weiter bis kurz vor den Ort Miro. Wir befürchten, dass es eine unruhige Nacht wird, als wir den im Revierführer beschriebene Platz in Augenschein nehmen, finden dann aber eine kleine Bucht hinter einer Felsnase und liegen hier ruhiger als erwartet. Zwischen zwei Dörfern liegen wir hier vor einem kleinen Stand. Anscheinend ein Geheimtipp für Verliebte, die Händchen haltend am Strand spazieren gehen.
Die Reise entlang Sumbawas Nordküste ist nicht uninteressant. Die „kleine“ vorgelagerte Insel Pulau Sangeang entpuppt sich als 1949 m hoher Vulkan und gilt als aktiv. Immer wieder blicken in die Calderas längst erloschener Vulkane, überall zeichnen sich Vulkankegel ab. Die Küste liegt meist im Dunst, eine Landschaft die nicht fotografiert sondern angeguckt werden möchte. Gegenüber unseres Ankerplatzes bei Miro liegt auch ein alter Vulkan, die Insel Satonda mit ihrem Kratersee.
Auch seglerisch ist es abwechslungsreich, mehr als uns recht ist. Die hohe Insel mit ihren tiefen Buchten macht ihr ganz eigenes Wetter. Immerhin können wir gelegentlich segeln oder zumindest motorsegeln. Manchmal haben wir wunderbaren Segelwind, der innerhalb weniger Minuten einfach ausgeschaltet wird. Auch unter Wasser ist es interessant. Als wir uns Sumbawas Ostküste nähern haben wir leider Gegenstrom. Das ist mühsam und kabbelig, Wasser fliegt übers Deck und wir kommen nur mit drei bis vier Knoten voran. Dann, endlich kentert der Strom und wir rauschen voran, da Strom und Wind das Wasser nun in die gleiche Richtung schieben glätten sich die Wellen. Segeln kann so schön sein! Neben uns tauchen Schaumkronen auf und sie scheinen uns einzuholen. Schon wieder Gegenstrom? Unsere Geschwindigkeit verringert sich nicht. Ein Blick auf die Seekarte zeigt, dass es hier einen schmalen tiefen unterseeischen Graben gibt. Die Wellen werden wohl von einer vertikalen Strömung verursacht. Nach ein paar hundert Metern ist der Whirlpool vorbei.

Das Wasser ist tief und unglaublich blau, leider treffen wir immer wieder auf Plastikmüll, insbesondere an den Strömungskanten sammelt er sich. Aber es gibt auch positive Überraschungen, ich mache Nobbi auf treibende Plastikfolien aufmerksam, die sich als Mantas entpuppen. Seit Labuan Bajo haben wir dreimal Mantas, dreimal Delfine und ein Dugong gesehen!

In der kurzen Zeit, die wir jetzt in Indonesien sind, hatten wir viele nette Kontakte. Die Souvenirverkäufer in Komodo, mit denen wir uns länger unterhalten, der junge Mann, der sein Handy bei uns auflädt und lauter Fragen hat, die Obstverkäuferinnen, die unbedingt Fotos mit uns machen wollen oder die netten Fischer in Kupang.
Doch, wir im richtigen Leben, sind nicht alle Zusammentreffen angenehm. In Wera haben wir uns das erste Mal unwohl gefühlt. Kurz nachdem wir geankert haben kam ein Boot mit drei jungen Männern zu uns gepaddelt. Sie wollen an Bord kommen. Ich lehne ab, es ist kurz vor sechs und wird gerade dunkel. Ich bin freundlich und erkläre, dass ich jetzt kochen möchte und müde bin. Sie sind nicht besonders freundlich und wollen etwas geschenkt haben. Einen Fender zum Beispiel. Wir schenken ihnen keinen Fender. Dann geht es weiter, wenigstens Zigaretten wollen sie haben. Wir haben keine Zigaretten. Nobbi erklärt ihnen, dass er nicht raucht und es ungesund ist. Coca Cola? Oder unser Radar? Irgendein Geschenk soll es sein. Sie vermessen das Boot und alles was darauf ist mit ihren Blicken. Das fühlt sich nicht gut an. Wir sollen am nächsten Tag an Land kommen und dann bräuchten wir eine Wache und das würden sie übernehmen. Sie bleiben an der Bordwand hängen und reden über uns. Das ist unangenehm und fühlt sich ganz anders an, als bei den neugierigen Kindern in Vanuatu, die uns beobachtet haben, es sind eben keine Kinder und sie sind nicht freundlich. Als sie merken, dass wir sie verstehen (tatsächlich verstehen wir nur einzelne Wörter, aber das wissen sie nicht) ist ihnen das wiederum unheimlich. Schließlich verschwinden sie in der Dunkelheit, bei uns bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Wegen des ungemütlichen Ankerplatzes wollen wir am nächsten Morgen weiterfahren, aber auch die Begegnung vom Vorabend motiviert uns nicht zum Landgang.
Am Ankerplatz in Kilo fällt eine Gruppe von Kanus über uns her, noch bevor wir den Motor abgeschaltet haben. Es sind hauptsächlich, aber nicht nur, Kinder. Über 40 Personen hängen gleichzeitig an der Bordwand. Anscheinend haben andere Yachten hier Weihnachtsmann gespielt, denn sie rufen „Hallo Hallo! Buch! Kugelschreiber!“ die Halbwüchsigen und Erwachsenen fragen nach Zigaretten und Cola. Wir verteilen Lollis und einige Bleistifte. Aber den Ansprüchen können und wollen wir nicht gerecht werden. Was sich absurd anfühlt ist, dass es weniger darum zu gehen scheint, etwas das schwer zu bekommen ist, geschenkt zu kriegen, als einfach irgendetwas zu bekommen. Ein Mann fragt uns nach Büchern, ich sage, dass ich deutsche Bücher lese. Das sei egal. Übrigens spricht er deutlich weniger Englisch als ich Indonesisch, mit einem Englischen Buch wäre ihm auch nicht gedient. Zwischenzeitlich ist die Situation für uns schwierig. Einige versuchen an Bord zu klettern, was wir verbieten. Kleine Kinder heulen, weil es bei uns keine weiteren Geschenke gibt, die großen sind unzufrieden. Einigen älteren Mädchen ist die ganze Situation genauso peinlich wie uns. Das Ganze zeigt, wie schwierig es ist. Gemessen an den Menschen im Dorf sind wir reich. Aber trotzdem können und wollen wir nicht alle beschenken. Wie viele Kugelschreiber, Bücher und Cola-Dosen sollen wir mitnehmen? Bisher haben wir es so gehandhabt, dass wir Kindern schon mal einen Bonbon, Lolli oder Bleistift schenken, dass wir mit Erwachsenen aber nur handeln. Früchte gegen eine Leine, Angelhaken, Nadeln, Garn, alte T-Shirts oder was auch immer benötigt wird. Wenn ein Handel zustande kommt sind wir natürlich großzügig.
Später kommen noch einige Kanus mit kleinen Kindern angepaddelt, die nur mal gucken oder ihr Englisch ausprobieren wollen. Das sind wieder nette Begegnungen. Ein Mann bietet uns Bananen oder Papayas an, wir haben noch sehr viele Bananen, aber mit den Papayas kommen wir ins Geschäft.