Heimaturlaub und Erinnerungen

Der Regen fliegt waagerecht am Wohnzimmerfenster vorbei. Den Spaziergang verschieben wir auf einen späteren Zeitpunkt. Wir haben uns die schönste Zeit des Jahres für unseren Bremen-Besuch ausgesucht, allerdings sind wir nicht nur wegen des Wetters gekommen. Der Terminkalender füllt sich schnell und die Zeit fliegt nur so dahin. Diesmal sind nicht so viele Einkäufe zu erledigen, doch der Stapel mit Dingen fürs Boot wächst bereits.
Im Boot ist wieder ein wenig Platz. 40 kg Bücher und Souvenirs haben wir im Koffer mitgebracht. Reiseführer, Cruising-Guides und Seekarten von Gegenden, die wir erstmal nicht wieder besuchen werden, und zahlreiche Andenken. Einige Dinge, wie die Tee Dosen aus Singapur oder die Maske aus Indonesien, hatten wir schon fast wieder vergessen. Sorgfältig verpackt sind sie ganz hinten im Schrank um die halbe Welt gereist.

Eine Freundin sammelt Bilder, ein Bekannter Waffen, eine Seglerin Tassen und eine andere Stoffe.
Unsere Souvenirsammlung folgt keinem Konzept. Wir kaufen was uns gefällt und einigermaßen gut transportiert und gestaut werden kann. Das 1,5m lange und hunderte Kilo schwere Nilpferd musste dann doch im Laden bleiben und auch der große gläserne Dodo wurde leider nicht Teil unserer Sammlung. Ein Elefant aus Thailand, eine ganze Wildtierherde aus Südafrika, ein Poster aus Kapstadt, ein Obstkorb von den Kapverden, neben diesen klassischen Souvenirs wie Kunstgegenständen und Bildern schaffen es manchmal auch Alltagsgegenstände ins Gepäck. Die Zeitung „St. Helena Independent“ oder den Newsletter „The Atoll“ von Cocos Keeling haben wir aufbewahrt. Der Copra-Sack aus Nuku-Hiva verströmt noch immer diesen unverwechselbaren Geruch, der uns sofort zurück in die Südsee reisen lässt.
Kleine Andenken, die entweder angeklebt oder aufgehängt werden können, dürfen dauerhaft an Bord bleiben, so haben unter anderem ein Gebetsband aus einem buddhistischen Tempel auf Penang (göttlicher Beistand kann nicht schaden) und ein kleiner Wal von den Azoren einen permanenten Platz gefunden. Unsere neukaledonische Schnitzerei sollte eigentlich nur vorübergehend am Schott hängen, inzwischen hat sie (genauer er) einen Namen und bleibt im Boot. Göttlicher Beistand…
Vieles sind für andere sicherlich Staubfänger, für uns sind es Anknüpfungspunkte für Erinnerungen. Die geschnitzten Komodo-Warane erinnern nicht nur an ihre lebenden Vorbilder, sondern an den schönen Ankerplatz, wo wir sie gekauft haben und an die fröhlichen Preisverhandlungen. Den hölzernen Elefant mit dem zu kleinen Kopf haben wir in Port Elizabeth bei einem Senegalesen gekauft, der hervorragend Deutsch sprach und uns viel über die Geschichte der Stadt erzählen konnte. Die Muschel, die ich im Tausch gegen Zucker erhalten habe, erinnert mich an die freundlichen Ni-Vanuatus.
Viele Gegenstände im Alltagsgebrauch werden wegen ihrer Doppelfunktion als Souvenir besonders geschätzt. Klassiker sind die Geschirrtücher mit Kiwis aus Neuseeland. An Bord benutzen wir einen Salzstreuer von der Saline auf La Palma, den wir schon etliche Male aufgefüllt haben. Immer wenn ich die kleine Backpulverdose öffne, sehe ich den vollen Laden auf Langkawi vor mir, wo ich sie gekauft habe. Unser Wäschebeutel aus einer typisch portugiesischen Tischdecke mit Hahnenmuster hat uns um die Welt begleitet und die Bezüge unserer Sofakissen haben ihr erstes Leben als indonesischer Sarong verbracht. Ist es warm, aber nicht heiß genug für die Tücher aus Fiji, dienen uns Handtücher aus Portugal als Bettdecken.

Eine andere persönliche Erinnerungshilfe ist unser „Soundtrack zur Reise“. Wir hören fast immer lokales Radio, gefällt uns ein Lied besonders, oder wird es sehr häufig gespielt, nehmen wir es in unsere Sammlung auf. Viele Lieder sind typischer Radio-Mainstream und werden überall auf der Welt gespielt, aber es sind auch Südsee-Schlager, Oldies, Filmmusik oder afrikanischer Pop dabei. St. Helena hat einen sehr beschwingten Musikgeschmack, hören wir die ersten drei Takte von „Foss Dalon Dalonne“ sind wir im Bus auf Rodrigues mit unserer Reisegruppe von La Réunion und der Anfang von „Romance Com Safadeza“ beamt uns auf eine brasilianische Party.
In unserem Blog halten wir Erinnerungen fest, gemeinsam mit dem Logbuch dient er uns als Tagebuch. Und natürlich stellen die tausenden Fotos unserer Reise einen riesigen Vorrat an Andenken und Gedankenstützen dar. Viele Bilder haben es in den Blog geschafft, außerdem habe ich begonnen Fotobücher zu erstellen, hänge der Realität aber noch einige Saisons hinterher.

Wie wertvollsten Erinnerungen und Erfahrungen sind jedoch die, die keine haltbare Form annehmen wollen, sich schwer an Fotos, Lieder oder Schnitzereien knüpfen lassen.
Da sind zum einen die Naturerlebnisse. Die Weite des Ozeans und die Kraft großer Wellen. Die Weichheit der Luft in einer windstillen Tropennacht oder das überwältigende Gefühl nach 4000 Seemeilen Ozeanpassage eine Insel am Horizont zu entdecken. Der Dunst über südostasiatischen Bergen, ein diffuses Lichtspiel, das sich ebenso wenig fotografieren lässt, wie der türkise Farbenrausch einer Südsee-Lagune.
Zum anderen die Begegnungen mit Menschen und Einblicke in ihr Leben. Menschen, die ein Leben leben, das nicht weiter von unserem entfernt sein könnte. So weit, dass kaum vorstellbar ist, dass wir auf dem gleichen Planeten leben. Ein Abend mit fremder Musik und neuen Freunden auf einem Südseeatoll, ein Treffen mit neugierigen Kindern und zurückhaltenden Frauen. Keine gemeinsame Sprache aber gemeinsames Lachen, zusammen essen, Austausch von Geschenken.
Ich hoffe, dass diese Momente, die uns tief berührt haben, die unser wertvollster Schatz sind nicht verblassen. Sie lassen sich in keinem Foto festhalten und ich finde keine Worte um sie zu beschreiben. Die „Staubfänger“ in unserer Wohnung sollen unsere Gedanken auf die Reise schicken und wenn wir Glück haben, weisen sie uns den Weg zu den Schätzen unter den Erinnerungen.

Die Fotos im Beitrag sind vom Freimarkt, der seit 1035 in Bremen stattfindet. Mir gefallen die Lichter des traditionellen Marktes am Rathaus, dem Rummel mit Fahrgeschäften und Geisterbahnen auf der Bürgerweide kann ich wenig abgewinnen. Noch weniger interessiert mich nun Halloween. Und so verkleide ich mich heute Abend nicht als Zombie, sondern sortiere lieber Fotos.

Der Roland wacht „erst“ seit 1404 über den Freimarkt.