Zu gerne wären wir länger geblieben. Wir fühlen uns wohl im Royal Cape Yacht Club und Kapstadt hat viel zu bieten, auch wenn die „Nachmittagswinde“ mit 50 kn gelegentlich an den Nerven zerren. Doch unser Visum läuft in einer Woche aus und der Wetterbericht ist vielversprechend. Sonntagmorgen (23. Februar) lösen wir nach dem obligatorischen Müsli fast alle Leinen. Sie haben sich ordentlich zugezogen, wir müssen uns erst einmal losstricken. Nobbi macht den Motor an und guckt „sicherheitshalber“ noch einmal in die Bilge. Wasser in der Motorbilge. Wir gucken uns an. Hilft ja nichts. Nobbi stellt den Motor wieder ab. Das Problem ist schnell gefunden. Ein Schlauch am Ölkühler des Getriebes tropft. Zwei neue Schlauchschellen sorgen für Abhilfe.
Nun geht es wirklich los. Port Control gibt uns die Erlaubnis auszulaufen und schon sind wir unterwegs. Ausklariert haben wir am Tag zuvor, das war weitgehend unproblematisch, auch wenn die Dame bei Immigration sehr schnippisch war.
Wir sehen einige Pinguine, Seebären sonnen sich auf den Tonnen und Delfine kreuzen unseren Kurs. Zunächst haben wir kaum Wind und lassen den Wassermacher laufen. Nach gut einer Stunde setzt der versprochene Wind ein, wir setzen Segel und genießen die fantastischen Bedingungen. Glattes Wasser, leichter Wind, strahlender Sonnenschein und der Tafelberg als Kulisse. Es könnte nicht schöner sein. Plötzlich werden wir langsam. Wir entdecken, dass wir einen riesigen Kelpstängel mit uns schleppen. Er scheint am Kiel oder Ruder zu hängen. Wir drehen das Boot in den Wind bis wir rückwärts segeln und können die riesige Pflanze so loswerden.
Während der Tafelberg kleiner wird, nimmt der Wind zu. Leider auch die Welle. Es wird ein bisschen ungemütlich, aber wir sind flott unterwegs. Dafür sorgt auch der Strom, der uns schiebt. In der zweiten Nacht ist es noch windiger. Sechs bis sieben Beaufort treiben uns voran. Nur wenige Stunden ist es wirklich rau mit hohen Wellen von dreieinhalb Metern dann wird es wieder handiger. Ich bin trotzdem seekrank, besonders am dritten Tag. Wir sehen viele große Schiffe und Fischer. Der Schiffsverkehr folgt wie wir der Küste und wir müssen auf jeder Wache mindestens ein Ausweichmanöver fahren. Immer mal wieder funken wir ein großes Schiff an, fragen ob man uns gesehen hat oder bitten um einen größeren Sicherheitsabstand. Lieber sind uns die Begegnungen mit den Meeresbewohnern. Delfine begleiten uns nachts stundenlang, wir sehen Wale, einen Mondfisch, Albatrosse, Tölpel und immer wieder Seebären.
Mittwoch ist weniger Wind als an den Tagen zuvor, die Wellen nehmen ab und es wird gemütlicher an Bord. Zeit zu kochen, bisher haben wir uns von Broten und Vorgekochtem ernährt, soweit uns nach Nahrung zu Mute war. Donnerstag nimmt der Wind in den frühen Morgenstunden immer weiter ab. Vormittags treiben wir schließlich in der Flaute. Das Großsegel schlägt hin und her. Irgendwann können wir es nicht mehr ertragen und nehmen es runter. Immerhin treiben wir in die richtige Richtung. Wir stecken in einer Nebelbank. Es ist feucht und die Sicht reicht kaum bis zur nächsten Welle. Als ein Containerschiff uns überholt ist es unheimlich. Wir sehen auf dem AIS, dass es weit weg ist, dreieinhalb Meilen. Das Typhon, das alle zwei Minuten ertönt, hört sich näher an. Irgendwann verzieht sich der Nebel und die Sonne kommt durch. Erst nachmittags kommt wieder Wind auf und ein paar Stunden später binden wir bereits das zweite Reff ein.
Nach einer schönen Segelnacht wiederholt sich das Spiel. Morgens nimmt der Wind ab und der Nebel zu. Diesmal schlägt das Segel nicht so entsetzlich. Wir haben die beiden oberen Segellatten rausgezogen, nun gibt es eher ein Flapp-Geräusch. Es will einfach nicht heller und trockener werden. Schon die Nacht war nass. Obwohl es zum Teil sternenklar war, tropfte es. Und auch jetzt kann man nur in Regenhosen im Cockpit sitzen. Natürlich mit Jacke und Mütze. Seit Tagen haben wir die langen Unterhosen nicht ausgezogen. Nachts tragen wir auch noch den Faserpelz. Das kalte Wetter macht die Überfahrt anstrengend, bevor wir in der Freiwache einschlafen können, müssen wir erst auftauen. Ich habe es gut, Nobbi kocht mir oft vor Wachübergabe eine Kanne Tee. Erst trocknet es langsam, um eins zeigt sich endlich die Sonne und bald ist auch der Wind wieder da. Nachmittags segeln wir bei Sonnenschein und frischem Wind. Bald wir es jedoch wieder kühl. Spätestens um fünf kommt der Fleece wieder zum Einsatz.
Wir haben uns damit abgefunden, dass wir einen Tag später ankommen werden und sind gespannt ob sich die Nebelflaute am nächsten Tag wiederholen wird. Angesagt ist sie nicht, war sie in den letzten beiden Tagen aber auch nicht. Der Samstagmorgen ist grau, aber Nebel und Flaute bleiben aus. Wir kommen gut voran und sind optimistisch, dass wir Walvis Bay vor Einbruch der Dunkelheit erreichen könnten. Mittags kommt die Sonne raus und wir können uns aufwärmen. Nobbi macht ein Mittagsschläfchen und ich mache es mir mit dem Reiseführer im Cockpit gemütlich. Schon stecken wir wieder in einer Wolke. Die Sichtweite beträgt nur noch etwa 200m. Die Wetterwechsel kommen so schnell und unerwartet. Ich lege das Buch beiseite und gehe Ausguck. Sehen kann man nicht viel, aber hören würden wir ein anderes Schiff wohl rechtzeitig. Nach einer Stunde verschwinden die Wolken wieder, leider nehmen sie den Wind mit. Wir dümpeln mal wieder in der Flaute. Nach einer halben Stunde wecke ich Nobbi. Wenn wir jetzt die Maschine anmachen, könnten wir in drei Stunden am Ankerplatz sein. Wir nutzen die Chance und lassen den Wassermacher laufen. Bis zur Ansteuerung von Walvis Bay läuft es fantastisch. Seebären begleiten uns wie Delfine, springen aus dem Wasser und zeigen Kunststücke. Ich kann mich nicht satt sehen an diesen sympathischen Tieren.
Die Containerbrücken und der Leuchtturm sind das erste was wir von Walvis Bay und Namibia sehen. Der Wind hat inzwischen wieder aufgefrischt. Leider nimmt er immer weiter zu. Während in der Ferne goldene Dünen im abendlichen Sonnenlicht leuchten, liegt eine riesige dunkle Wolke über uns. Es sind nur noch einige Meilen in die tiefe Bucht bis zum Yacht Club und dem Ankerplatz für Sportboote. Leider genau gegen den Wind. Inzwischen hat der Wind auf sechs bis sieben Beaufort zugelegt und die entstehende Welle ist beachtlich. Mari kämpft sich mühsam voran. Das erste Mal auf dieser Etappe haben wir Wasser an Deck. Manchmal machen wir kaum mehr einen Knoten Fahrt. Wir fühlen uns überdeutlich an unsere Einfahrt nach Port Elizabeth erinnert. Mal wieder gilt „Du bist erst da, wenn du das bist“. Wir quälen uns quer über die Reede der großen Schiffe. Zuvor hatten wir gelesen, dass von einer Ankunft bei Nacht dringend abgeraten würde, man solle hier irgendwo ankern. Undenkbar. Einige Wellen erreichen wohl eineinhalb Meter und sind sehr steil. Uns bleibt nichts anderes übrig als weiter zu kämpfen. Nobbi behält den Überblick, das AIS im Blick und reicht mir abwechselnd Tee und ein Handtuch. Das Handtuch, um das Salzwasser aus dem Gesicht oder das Tablet trocken zu wischen. Ich steuere oder versuche es zumindest. Mühsam kommen wir voran, vorbei an großen Tankern, Schleppern und unbeleuchteten (aufgegebenen?) Fischereischiffen. Es ist inzwischen dunkel. Dank der hellen Hafenbeleuchtung sehen wir trotzdem noch Umrisse. Endlich kommen wir dichter unter Land und die Wellen werden kleiner. Wir erkennen erste Yachten und lassen den Anker auf vier Meter Wassertiefe fallen.
Drei Stunden später als erhofft und sehr erschöpft sind wir angekommen. Wir räumen auf, ziehen die nassen Sachen aus und waschen uns die dicke Salzkruste aus dem Gesicht. Namibia! Ein neues Land, das wir noch nicht kennen. Mit südafrikanischem Rotwein stoßen wir auf die gute, wenn auch etwas anstrengende Überfahrt an. Und während der Wind langsam abnimmt, beginnt auch unsere Erinnerung daran, dass wir vor wenigen Stunden das Segeln verflucht haben, langsam zu verblassen.




