Papierkram und eine unspektakuläre Überfahrt

Am Samstag beginnen wir unseren Spaziergang mit einem Stopp bei der Coast Guard, um anzukündigen, dass wir Sonntagmorgen ausreisen wollen. Praktischerweise treffen wir dort auch den Beamten von der Immigration, mit dem wir gleich eine Zeit vereinbaren. Bei der Coast Guard hören wir irgendwas von „agriculture“, „inspection“ und „black-out“. Es gibt eine Kontrolle? Bei der Ausreise? Schließlich verstehen wir, dass es besondere Vorkehrungen gibt, wenn Boote zwischen La Réunion und Mauritius hin- und hersegeln. Die Ausbreitung der „white grub“, was nichts anderes bedeutet als weiße Made, soll verhindert werden. Die Larven bestimmter Skarabäus-Käfer fressen Wurzeln unterschiedlicher Kulturpflanzen. Das Ganze gilt nur zwischen 1. November und 15. Januar. Also seit drei Tagen. Es dauert, aber schließlich treffen wir nachmittags den zuständigen Mann, mit dem wir uns abends bei Marisol treffen. Nun folgt die absurdeste Maßnahme, die wir bisher erlebt haben. Wir sollen das Licht ausmachen und das Boot für zwei Stunden verlassen. Der arme Mann bewacht unser Boot und wir sitzen auf einer Parkbank und lesen. Verstanden haben wir nicht, wie die Käfer oder Larven nun auf dieses „black-out“ genannte Verfahren reagieren sollen. Mir gefällt Sandras These, dass sie über die Leinen an Land laufen oder über Bord springen sollen. Am nächsten Morgen kommt der Mann zurück und händigt uns unser „Käfer-Zertifikat“ aus, das wir in La Réunion abgeben sollen.
Sonntagmorgen geht es zunächst flott, unsere Pässe werden gestempelt und die Coast Guard trägt uns aus ihrem Buch aus, nachdem wir das Käfer-Zertifikat vorgezeigt haben. Der Zuständige beim Zoll rät uns zu einem Agenten und möchte, dass wir uns in ein Computerprogramm eintragen. Wir erklären, dass das für ein kleines Segelboot nicht nötig ist. Nach einigem Hin- und Her ruft er einen Kollegen an. Wenige Minuten später bekommen wir unsere Clearance, unsere Ausreisegenehmigung, per Mail.

Unsere restlichen Rupiah investieren wir in Panini, Espresso und Mandeltörtchen. Dann geht’s los. Knapp 140 Meilen liegen vor uns, allerdings müssen wir zwischen acht und fünfzehn Uhr in La Réunion eintreffen. Sonst müssten wir bis zum nächsten Tag warten, d.h. die Nacht treibend vor der vulkanischen Insel verbringen, denn zum ankern ist es viel zu tief. Wir müssen uns also beeilen und dürfen nicht zu langsam werden. Kurz hinter Mauritius wird der Wind abgestellt und wir motoren den restlichen Weg. Nur einige Stunden zieht das Segel, sonst sorgt es dafür, dass wir nicht ganz so schlimm im achterlichem Schwell rollen.

Die Inseln Mauritius und La Réunion liegen nicht nur auf der Schifffahrtsroute zwischen Südafrika und Singapur, es gibt auch Verkehr zwischen den Inseln. Wir sehen also wieder einige Schiffe. Nachts entdecke ich einen hellen Lichtschein und befürchte zunächst, dass mir ein Fischer entgegenkommt, doch die Quelle des vielen Lichts ist das Kreuzfahrtschiff Europa 2.
In der zweiten Hälfte der Nacht sehen wir die Lichter von La Réunion und bei Sonnenaufgang die hohe vulkanische Insel selbst.
In Le Port können wir direkt auf unseren Liegeplatz in der Marina fahren. Vor einiger Zeit hatten wir geschrieben, dass wir hier keinen Platz bekommen würden und daher die Insel auslassen müssen, aber dann hatten wir doch Glück. Da hilft es auch, dass Marisol nicht so groß ist (manche sagen gar sie sei klein).
Die Hafenmeisterin nimmt nicht nur unsere Leinen an, heißt uns herzlich willkommen und übergibt Schlüssel, WLAN-Code und eine Karte vom Ort, sie hat auch unsere Papiere ausgedruckt. Alles ist bereits vorbereitet, wir brauchen die Ausdrucke nur an den Zoll weitergeben.
Der Zoll besucht uns im Hafen. Das Einklarieren ist das kürzeste das wir bisher erlebt haben und dauerte – ungelogen – keine zwei Minuten. Unsere Passnummern werden verglichen und unsere Papiere gestempelt. „Herzlich willkommen auf La Réunion!“.
Die Insel sieht verlockend aus, hohe Berge und tiefe Täler. Viel Zeit haben wir nicht, bevor wir nach Südafrika weitersegeln, aber wir hoffen wenigstens einen kleinen Eindruck bekommen zu können!

Marisol beim „black-out“ im Dunkeln.
Port Louis, Mauritius, liegt im Kielwasser.
La Réunion ist zu groß fürs Foto.
Marisol im Hafenbeck „Titan“ auf La Réunion.