Der Sonntagmorgen beginnt mit einem Walhai neben dem Boot. Schon wieder. Daran könnten wir uns gewöhnen.
Bevor wir Anker auf gehen können, müssen wir noch einige Dinge erledigen. Die Gasflasche ist umgefallen und der Regler abgebrochen. Wir haben nun also eine frisch gefüllte Gasflasche, kommen aber nicht an den Inhalt. Nobbi durchsucht unsere Ersatzteilkiste und wir stellen fest, dass der Campinggas-Regler der französischen Flaschen auf unsere südafrikanische Flasche passt. Problem gelöst.
Nun nähen wir die Sprayhood. Statt der geplanten Reparatur nähen wir die Nähte ums Fenster nach. Das ist mühsam. Nobbi sitzt an Deck, ich stehe im Niedergang. Nobbi sticht von außen nach innen, ich wieder zurück. Wir trauen uns nicht die Sprayhood abzubauen, vielleicht verabschieden sich dann noch mehr Nähte. Die Nahtverbindungen des Fensters hatten nämlich aufgegeben als ich einen Flicken für den Schaden darüber abmessen wollte.
Mittags geht’s endlich los. Auf den ersten Meilen schüttelt der Seegang uns durch und wir sind noch im Windschutz St. Helenas, dann kommen wir in den stetigen Passat, den wir uns die ganze vorige Etappe gewünscht hatten.
Die folgenden Tage fließen wunderbar unaufgeregt in einander. Der Wind kommt aus Ost-Südost und weht mal mit vier bis fünf, mal mit fünf in Böen sechs. Wir segeln auf Backbordbug und schiften das Groß nur tagsüber für ein paar Stunden nach Steuerbord. Im „Schmetterling“, das Groß an Steuerbord, die Fock ausgebaumt an Backbord, können wir genau vor den Wind gehen und fahren etwas weiter nach Westen. So können wir ausgleichen, dass wir nachts östlich der Kurslinie stehen.
Ein Ozean-Segeltraum. Morgens dichtere Wolken, dann klart es auf, fluffige Wolken zieren den Abendhimmel, bevor es in eine sternenklare Segelnacht geht. Jeden Tag der gleiche Rhythmus. Das Meer leuchtet im schönsten Atlantikblau. Es wird immer etwas wärmer und bald können wir nachts wieder in kurzen Hosen im Cockpit sitzen.
Einziger Minuspunkt auf dieser Etappe ist das Kopfsteinpfaster. Es ist unruhig. So tief vorm Wind werden wir von einer Seite auf die andere geschaukelt, geworfen oder geschleudert. Wenn man sich im Sitzen sorgfältig verkeilt ist es gemütlich, auch in der Koje liegt man gut.
Die rollende Ereignislosigkeit wird nur gelegentlich unterbrochen. Einige Mahi-Mahis begleiten uns, die wunderschönen Golddoraden leuchten türkis, haben eine goldene Stirn und einen gelben Schwanz.
Wie sehen nur drei Schiffe. Ein Containerschiff unter zypriotischer Flagge, das Versorgungsschiff „Karoline“ kommt von Ascension zurück nach St. Helena und die Hong Kong Express. Als die Hong Kong Express im AIS auftaucht, denke ich: da wird Nobbi neidisch sein, ein Hapag-Lloyd-Schiff unter deutscher Flagge in meiner Wache. Als der Kapitän uns über Funk ruft springt Nobbi aus der Koje und ich lasse ihm den Vortritt. Wir erfahren, dass das 366 m lange Containerschiff auch auf Weltumsegelung ist. Nur hat es seine Runde bald nach nur 3 Monaten beendet. Es kommt von SriLanka und ist auf dem Weg nach New York. Der Kapitän und Nobbi stellen fest, dass sie auf dem gleichen Schiff gefahren sind. Allerdings nicht gleichzeitig. Eine kleine Welt.
Die nächste Unterbrechung unseres friedlichen Rhythmus ist weniger nett. Eine Kakerlake läuft gemütlich übers Bettlaken, als ich gerade in die Koje kriechen will. Nobbi fängt sie, oder ihn, tatsächlich in seinem Taschentuch und schenkt ihr eine Seereise ohne Boot.
Und schließlich gibt es einen ernsteren Zwischenfall. Der Lümmel bricht. Als wir kurz vor Sonnenuntergang ein Reff einbinden wollen kracht es und das Unterliek des Segels ist plötzlich lose. Der Bolzen, der Baum und Mast verbindet und am oberen Ende zwei Haken hat, um die Reffs einzuhängen, ist durchgebrochen. Zunächst binden wir Segel mit einer Leine an den Baum, doch schnell wird klar, dass das keine Lösung ist. Der abgebrochene Bolzen bewegt sich. Fällt er raus, ist der Baum nicht mehr mit dem Mast verbunden. Die Reparatur ist überraschend einfach, wir haben den alten Lümmel noch an Bord. In Neuseeland hatten wir ihn, auf Anraten des Riggers, der zum Check bei uns an Bord war, ausgetauscht. Nun drücken wir den abgebrochenen Bolzen mit dem alten und einigen liebevollen Hammerschlägen raus und der alte Bolzen nimmt seinen Platz ein. Warum der alte Bolzen 30 Jahre gehalten hat und der neue nur drei, wissen wir nicht. Schöner Nebeneffekt: der Haken des alten Bolzens sind irgendwie etwas anders geformt. Es ist viel einfacher das Segel zum Reffen einzuhängen. Wir hätten schon lange tauschen sollen.
Dank des lebendigen Schüttelkurses ist das Kochen zum Teil sportlich. Wir werden oft gefragt was wir unterwegs essen, deshalb gibt’s hier den Speiseplan dieser Etappe. Ihr seht, es gab noch frisches Gemüse an Bord. Das ist gut für den Speiseplan, aber schlecht für die Gewichtsbilanz. Wir haben nur eine Dose geöffnet. So werden wir nicht leichter. Vielleicht auf der nächsten Etappe.
Morgens haben wir Brot, später Knäckebrot, mit Marmelade oder Käse gegessen, wenn wir Frühstückshunger hatten. Das ist bei mir um sechs, bei Nobbi gegen zehn der Fall. Gegen Mittag gibt es ein Müsli mit Obst als zweites Frühstück. Abends koche ich und wir essen kurz vor Sonnenuntergang.
Sonntag: Bowl Marisol: Süßkartoffeln, Avocado-Creme, Gurke, Möhre, Ei
Montag: Kartoffelsalat, Würstchen, Gurke, Möhre (mittags: Avocado-Brot statt Müsli)
Dienstag: Zucchini-Möhren-Gemüse (scharf) mit Reis, Krautsalat, Grießbrei
Mittwoch: Puffer aus Möhre, Zucchini, Bulgur, Linsen, Zwiebeln, Ei und Mehl, Grießbrei
Donnerstag: Paprika-Zucchini-Tomaten-Sahnesoße mit Nudeln, Vanillepudding
Freitag: Möhren-Paprika-Sahnesoße mit Kartoffelbrei, Vanillepudding
Auf Saint Helena habe ich mir ein Paket Sahne gegönnt, deshalb gibt es nun Sahnesoßen bis das Päckchen leer ist. Nach der Ankunft gab es eine Auberginen-Tomaten-Sahnesoße.
In Namibia hatte ich Sundowner-Dosen entdeckt, die wir nun auf dieser Etappe getrunken haben. Die drei unterschiedlichen Gin-Tonic Dosen waren sehr lecker, Strawberry- Daiquiry schmeckte so künstlich wie der Name vermuten lässt, Tropical Sunrise schmeckte zum Sunset ganz gut und der Pina Colada roch immerhin nach Kokos. Die Getränke Auswahl zum Sundowner hat nun wieder Bordstandard erreicht. Es gibt Bier.
Samstagnachmittag (5. April) erreichen wir nach ziemlich genau sechs Tagen Ascension. Die Insel steckt in einer dunkeln Wolke und die Böen nehmen unnötigerweise auf 30 Knoten zu. Wir können bis zum Ende segeln. Den Ankerplatz zwischen Bojenfeld und einer schwimmenden Pipeline zu finden ist nicht schwierig. Unser Anker fällt auf 14 m in klares Wasser und gräbt sich sofort ein.
Einklarieren können wir erst am Montag, hier ist Wochenende. Wir freuen uns auf einen entspannten Anker-Sonntag und darauf diesen merkwürdigen britischen Außenposten zu erkunden.



