Bordleben in Horta: Post, ein Einkaufswagen und der Botanische Garten

Es gibt Neuigkeiten in Sachen Post! Paket Nummer zwei und der Brief sind angekommen. Von Paket Nummer eins gibt es weiterhin keine Spur.
Mit der eingetroffenen Post gibt es neue Aufgaben. Wir ersetzen den Monitor vom Bord-PC. Das ist einfach. Der Windgenerator soll neue Gummidämpfer und Kohlen bekommen, das ist schon etwas schwieriger. An einem windstillen Morgen lösen wir die Schrauben, die den Windgenerator-Mast in ihrer Position halten und neigen ihn vorsichtig zur Seite, so dass wir auf der Pier daran arbeiten können. Wir demontieren die Nabe mit den Rotorblättern, ziehen dann den Generator vorsichtig vom Mast ab und lösen die Kabel. Nobbi ersetzt die Gummiringe und die Kohlen, dann bauen wir alles wieder zusammen. Es klappt ganz gut, wir stehen trotzdem etwas unter Stress, unter keinen Umständen wollen wir den Windgenerator beschädigen. Ich halte die ganze Zeit den Mast fest, wir liegen hier zu unruhig um ihn abzulegen. Der Generator ist schwer und wir haben Angst, dass irgendein Teil ins Wasser fällt, daher sind erleichtert, als der Mast samt Windgenerator wieder an seinem Platz steht. Es dreht nun etwas ruhiger, allerdings noch immer nicht so wie früher. Da wir die Lager nicht selbst tauschen können überlegen nun, ob wir das im Winter vom Hersteller machen lassen wollen.
Zeit sich einfachen Wartungsarbeiten zu widmen. Alle unsere Winschen haben wir zerlegt, gereinigt, gefettet und wieder zusammengebaut. Das hat sich diesmal gelohnt, da war ziemlich viel Dreck zu entfernen und bei einer waren die Federn der Sperrklinken gebrochen. Nun schnurren sie wieder und das Reffen wird noch mehr Spaß machen.
Gelegentlich beschäftigen wir uns ausgiebig mit irrelevanten Dingen. Im Hafenbecken liegt ein Einkaufswagen fünf Meter unter dem Boot, den wollen wir bergen. Ich werfe den kleinen Draggen ins Wasser und hoffe, dass er sich im Einkaufswagen verhakt. Schon im dritten Anlauf sitzt der kleine Anker. Ich ziehe – und es passiert nichts. Also muss ich wohl ins Wasser. Mit Maske und Flossen springe ich rein und stelle fest, dass der Draggen sich im Einkaufswagen verkantet hat. Wenn ich schon den Einkaufswagen nicht aus dem Wasser bekomme, so möchte ich doch wenigstens den Draggen wiederhaben. Meine Lösungsstrategie ist einfach: Nobbi soll ihn wieder rausholen. Er schnorchelt viel besser als ich, das muss ich leider zugeben. In der Zwischenzeit putze ich mit den Schwamm den Wasserpass. Auch Nobbi zieht mal ordentlich an der Leine, doch der Einkaufswagen bewegt sich nicht. Schließlich beschließen wir den Draggen und damit den Einkaufswagen über die Winsch dicht zu holen. Der erste Versuch ist erfolglos, beim zweiten bauen wir einen Block an Maris Bug an, um den Zugwinkel zu verändern. Tatsächlich – der Einkaufswagen bewegt sich und baumelt nun zwei Meter unter der Wasseroberfläche. Ich knote eine weitere Leine an und mit vereinten Kräften zerren wir ihn auf die Pier.
Das Schnorcheln im Hafenbecken macht Spaß, weil viele Fische unterwegs sind. Ein Rochen schwimmt regelmäßig an der Mauer entlang. Die Klemme, mit der unsere Radioantenne am Windgeneratormast befestigt war, finden wir beide nicht. Nobbi kann aber eine gelbe Wäscheklammer einsammeln.
Am Mittwoch sind wir nochmal mit einem Roller über die Insel gefahren. Eine Straßensperrung lässt uns die Umgebung erkunden. Irgendwo außerhalb von Horta gehen wir in kleinen Straßen verloren. Eine Umleitung ist nicht ausgeschildert. Warum auch, man kennt sich ja aus. Schließlich kommen wir doch noch beim Botanischen Garten an.
Der kleine Garten hat sich auf einheimische Pflanzen spezialisiert. Die unterschiedlichen Habitate und typische und endemische Pflanzen werden gut erklärt. Es gibt hier eine Samenbank, wo Samen von gefährdeten endemischen Arten aufbewahrt werden. Azorina vidalii, die Azorenglockenblume, ist vermutlich eine der ersten Pflanzen die Santa Maria, die älteste Azoreninsel, besiedelt hat. Ihre Pollen wurden in einer 8,3 Mio. Jahre alten Erdschicht entdeckt. Erscheint der Botanische Garten im Gegensatz zum buntblühenden Straßenrand zunächst etwas unspektakulär, gibt es viele interessante Pflanzen und Geschichten zu entdecken, wenn man sich ein wenig Zeit nimmt.
Auch die Abteilung mit den Nutzpflanzen ist interessant und im Besucherzentrum kann man schließlich noch den Tee des Tages probieren.
In einer kleinen Bar am Strand von Almoraxife versuchen wir Mittag zu essen. Nach zwanzig Minuten in der Schlange vor der Bar haben wir noch nicht mal bestellt. Wir schwingen uns auf den Roller und essen in Horta bei einer Bäckerei. Dann machen wir uns wieder auf den Weg und bummeln von Aussichtspunkt zu Aussichtungspunkt. Vor einer kleinen Bar in einem ausgestorbenen Dorf trinken wir einen Espresso. Hier kann man ruhig direkt an der Hauptstraße sitzen, nur ab und zu kommt ein Auto vorbei. Abends picknicken wir an der Kapelle auf dem Monte Guia mit Blick auf Horta. Die steinerne Mauer ist noch warm und im Abendlicht ist der Blick auf die Stadt besonders schön.
Nie hätten wir gedacht, dass wir sechs Wochen in Horta verbringen würden. Ein schöner Ort für einen ungeplanten Aufenthalt.

Wieder aufgetaucht: der Einkaufswagen.
Eine Brücke führt zum hinteren Teil des Botanischen Gartens.
Der kleine Botanische Garten wurde abwechslungsreich angelegt.
Die Azorenglockenblume soll zu den ersten Pflanzen auf Santa Maria gehört haben.
Die Hortensien am Straßenrand stehen in voller Blüte.
Eine Getreidemühle an der Nordküste.
Abendessen mit Fernglas.
Horta in der Abendsonne.