Der Ex-Hurrikan Erin zieht weit nördlich an den Azoren vorbei. In Praia da Vitória merken wir von dem riesigen Tief kaum etwas. Lediglich die hohen Wellen erreichen die Azoren und das Wetter zeigt sich etwas durchwachsen.
Wir baden eifrig, gehen spazieren und verbringen Zeit mit Freunden, die wir sobald nicht wiedertreffen werden. Bei einem gemeinsamen Abend vernichten wir den gesamten Weinbestand des Restaurants. Bei der ersten Flasche Wein hatten wir noch die Wahl, die zweite Flasche war dann auch die letzte.



Mittwochmittag verlassen wir Praia um nach Ponta Delgada zu segeln. Da die Strecke mit neunzig Seemeilen zu lang für einen Tagestörn ist, haben wir eine Nachtfahrt eingeplant. Die Wellen sind noch ein bisschen höher, aber Mari segelt sich recht angenehm und wir sind flott unterwegs.
Abgesehen von der Begegnung mit einem Fischer verläuft die Nacht unspektakulär. Der Wind dreht ziemlich stark und wir müssen häufig der Kurs anpassen. Gerade als ich die Wache von Nobbi übernommen habe, taucht ein Fischer auf und kommt schnell näher. Segler müssen Fischern ausweichen, das wäre nicht weiter schlimm, würden sie es einem nicht manchmal so schwer machen. Wir ändern den Kurs, er ändert ebenfalls den Kurs und fährt auf uns zu. Also ändern wir den Kurs deutlich in die andere Richtung, nur damit er wieder die Richtung ändert und nun wieder auf uns zu hält. Ich funke ihn an, frage ob er uns gesehen hat und wo er hinfahren möchte. Wir verstehen uns nicht so richtig, aber er bestätigt, dass wir so weiter segeln können und wir wünschen uns gegenseitig eine „Gute Nacht“. Nachdem er ein paar Minuten einen Kurs hält, der hinter unserem Heck hindurchführt, wird er plötzlich deutlich schneller und hält genau auf uns zu. Ich funke ihn wieder an, wir reden ein bisschen an einander vorbei bis er behauptet, er würde kein Englisch verstehen. Dieses Gespräch endet nicht mit guten Wünschen, wir ändern den Kurs um neunzig Grad und segeln einen großen Bogen. Nobbi darf endlich in die Koje gehen.
Kaum ist er unter Deck verschwunden, taucht ein Containerschiff auf dem AIS auf. Als es bis auf fünf Meilen herangekommen ist, rechnet das AIS einen CPA, einen „closest point of approach“, also einen Passierabstand von 0 Meilen aus. Das ist zu dicht. Also funke ich die MSC Mirella an. Der Offizier meldet sich sofort, versichert mir, dass er mich gesehen hat und hinter uns passieren wird. Wir wünschen einander eine gute Wache und kurz darauf sehe ich wie er seinen Kurs um fünfzehn Grad ändert. Begegnung zwischen Schiffen (und kleinen Booten!) können so einfach sein.
Der Leuchtturm an São Miguels Westspitze ist 27sm weit sichtbar und bald sehen wir auch die Lichter der Dörfer an der Küste. Am frühen Morgen schläft der Wind ein, wir motoren eine halbe Stunde, dann weht es wieder und wir können bis zur Hafenmole von Ponta Delgada segeln. Um neun Uhr haben wir einen Platz gefunden. Ich melde uns im Hafenbüro an und habe ein sehr nettes Gespräch mit den Hafenmeister, der vor vielen Jahren ein Praktikum in Bremen gemacht hat.
Ponta Delgada wurde 1499 gegründet und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Davon zeugen herrschaftliche Häuser, Kirchen, Klöster, Türme und viele Parks. Das alte Stadttor von 1783 steht heute auf dem Platz gegenüber des Hafens, ganz in der Nähe des Rathauses. Der Glockenturm des Rathauses ist stolze 301 Jahre alt, eine seiner Glocken gar aus dem 16. Jhd. Wir erklimmen die schmalen Stufen und erfreuen uns am Ausblick über Ponta Delgada.




Beim Einkaufen entdecken wir die blauen Plastikwasserflaschen, die wir seit Jahren benutzen. Wir haben sie 2017 gekauft und sind mit ihnen um die Welt gesegelt. Hunderte Male haben wir sie gefüllt (meistens mit unserem selbst gemachten Wassermacher-Wasser). Immer mal wieder haben wir nach Ersatz gesucht, aber haben nie die ideale Flasche gefunden. Nun wandern unsere weitgereisten Exemplare in den Plastikmüll und wir gönnen uns ein paar neue. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Flaschen ebenfalls 40.000 Meilen unter Segeln erleben werden.
