Ankunft auf Saint Helena

„Marisol, Marisol for Cruise-Ship Europa!“ Samstagnachmittag sitzen wir im Cockpit und philosophieren über die Langsamkeit. Dazu gibt es reichlich Anlass, wir sind mal wieder mit weniger als drei Knoten unterwegs. Der Kapitän der Europa ruft uns. Das Kreuzfahrtschiff wird St. Helena Sonntagmorgen erreichen. Nobbi freut sich über die nette Unterhaltung und wir erfahren, dass die MS Europa auf dem Weg nach Europa ist, der nächste Passagierwechsel steht in Madeira an. Nobbi interessiert sich besonders für die Besatzung, wie lang sind die Einsätze und hat die Crew Chance Saint Helena zu sehen. Die Europa verschwindet in Richtung des messerscharfen Horizonts und wir sind wieder allein in unserem Paralleluniversum. Zeit für einen weiteren Apfelkuchen und ein neues Buch.

Als wir nachmittags der Europa hinterher blicken sind wir zuversichtlich, dass wir St. Helena am Montag erreichen werden. Die Nacht bringt Ernüchterung. Der versprochene Wind ist nicht gekommen. Mit zwei bis drei Knoten kriechen wir durch die Nacht.
Der Abend war unnötig ereignisreich. Der Wind dreht und wir nehmen das Groß auf die andere Seite. Dabei entdeckt Nobbi einen Riss an der Vorderkante der Sprayhood. Wir versuchen ihn zu kleben. Aber keins der Tapes will halten. Wir verschieben die Reparatur. Inzwischen hat der Wind wieder zurückgedreht und wir nehmen das Groß wieder zurück nach Steuerbord. Als ich in die Koje kriechen will, höre ich ein leichtes Fiepen. Es kommt von einem Wasseralarm. Leider, ist es der Wasseralarm, der in der Bilge mit der Logge ist, darüber ist das Fach mit Konserven und Gläsern. Wir räumen es aus. Die Bilge ist staubtrocken. Nun gilt es alle Konserven wieder einzuräumen. Ein Fehlalarm ist natürlich viel besser, als ein echter Alam. Aber trotzdem. Warum immer im Dunkeln?

Sonntagmorgen haben wir ein kleines Tief. Kein meteorologisches, ein motivatorisches. Der Wind lässt noch immer auf sich warten. Mit zwei Knoten Fahrt fühlen wir uns wie Treibholz.
Nachmittags nähert sich eine Schauerwolke. Mit dem Regen setzt der Wind ein. Wie auf Schienen rauschen wir mit 5 bis 7 kn dahin. Nach einer Stunde ist die Wolke verbraucht. Umlaufend null. Nichts. Kein Lüftchen. Das Heck knallt in die See. Die Segel hängen schlapp am Mast. Dann setzten wir uns wieder ganz gemächlich in Bewegung. Mit wenig Wind geht es auch durch diese Nacht. Immerhin. Es ist sternenklar und die Nachtwachen sind ein astronomisches Vergnügen. Erst im Laufe des Tages kommt der Wind. Endlich richtig schönes Passatsegeln.
Das Wasser ist inzwischen 25 Grad warm, die Nachmittagsdusche hat also eine angenehme Temperatur. Beim Abendessen haben wir St. Helena in Sicht. Die Insel wird vom Sonnenuntergang dramatisch beleuchtet. Gegen 21 Uhr ruft Nobbi St. Helena Radio und kündigt unsere Ankunft an. Die nette Dame am Funk hofft „I hope you like my Island“. Das ist doch mal eine nette Begrüßung! Die letzten Segelstunden sind ein reines Vergnügen. Stetiger Wind, eine sanfte Welle und dieser atemberaubende Sternenhimmel. Wir runden die Nordspitze St. Helenas und der Leuchtturm Buttermilk Point kommt in Sicht.
Morgens um ein Uhr fällt der Anker vor Jamestown. Tief ist es hier. Wir sind froh, einen Spot gefunden zu haben, an dem wir 21 m Wassertiefe haben. Wir teilen uns ein Bier und fallen in die Koje. Für die 1274 Meilen haben wir zwei Wochen gebraucht. Sehr viel länger als erwartet. Trotzdem war es eine schöne Überfahrt.

Fluffige Passatwolken.
Die Europa verschwindet gen Horizont.
Land in Sicht!

Dienstagmorgen regnet es! Ein richtiger Schauer!
Im Ankerfeld entdecken wir mehrere bekannte Yachten. Nobbi setzt die Gastlandflagge und funkt Port Control an. Wir dürfen zum Einklarieren an Land kommen. Die Einreise erfolgt zügig. Erst geht’s zum Hafenbüro, dann kümmern sich zeitgleich Immigration und Customs um uns. Wir müssen eine Krankenversicherung nachweisen, füllen ein paar Seiten aus, bezahlen eine Gebühr und bekommen einen Stempel in den Pass.
Zunächst unternehmen wir einen kleinen Erkundungsspaziergang entlang der Hauptstraße, die Beine freuen sich über Aktivität. Sofort fällt auf, dass die Saints, so nennen sich die Bewohner, unglaublich nett sind. Man grüßt sich, nickt sich zu oder lächelt. Bei der Bank stellen wir uns in die Schlange. Es gibt keinen Geldautomaten auf St. Helena und wir brauchen Bargeld. In Kapstadt waren alle Versuche an Britische Pfund zu kommen gescheitert. Viele Geschäfte nehmen keine internationalen Kreditkarten. Eine App hilft, man kann eine virtuelle Kreditkarte der Bank of St. Helena bekommen. Mit dieser App kann man in vielen Läden zahlen. Der Bankbesuch ist ein Genuss, die Dame ist so unglaublich nett, da macht es richtig Spaß seine Kreditkarte über den Tresen zu schieben.
In einem der Supermärkte kaufen wir ein, in der Touristen-Information lernen wir, welche Insel-Attraktionen wann geöffnet haben und in der Sandwich-Bar essen wir zu Mittag. Bei der Post bekommen wir Briefmarken für unsere Karten. Von den Postkarten, die wir aus Kapstadt verschickt haben, hat keine einzige den Empfänger erreicht. Der Mann hinterm Schalter war gleich so merkwürdig…
Ich finde, dass wir für den ersten Tag genug erlebt haben, als Nobbi beschließt, dass wir noch „mal eben“ die Jakobsleiter hochlaufen könnten. 699 Stufen verbinden Jamestown mit der Siedlung auf dem Berg. Die Treppe ist 248 m lang und überwindet 180 Höhenmeter. Nachts ist sie beleuchtet, wir sehen sie vom Ankerplatz. Jeder Besucher „muss“ dort hochlaufen. Es regnet zwischendurch ein bisschen, aber wir schnaufen wie zwei kleine Loks die Stufen hoch. Für die Beine zweier müder Segler, die zwei Wochen auf einem Boot rumsaßen, ist das etwas mühsam. Den Rekord von etwas über vier Minuten verpassen wir deutlich. Die Aussicht auf Jamestown ist sehr schön, heute sogar mit Regenbogen. Wir sehen uns oben noch etwas um und machen uns dann an den Abstieg.
Ausgerechnet auf der Jakobsleiter treffen wir Freunde. Nach einem ausgiebigen Schnack, verabreden wir uns im Yachtclub. Wir warten auf die beiden, während sie den Aufstieg absolvieren.
Leider regnet es jetzt richtig. Auch während der Rückfahrt zum Boot regnet es ausgiebig. Nicht nur Mari hat die überfällige Dusche bekommen, auch wir sind nass.
St. Helena ist uns sehr sympathisch, doch für den ersten Tag war das Programm etwas zu ambitioniert. Wir sind müde.

Als Nobbi die Flaggen setzt regnet es.
Die Hafenbehörden sind in diesem hübschen Gebäude untergebracht.
Die Hauptstraße von Jamestown.
Die Jakobsleiter hat 699 Stufen.
Aufbruchs-Selfie.
Nobbi hat es fast geschafft.
Jamestown unterm Regenbogen.
Runter ist einfacher als hoch. Manuela hat uns fotografiert.