Bei der Abfahrt aus Nouméa beginnt es zu regnen, dadurch fällt der Abschnied etwas leichter. Unser Timing ist wirklich gut, wir können mit Westwind nach Osten Richtung Baie de Prony segeln. Den Canal Woodin kennen wir bisher nur als eine malerische Enge mit etwas Strömung, heute haben wir hier eine unangenehme Wind-gegen-Strom-Situation. Die Wellen steilen sich auf. Da der Wind genau von achtern kommt müssen wir mit mehreren Halsen durch den Kanal fahren, richtig anspruchsvoll und auch nicht gerade gemütlich dieses wilde Geschaukel.
Über Nacht soll der Wind auf Süd drehen. Wir übernachten an einer Boje in der Anse Majic und haben hier eine wunderbar ruhige Nacht unter einem gigantischen Sternenhimmel. In unseren Papieren steht, dass wir Neukaledonien am Freitag verlassen wollen, so ist diese Nacht vor Anker nach dem Ausklarieren nicht mal in einer Grauzone, sondern ganz und gar legal. Frankreich ist eine sehr Seglerfreundliche Nation, wir freuen uns über den entspannten Umgang. Wir waren bereits am Mittwoch bei den Behörden (Immigration, Zoll, Port Captain) und haben unsere Ausreisepapiere bekommen. Da Donnerstag ein Feiertag, Freitag ein Brückentag und am Wochenende ohnehin geschlossen ist, muss jeder der vor Montagmittag abreisen will, am Mittwoch seine Behördenbesuche erledigen. In Neukaledonien müssen wir keinerlei Gebühren bezahlen, ebenfalls sehr sympathisch. Sehr lustig finden wir es, dass wir mal wieder einen Stegnachbarn aus unserer Reihenhaus-Marina treffen. Er arbeitet im Hafenbüro.
Am nächsten Vormittag geht’s weiter. Wir wollen den Canal de la Havannah kurz vor Niedrigwasser erreichen und uns mit dem letzten ablaufenden Wasser hinausspülen lassen. Wir haben Südwest-Wind, also Wind von achtern, und erwarten gute Bedingungen im Pass. Wir sind schnell, schneller als gedacht. Wir haben zeitweise über dreieinhalb Knoten Strom und laufen fast zehn Knoten über Grund. Wie so oft wird es nochmal richtig aufregend, als wir dachten wir hätten es geschafft. Hinter dem Pass, dort wo der Meeresboden steil von 20 m auf 80 m abfällt, hat sich eine weiß schäumende stehende Welle gebildet. Wir sind angeleint und haben das Steckschott im Niedergang, als Vorsichtsmaßnahme. Es haben sich große Eddies gebildet, diese Strudel drücken Maris Nase immer wieder vom Kurs. Die schäumende Welle können wir schließlich umfahren, es gibt einen kleinen glatten Bereich. Entspannung setzt ein, wir sind draußen.
Das UKW meldet sich. Es gibt eine Tsunami-Warnung, man soll sein Schiff in tiefes Wasser bringen und sich auf keinen Fall im Pass aufhalten. In tiefen Wasser sind wir jetzt. Wie gut, dass die Warnung nicht 2 Stunden eher gekommen ist, was hätten wir dann gemacht? Später erfahren wir, dass es ein Erdbeben der Stärke 7,7 östlich der Loyalitäts-Inseln gab, also ganz in unserer Nähe. Nach einiger Zeit wird die Tsunami Warnung aufgehoben. Das Beben und die Tsunami-Warnung haben es sogar in den „Weserkurier“ geschafft.
Mari ist flott unterwegs, der saubere Bauch, das neue Großsegel und eine kleine Diät scheinen ihr gut zu tun. In der Nacht erreichen wir Lifou, eine der Loyalitäts-Inseln und passieren sie im Osten. Außer einem kleinen Leuchtturm sehen wir aber nichts von der Insel. Nun sind es noch 200 Meilen nach Port Vila. Der Wind kommt sehr achterlich, soll aber langsam drehen. Eigentlich schöne Bedingungen, doch der Seegang ist zeitweise sehr konfus und so werden wir immer wieder durchgeschüttelt. Später überlegen wir, ob wir den chaotischen Seegang vielleicht dem Erdbeben zu verdanken haben.
Als wir immer wieder auf 8 Knoten durchs Wasser (!) beschleunigen, beschließen wir, dass es Zeit für ein zweites Reff ist. Es ist unangenehm, wenn das Schiff zu stark beschleunigt und dann gegen eine Wellenwand prallt.
Ich bin mal wieder sehr seekrank. Der verfluchte zweite Tag. Während ich in der ersten Nacht ein regelrechtes Menü aus Käse, Baguette, Gummi-Schlangen, Möhren und Äpfeln verfuttere, kann ich am Nachmittag des zweiten Tages nicht mal an Essen denken, die zweite Nacht ist dann ganz schlimm.
Der Sonntag ist grau. Aber die Tatsache, dass wir heute noch ankommen werden, führt zu guter Stimmung. Als wir Efate und die Bucht von Port Vila erreichen regnet es. Erst spät sehen wir Land. Immer wieder ist es spannend ein neues Land zu erreichen. Vanuatu riecht gut. Grün, nach Vegetation und irgendetwas Würzigem, das ich nicht zuordnen kann.
Als wir neben der Quarantänetonne ankern sind wir klatschnass, aber sehr zufrieden den Ankerplatz im Hellen erreicht zu haben. Noch drei andere Yachten liegen hier mit gelber Quarantäne-Flagge vor Anker und warten auf die Einreise am nächsten Morgen. Die ganze Nacht hören wir unsere Kette über den Korallengrund rasseln, da wenig Wind ist schlafen wir trotzdem ganz gut.
Montagmorgen steht Einklarieren auf dem Programm. Erstmal das Dinghi aufpusten. Es ist weit zum Zoll. Zu weit zum Rudern, das Schlauchboot muss ran. Der Außenborder springt nicht an. Nobbi stellt fest, dass die Schwimmerkammer voll Wasser ist. Wir beschließen den kleinen 2PS Außenborder zu nehmen und uns später darum zu kümmern. Es regnet die ganze Zeit und einen Vergaser zu zerlegen und zu reinigen macht bei trockenem Wetter auch mehr Spaß.
Eins der anderen Boote funkt den ganzen Morgen den Zoll an. Irgendwann antwortet auch mal jemand. Wir tuckern diagonal 1,5 sm durch die Bucht. An einem Lotsenboot können wir unser Schlauchboot anbinden und besuchen Zoll, Immigration und Biosecurity. Zwischendurch machen wir einen Abstecher zum Geldautomaten, damit wir die Gebühren auch bezahlen können. Das Einchecken geht schnell und sehr freundlich vonstatten.
Der Biosecurity Beamte bemerkt, dass uns das Plakat mit dem Asiatischen Nashornkäfer (auch Coconut Rhinoceros Beetle, Oryctes rhinoceros) interessiert. Der Käfer hat es auf die Kokosnusspalmen und viele andere Palmenarten abgesehen und ist ein gefürchteter Schädling. Die Insel Efate auf der Port Vila liegt hat ein Käferproblem. Bei der Biosecurity hängen Poster über Lebenszyklus, Verbreitung und Vorsichtsmaßnahmen. Der Beamte kommt aus seinem Kabuff und erzählt, dass das Problem ernst ist. Die nördlichen Inseln sollen wenn irgendwie möglich nicht befallen werden. Da wir nach Norden segeln wollen, bittet er uns nicht nach vier Uhr am Nachmittag auszulaufen. Besonders bei einbrechender Dunkelheit sind die Käfer unterwegs und fliegen gerne zum Licht.
Inzwischen ist der Sprühregen in einen ergiebigen Regen übergegangen. Aber es sieht nicht aus als würde es heute nochmal aufhören. Egal. Wir sind ohnehin nass und haben immerhin eine Regenjacke an. Wir tuckern los. Leider nur kurz. Unser Motor mag nicht mehr. Der Gang springt immer raus. Getriebeschaden? Wir rudern zurück und machen wieder am Lotsenboot fest.
Wir haben Glück. Ein anderer Segler ist noch da und nimmt uns mit zurück. Eine weite Strecke mit drei Leuten in einem kleinen Dinghi mit einem 3 PS Außenborder und einem Boot im Schlepp. Alles im strömenden Regen. Aber wir unterhalten uns gut und durchgeweicht sind wir schon lange. Wir sind sehr dankbar, dass Vincent uns hilft. Wie gut, dass man sich auf die Hilfsbereitschaft der anderen Segler verlassen kann. Auch wenn es für ihn mit seinem kleinen Boot kein Spaß war, hat er keine Sekunde gezögert uns zu helfen. Wir bedanken uns mit einer Flasche Bordeaux.
Viel früher als gedacht machen wir Bekanntschaft mit dem Riesenkäfer, dem Kokosnussschädling mit dem Nashorn. Er sitzt an unserer Großschot und faucht. So sehr, dass ich dachte das Dinghi hätte ein Loch. Ganz schön groß so ein Vieh, etwa 4 cm. Sehr interessant, ich schaue ihn mir genau an, aber dann muss er ausziehen, wir wollen ihn nicht an Bord haben.
Wir wollen an die Boje verlegen, das Gerumpel unserer Ankerkette muss nicht sein, wenn es in geringer Entfernung Mooring-Bojen gibt. Bei Yachting World Marina meldet sich niemand über Funk. Wir beschließen einfach hinzufahren und uns eine Boje zu angeln.
Wir wollen Anker auf gehen, aber der Anker will nicht. Mari geht richtig mit der Nase runter und das Heck hebt sich. Ich bekomme Angst, kann man so seine Yacht versenken? Nobbi behält die Nerven, ich soll den Anker mit Schwung überfahren. Vorwärts, rückwärts. Es knirscht, sonst tut sich nichts. Schließlich geben wir noch mal 10 m Kette, so dass wir ein bisschen Schwung holen können und holen aus. In einem Bogen dirigiert Nobbi mich um die Position an der der Anker vermutlich klemmt. Ein kleiner Ruck und wir sind frei. Ganz langsam tuckern wir über zwei flache Stellen und unter einer Hochspannungsleitung hindurch zu den Bojen. Hier muss nicht nur der Tiefgang passen sondern auch die Masthöhe stimmen. Wir suchen uns eine Boje aus, von Land wird uns gewinkt, eine der gelben sollen wir nehmen. Wir sagen „Hallo“ in der kleinen Marina und treffen Roslyn, die uns schon per Mail geholfen hatte, als wir den Zoll nicht erreichen konnten.
Ein kleiner Spaziergang durch die Stadt, immer noch im Regen, ist das einzige was wir noch unternehmen. Wir kaufen uns SIM-Karten für unsere Telefone, damit wir uns Zuhause lebend melden können, werfen einen Blick auf den Markt und Nobbi kauft bereits ein kleines Andenken. Der erste Eindruck ist sehr sympathisch. Die Menschen sind kontaktfreudig und fröhlich. Ich glaube Vanuatu wird uns gefallen.





