Eine mühsame Überfahrt nach Cabo Verde

Nachdem wir den Flautengürtel am Äquator hinter uns gelassen hatten, dachten wir, dass wir von nun an im Passat nach Norden segeln würden. Wir befürchteten, dass der Wind stärker wehen könnte als uns lieb sei. Mit Flaute und plötzlichen Winddrehern hatten wir nicht gerechnet, mit elendigem Kreuzen hingegen schon.
Der zweite Teil der Etappe gestaltete sich als sehr viel abwechslungsreicher als wünschenswert. Mal fallen Böen ein und wir hoffen, dass der Wind nicht deutlich zunimmt, mal bangen wir, dass der Wind nicht einschläft. Unser Wendewinkel ist natürlich schlechter als erhofft. So viel Spaß Am-Wind-Segeln bei glattem Wasser an der Küste macht, so undankbar ist es auf dem Ozean. Die entgegenkommende Welle stoppt uns auf und schlafen wollen wir dabei auch noch. Die mühsamen Bedingungen sorgen für eine müde Crew. Wir schlafen oft schlecht. Es ist viel lauter als auf den favorisierten Vorm-Wind-Kursen und die Flugphase, die bei hackigem Seegang entsteht und einen in der Koje abheben lässt, kann man kaum verschlafen. Der meist nach Südwest setzende Strom macht es nicht besser.
Nicht immer ist es einfach die gute Stimmung an Bord aufrecht zu erhalten, dazu können wir einfach zu gut rechnen. Wenn man in 24 Stunden nur 40 Meilen nach Ost und lediglich sieben Meilen aufs Ziel gut macht und dann ausrechnet wie lang die Reise noch dauern wird, ist das desillusionierend. Ab und zu läuft es aber auch unerwartet gut. Manchmal gelingt es uns einen nach Osten setzenden Strom zu erwischen und zu nutzen, plötzlich sind wir schneller unterwegs oder können stundenlang genau nach Norden segeln.

Die ersten Tage nach dem Start in Ascension segeln wir gemütlich vor dem Wind.
Fluffige, freundliche Wolken.
Die Wolken werden höher.
Dramatische Wolken.
Kein Wind, dafür Regen und Gewitter in der Nähe des Äquators.
Marisol ist ganz und gar von Sahara-Staub bedeckt.

Gutes Essen hilft immer. Nur, dass der Frischproviant lange aufgegessen ist. Die Favoriten sind Kichererbsen und Kuchen. Die Kichererbsen-Creme (mit Zwiebeln, Mayo, Chili, Salz und Pfeffer) auf frischem Brot oder im Wrap schmeckt besonders gut mit Cheeseburger-Gurken. Die heißen wirklich so. Wir haben ein Glas in Kapstadt gekauft und das auch nur, weil sie von der favorisierten deutschen Gurken-Marke stammen. Der süße Hefeteig wird mit Äpfeln, Zimt und Zucker oder Karamell gefüllt. Im Vorrat findet sich eine Dose „pie fruit“ aus Australien: Äpfel in Spalten. Extra für Leute die Apfelkuchen essen wollen, aber nicht ihre letzten Frühstücksäpfel opfern wollen. Das Glas mit gesalzenem Karamell ist aus Neukaledonien. Wir können also durchaus von internationaler Küche sprechen.

Delfinbesuch ist immer schön!

Zwischendurch ist auch diese Etappe immer wieder sehr schön. Der weite Sternenhimmel, das unendlich blaue Wasser, die unvorstellbare Größe des Ozeans. Wir freuen uns über Delfinbesuch, sehen mehrfach Haie und haben eine ganz besondere Walbegegnung. Eine große Gruppe kleiner Schwertwale inspiziert uns genau. Die schwarzen Tiere bleiben über eine halbe Stunde in unserer unmittelbaren Nähe, schwimmen unmittelbar neben und unter dem Boot, schießen mit unglaublicher Geschwindigkeit auf uns zu und beeindrucken uns mit akrobatischen Sprüngen.

Die kleinen Schwertwale sind sehr neugierig.
Sie begleiten uns lange.
Die schwarzen Tiere kommen immer wieder ganz dicht ans Boot.

Am 29. April, dem zwanzigsten Tag der Etappe, werden wir zu Weltumseglern, wir kreuzen unseren Kurs vom 7. November 2017. Obwohl wir bisher dachten, dass es uns nicht wichtig sei, sind wir doch bewegt. Es fühlt sich merkwürdig an. Wir sind Weltumsegler.
Am nächsten Abend ist es schön ruhig und wir stoßen an. Zur Feier des Tages benutzen wir sogar auf See richtige Gläser für den Sekt aus Kapstadt. Auf so ein denkwürdiges Ereignis kann man nicht mit dem Plastikbecher anstoßen. Ein paar Tage später feiern wir Nobbis Geburtstag. Die Feierlichkeiten gestalten sich eher übersichtlich, immerhin gibt es Kuchen.

Der letzte Tag der Überfahrt ist noch einmal eine gute Zusammenfassung dieser Etappe. Auf Nordwestkurs segeln wir in die Nacht. Schließlich dreht der Wind östlicher und wir können nach Norden segeln. Der Kurs ist etwas ungemütlich, weil die Wellen nun fast von vorne kommen, aber das macht uns gar nichts, wie freuen uns, dass wir São Vicente (unserem Ziel) zügig näher kommen. Um vier übernehme ich die Wache. Kaum bin ich richtig wach und habe es mir im Cockpit gemütlich gemacht, nimmt der Wind ab und wir drehen nach Westen ab. Ich wecke Nobbi und wir wenden. (Weil wir das Backstag gesetzt haben, können wir nur zusammen wenden. Einer muss an Deck rumklettern und das Backstag aushaken.) Nun segle ich langsam nach Osten und Nobbi schläft. Leider ist das Vergnügen von kurzer Dauer. Der Wind schläft komplett ein und ich muss die Großschot festhalten, damit sie nicht schlägt. Als es langsam hell wird gebe ich auf, ich wecke Nobbi, wir bergen die Fock, machen die Maschine an und motoren los. Wir müssen von Hand steuern, unser Autopilot ist den von vorn kommenden Wellen nicht gewachsen. Zunächst fahren wir zügig auf São Vicente zu, im Laufe des Vormittags nimmt die Welle zu und wir werden langsamer.
Plötzlich wird der Wind wieder eingeschaltet. Das hatten wir befürchtet. Gegen fünf Windstärken können wir nicht gegenan motoren. Zeit wieder zu segeln, wir gehen auf Ost-Kurs. Der neue Plan: wir segeln um die Insel São Vicente herum und laufen Mindelo dann am nächsten Tag von Norden her an.
Kaum sind wir mit dem Mittagessen fertig, schläft der Wind ein. Wir treiben. Also entscheiden wir doch wieder zu motoren und uns aber von der Düse zwischen den Inseln São Vicente und Santo Antão erstmal fernzuhalten. Im Kanal zwischen den Inseln wartet nicht nur der Wind auf uns, hier strömt es auch mit zwei Knoten nach Südwesten. Wir hoffen jedoch, dicht unter Land einen Neerstrom zu finden, der uns nach Norden versetzt.
Als wir noch einige Meilen von der Insel entfernt sind, wird uns klar, dass wir den Strom bereits gefunden haben, obwohl der Gegenwind zunimmt, werden wir schneller. Dicht an der Insel hangeln wir uns nach Norden. Die Hoffnung Mindelo noch heute zu erreichen wächst ganz vorsichtig. Wind-gegen-Strom staucht die Wellen zusammen, sie sind klein aber steil. Ab und zu brechen sie schäumend. In der Abdeckung der hohen Berge ist es fast windstill, dann pfeift der Wind wieder durch ein enges Tal. Schließlich kommt er genau gegenan und die Böen erreichen 37 Knoten. Das Salzwasser fliegt durch die Luft und wir werden geduscht. Wir achten darauf, dass der Wind nicht direkt von vorn kommt und kreuzen gewissermaßen mit Großsegel und Maschine dicht unter der Küste nach Norden. Langsam arbeiten wir uns voran. Der schiebende Strom sorgt dafür, dass wir trotz der inzwischen hohen Wellen und des starken Winds immer noch mit zwei Knoten vorankommen.
Als wir die engste Stelle passiert haben nimmt der Wind auf sechs Windstärken ab. Schließlich laufen wir in die große Bucht vor Mindelo ein und ankern vor der Stadt neben der Marina. Zwei der Boote im Ankerfeld kennen wir. Freunde kommen mit dem Beiboot vorbei um uns zu begrüßen. Noch bevor wir uns über die Ankunft freuen können, fährt ein Tanker dicht hinter uns durch. Viel zu dicht für unseren Geschmack. Wir wechseln den Ankerplatz, nun liegen wir ein bisschen zu dicht am Nachbarboot, also ankern wir ein drittes Mal.
Als ich beim Ankern den Rückwärtsgang einlege und mich umschaue, ob wir rückwärts Fahrt aufnehmen, freue ich mich „meine Fische“ zusehen. Das erste Mal habe ich sie auf zwei Grad Nord bemerkt, sie schwammen mal unter unserem Heck, mal neben dem Ruder der Hydrovane. Wir fuhren durch ein Gebiet mit Teppichen von Sargassum, einer Braunalge, die freischwimmend über den Ozean treibt. Die Fische entschlossen sich lieber unter Marisol, als unter den Algen zu leben und haben uns tatsächlich 1500 Meilen begleitet. Ich hoffe sehr, dass sie ihre neue Heimat mögen und hier etwas zu fressen finden.

Die karge Südspitze São Vicentes.
Sargassum, die Alge unter der meine Fische wohnten, bevor sie unter Maris Bauch umzogen.
Einlaufen in die große Bucht von Mindelo.

Völlig erledigt, komplett gesalzen und sehr froh angekommen zu sein, stoßen wir auf unsere Ankunft an. Das Mittagessen bei leichtem Segelwind vor sieben Stunden, scheint Tage her zu sein. Nach einem Teller Hühnersuppe geht’s ins Bett.
Am 5. Mai sind wir nach 25 Tagen angekommen. 2300 Meilen sind wir gesegelt um eine Entfernung von 1800 Meilen zu überbrücken, es hätte noch viel schlimmer kommen können.

Ein Ausschnitt der Seekarte.

Am nächsten Vormittag verholen wir uns in die Marina. Wir wundern uns nicht über die vielen Entenmuscheln am Unterwasserschiff, hatten wir doch gemerkt, dass wir sehr langsam sind. Wenn der ganze Rumpf mit hunderten von zwei bis drei Zentimeter langen Anhängen bewachsen ist, verbessert das die hydrodynamischen Eigenschaften nicht. Eine Gruppe fleißiger Fische übernimmt den Putz-Job. Nach einem Tag am Steg sind nur noch einige Entenmuscheln über der Wasserlinie übrig, unter Wasser zeugen lediglich noch die kleinen Kalkpunkte von den zahlreichen ehemaligen Mitreisenden.
Die Einreise nach Cabo Verde ist erfreulicherweise noch genauso unkompliziert wie beim letzten Mal. Ein leckeres Mittagessen in einem kleinen Restaurant in einer Seitenstraße und ein schneller Einkauf: das muss reichen für den ersten Tag.

Auf dieser Etappe haben wir wirklich alles gegeben.
Eindrücklich illustriert von H. Otti.

Kurz vor den kapverdischen Inseln haben wir immer wieder diese wunderschönen Tropikvögel gesehen.