Flaute

Donnerstag 25. September, morgens rufe ich die Wettervorhersage ab. Die Funkverbindung ist, genau wie in den letzten Tagen, sehr flott. Schnell kommt die Mail rein. Die Vorhersage verspricht wunderbares Sommerwetter ohne nennenswerten Wind fuer die naechsten 48 Stunden. Die letzte Nacht war bereits sehr flau. Zunaechst sind wir noch langsam gesegelt. Immer haeufiger fallen die Segel ein, der Windgenerator dreht sich schon seit Stunden nicht mehr. Gegen fuenf bergen wir schliesslich die Segel und treiben. Die Sterne spiegeln sich im glatten Wasser. Es ist unglaublich still.
Das goldene Morgenlicht, das dem Sonnenaufgang vorausgeht, wird vom glatten Ozean reflektiert und sorgt fuer eine magische Stimmung.
Am Samstag haben wir Santa Maria mittags verlassen. Zunaechst kamen wir gut voran, es war jedoch etwas ungemuetlich. Boeen mit 6 bis 7 Beaufort hielten uns immer wieder vom Ausreffen ab. Wir beschlossen weder Mari noch uns zu quaelen und waehlten einen suedlicheren Kurs, auf dem wir gut vorankamen ohne in die ungleichmaessigen Wellen zu fallen. Langsam nahm der Wind ab und wurde gleichmaessiger, die Wellen wurden kleiner und das Leben gemuetlicher. Ein Tag fiel fuer mich, Migraene geplagt, praktisch aus. Der Wind drehte sukzessive nach Norden, so dass wir auf einen oestlicheren Kurs gehen konnten und uns unserer Kurslinie wieder annaehrten. Nicht, dass wir an den Kanaren vorbeisegeln und auf den Kapverden landen.
Donnerstag Nachmittag treiben wir noch immer. Das Wasser ist von unendlich klarem Blau. Faszinierend, wir sind uns beide sicher, dass der Atlantik ein anderes Blau hat als der Indische Ozean. Wir haben einen Wal gesehen, gebadet und gelesen. Der Tag ist mit Nichtstun verflogen und wir geniessen die Ruhe.
So praktisch Starlink ist und so gute Dienste es uns insbesondere beim Landfall in Suedafrika geleistet hat, so sehr geniessen wir es abgeschnitten von der Welt, ganz im Moment auf dem Ozean zu treiben. Mittels Kurzwellen-Funk koennen wir den Wetterbericht abrufen oder Emails schreiben und via Inreach Nachrichten empfangen. Aber wir koennen nicht „mal kurz etwas nachgucken“, nochmal die Wettermodelle vergleichen oder Nachrichten lesen. Keine App informiert uns, keine Meldung ueber die wir uns aufregen koennten schafft es bis zu uns.
Wir sind einfach nur hier, 275 Meilen von Teneriffa entfernt und warten auf den Wind. Ab und zu kraeuselt sich die Wasseroberflaeche und wir spueren einen leichten Windhauch, doch kurz darauf erscheint der Atlantik wieder traege und glatt. Die Windanzeige vermeldet weniger als drei Knoten und unser GPS hat seit heute Mittag 0.0 Meilen geloggt.
Ein Ex-Hurikan zieht an den Azoren vorbei und wird dort viel Wind bringen. Wir duerften davon nichts abbekommen. Sonntag werden wir den Schwell spueren. Die hohen Wellen laufen aus dem Tief heraus und werden auch die Kanaren erreichen.
Heute, Freitagmorgen, segeln wir wieder. Um Mitternacht konnten wir die Fock ausrollen, die gerade eben steht. Mit langsamen zwei Knoten schieben wir uns nach Osten. In der kommenden Nacht soll der Wind wieder ausbleiben, bevor er dann morgen in den Nachmittagsstunden hoffentlich wiederkommt.
An Bord ist die Stimmung ausgesprochen gut. Nach einer sternenklaren Nacht mit Sternschnuppen und vergluehendem Weltraumschrott, geniessen wir den stillen Morgen.