Namibia – wo die Wüste bis ans Meer reicht

Sonntagmorgen ist der Wind weg und der Nebel wieder da. Unsere Ankunft in Walvis Bay feiern wir mit einem ausgiebigen Pfannkuchen-Frühstück. Anschließend gehen wir Anker auf und motoren dichter ins Ankerfeld. An der Pier entdecken wir einen freien Platz und machen dort fest. Kurz darauf taucht Daniel auf und heißt uns willkommen. Wir hatten uns per Mail beim Yacht Club angemeldet und wurden bereits erwartet.

Walvis Bay hat etwas mehr als 100.000 Einwohner und ist damit die drittgrößte Stadt Namibias. Namibia ist fast zweieinhalb mal so groß wie Deutschland, hat aber nur gut 3 Millionen Einwohner und ist damit das am zweitdünnsten besiedelte Land (nur in der Mongolei gibt es noch weniger Menschen pro Fläche). Der Hafen von Walvis Bay ist Namibias größter und wichtigster Hafen, der einzige Tiefwasserhafen und auch für die Nachbarländer ohne Zugang zum Meer wie Botswana, Sambia und Simbabwe wichtig. Die Straßen durch Namibia in die Nachbarländer sind vergleichsweise gut.
Auf der Rückseite der neuen Containerpier ist die kleine, neue Pier, an der wir Platz gefunden haben. Da der Containerhafen natürlich hell beleuchtet ist, wird es bei uns nie völlig dunkel. Wir fühlen uns sehr sicher. Zwischen den Hafenanlagen, den Restaurants und dem Yacht Club liegen einige Boote an Bojen. Neben vielen Ausflugsbooten gibt es einige private Segelboote und ein schwimmendes Bootshaus. Nachts ist es sogar beleuchtet und regt unsere Fantasie an, schnell erfinden wir eine Geschichte in der neben dem Boot James Bond und Diamanten eine tragende Rolle spielen.

Namibia begrüßt uns kalt und grau. Wir freuen uns, dass unsere Heizung anstandslos anspringt.
Das erste Mal seit Neuseeland haben wir sie wieder in Betrieb. Es ist wirklich ungemütlich. Morgens wollen die Matratzen zum Trocknen gewendet werden, in so manchem Schrank bildet sich Kondenswasser, Nobbis Wolljacke kommt zum Einsatz, ich trage ein Halstuch und wir erwärmen uns abends bei Tee mit Rum. Der kalte Benguela Strom sorgt für Nebel und der Nebel für graues, feuchtes Wetter. Setzt sich die Sonne durch wird es sofort warm, aber die Abende sind frisch.

Am Montag müssen wir zunächst Einklarieren. Bei Antoinette, der Sekretärin des Yacht Clubs, füllen wir die nötigen Papiere aus und dann fährt sie uns erst zur Immigration und dann zum Zoll. Die Einreise ist einfach und noch kostenlos. Ab April müssen alle Einreisenden eine Gebühr bezahlen.

Ab Dienstag haben wir ein Auto gemietet. Walvis Bay ist weitläufig und lädt nur bedingt zum Laufen ein. Zunächst versuchen wir eine SIM-Karte zu kaufen. Starlink funktioniert leider nicht in Namibia.
Beim ersten Versuch ist die Schlange so lang, dass wir keine Lust haben uns anzustellen. Beim zweiten Mal warten wir nur zwanzig Minuten und können dann keine Karte kaufen, weil wir nur Passkopien, aber keine Originale dabei haben (wir hätten es wissen können). Im dritten Anlauf sind wir endlich erfolgreich.
Wir kaufen eine neue Buglaterne (rot/grün) bei einem kleinen Laden im Industriegebiet. Auf der Überfahrt hat leider nur das rote Licht funktioniert. Was nützt es wenn die LEDs zwar theoretisch fast unendlich leuchten, aber die Anschlüsse korrodieren. In der Apotheke bekommen wir ein benötigtes Medikament und ich kaufe einen neuen Pullover und muss nun nicht mehr frieren.
Der erste Eindruck ist gut, die Namibier sind sehr freundlich und hilfsbereit.

Daniel, Nobbi und Bernd.

Für Unterhaltung ist hier immer gesorgt. Neben einigen Seglern wird die Pier von ein paar Ausflugsbooten genutzt. Und von den Seebären. Nur selten liegen sie auf dem Steg, aber ein paar von ihnen sind immer in unmittelbarer Nähe unterwegs. Morgens sind sie besonders aktiv und jagen, manchmal direkt neben unserem Boot. Wenn die Ausflugsboote rausfahren, bieten sie eine kleine Show, springen auf die Boote, schwimmen um sie herum oder klettern auf die Pier. Immer in der Hoffnung, dass es irgendwo einige Fische als Belohnung gibt. Wir hören sie sogar oft nachts, wenn sie gegen Maris Bauch rumsen. Sie sind einfach drollig, wenn sie sich immer um die eigene Achse drehen oder sich mit den Flossen an der Schnauze jucken. Zwei sehr junge, noch kleine Seebären sind öfter bei uns unterwegs, sie streiten sich, bellen uns an und spielen unterm Steg.

Viele Seevögel, Flamingos und Pelikane leben in der Bucht und in der Lagune, die sich hinter dem Yacht Club entlang der Küste erstreckt. Mal laufen wir an der Lagune entlang, mal nehmen wir das Auto und fahren bis auf die andere Seite der Lagune. Dort gibt es eine Saline, die weißen Salzberge leuchten weithin sichtbar. In den Becken ist das Wasser-Salz-Gemisch pink, rosa und weiß – passend zu den Flamingos. Folgt man der Straße, kommt man bis ans Meer. Weißer Strand soweit man gucken kann.

Swakopmund

Die Stadt Swakopmund ist etwa 40 km entfernt und über die Küstenstraße erreichbar. Im Stadtzentrum ist die deutsche Vergangenheit nicht zu übersehen. Es gibt viele alte Gebäude aus der Kolonialzeit, vom alten Amtsgericht bis zum ehemaligen Krankenhaus. Unüberhörbar wird viel Deutsch gesprochen. Auch in Walvis Bay sind wir schon auf Deutsch angesprochen worden, haben uns über Melitta und Schwartau im Supermarkt gefreut (jeder durfte sich ein Glas Marmelade aussuchen) und viele deutsche Namen und Bezeichnungen entdeckt. In Swakopmund ist es jedoch viel ausgeprägter. Deutsche Namen und Schriftzüge, deutscher Werbung, die Buchhandlungen führen viele deutsche Bücher und Ferienhäuser und Geschäfte haben deutsche Namen. Zum Teil ist es ein bisschen witzig, denn es ist nicht nur „deutsch“ sondern oft auch altmodisch und verstaubt. Wir fühlen uns an einen Kurort im Harz erinnert, der seine besten Zeiten hinter sich hat, aber auch schon vor zwanzig Jahren. Uns gefällt Swakopmund trotzdem. Vor allem bei freundlichem Wetter. Bei unserem ersten Besuch war es sehr grau. Wir bummeln durch Andenkenläden und freuen uns über die kleine Fußgängerzone, testen unterschiedliche Cafés und kaufen wunderbares Brot.

Der Bahnhof von Swakopmund soll einer der schönsten der Welt sein, verspricht der Reiseführer. Wir müssen lachen, das hatten wir über den Bahnhof von Kuala Lumpur, der zweifelsohne mal schön war, heute aber in traurigem Zustand ist, auch gelesen. Im ehemaligen Bahnhof von Swakopmund ist heute ein Hotel und das Gebäude ist wirklich hübsch.

Die Kristall- Galerie ist eine Mischung aus Mineralien-Museum und Schmuck-Verkaufsraum. Wir sehen uns die vielen Edel- und Halbedelsteine an und bewundern den größten Quarzkristall der Welt.
Neben den vielen bunten Steinen, werden in Namibia vor allem Diamanten geschürft. Namibia hat große Vorkommen sehr reiner Diamanten. Früher wurden sie „einfach“ aus der Wüste gesammelt. Teile des südlichen Namibias sind noch immer Sperrgebiet. Dort wo die Vorräte erschöpft sind werden die Vorschriften gelockert. Heute werden sie vor allem aus dem Atlantik gewonnen. Die Küstengewässer dürfen zum Teil nicht befahren werden. Auch weit entfernt von der Küste und den Sperrgebieten haben wir auf dem Weg nach Walvis Bay Diamant-Mining-Schiffe gesehen.

Die Wüste reicht bis ans Meer

Die Namib ist die älteste Wüste unseres Planeten, 80 Millionen Jahre alt. Sie reicht von der Grenze zu Südafrika im Süden und im Norden bis nach Angola die Küste entlang. Bekannt ist sie für ihre hohen Sanddünen. Sehr schöne Dünen gibt es ausgerechnet hier entlang der Küste zwischen Walvis Bay und Swakopmund. Tagsüber liegen die Temperaturen häufig deutlich über 50°C, nachts kühlt es auf 0°C ab. An der extremen Trockenheit ist ausgerechnet die kalte Meeresströmung des Benguela-Stroms Schuld. Das kalte Wasser führt zur Kondensation der Luftfeuchtigkeit und zu einer sehr stabilen Luftschichtung, deshalb gibt es kaum vertikale Konvektion und Niederschläge. Aber es gibt an 200 Tagen im Jahr Nebel (den haben wir zur Genüge kennengelernt). Die Wassertröpfchen des Nebels schlagen sich frühmorgens auf Pflanzen und im Sand nieder.
Tiere und Pflanzen haben sich an die harschen Wüstenbedingungen besonders angepasst. Wir stellen fest, dass unsere Anpassung nicht ausreichend ist. In der Nähe von Walvis Bay gibt es eine Düne, die man besteigen darf. Bei uns unserem ersten Besuch ist der Himmel tief grau und wir beschließen, dass es sich nicht lohnt. Natürlich muss man Eintritt für die Düne bezahlen, deshalb können wir nicht einfach mehrfach auf die Düne klettern.
Als nach einigen Tagen endlich die Sonne scheint machen wir uns an den Aufstieg – und kehren um. Nicht etwas weil es uns zu anstrengend ist, auch wenn das Laufen im Sand mühsam ist. Es ist zu heiß. Nicht die Lufttemperatur ist das Problem, die Temperatur des Sands ist das Problem. Wir wurden aufgehalten und bis wir endlich starten ist es fast mittags. Praktischerweise trage ich einen Rock und Sneakers. Der Sand ist weich und fließt mir um die Knöchel. Das ist unglaublich heiß. Und der Weg nach unten ist genauso schlimm wie hoch. Ich hab mich wirklich verbrannt. Das war einigermaßen bescheuert. Typisch Touristen… Aber schön sind sie, die Dünen! Den besten Blick auf die Dünen hat man ausgerechnet von der Autobahn, leider immer mit Stromleitungen im Bild. Wir machen immer wieder einen Abstecher zum Dünengucken. Die Straße entlang der Küste ist besonders schön. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen die großen Sanddünen.
Am vorletzten Abend ist es am schönsten, das Abendlicht und einige Wolken sorgen für tolle Licht-und-Schatten-Effekte.

Unser Mietwagen ist nicht geländegängig, deshalb scheiden einige Strecken aus. Wir fahren auf einer asphaltierten Straße ein wenig ins Landesinnere. Es ist beeindruckend wie schnell es heiß es wird. Sind an der Küste nur knapp über zwanzig Grad, ist es nach weniger Kilometern schon weit über dreißig Grad heiß.
Landeinwärts der Dünen ist das Land sehr platt. In der Ferne erheben sich einige Berge. Es ist sandig, gelb, braun und grau. Und es staubt. In einem Minenort machen wir eine Teepause. Der Ort ist klein, die Häuser oder eher Hütten sind sehr einfach. Dagegen wirkt Walvis Bay wie eine Großstadt. Namibia hat viele Bodenschätze. Wir sind nun in der Nähe Namibias größter Uranmine. In der Gegend wird auch Zink geschürft und etwas weiter landeinwärts Gold. Sehr nett werden wir angesprochen was wir in dem Ort machen und ob wir ein Problem haben.
Über der Wüste braut sich ein Gewitter zusammen. Es blitzt. Das brauchen wir nicht, wir machen uns auf den Weg zurück zur Küste. Ein paar Tage später nehmen wir eine andere Straße ins nichts, hier wird Granit abgebaut. In der Ferne sehen wir Dünen und sonst ganz plattes, hellgraues trockenes Land. Und mitten im Nichts (für unsere Augen) ein Dorf. Viele Menschen leben in diesen ganz einfachen Hütten, gefühlt Lichtjahre vom Leben in Swakopmund-Zentrum entfernt. Namibia ist auch ein Land mit ganz ungleicher Einkommensverteilung.

In Namibia gäbe es noch viel zu entdecken, vielleicht kommen wir eines Tages auf „Landreise“ wieder. Der kurze Aufenthalt hat uns gut gefallen und neugierig gemacht. Die Namibier haben wir zum Großteil als sehr freundlich und aufgeschlossen erlebt.
Uns zieht es weiter. Wir haben ausklariert und machen uns morgen auf den Weg nach St. Helena.

Zeit für den Abflug!