Ankunft auf Rodrigues

Nach dem vorangegangenen windigen Teil der Passage sind diese ruhigen Tage eine nette Abwechslung. Teilweise haben wir nur noch knappe 3Bft. Von achtern ist das auf dem Ozean ein bisschen wenig. Wir können geradeso segeln. Wir baumen die Fock aus, mal an Steuerbord, mal an Backbord und rollen sie etwas ein, Hauptsache sie schlägt nicht. Das nervt und macht das Segel kaputt.
Dann kommt die hohe Welle von dem riesigen Tief im Süden, die uns schon vor einige Tagen im Wetterbericht angekündigt wurde, und überlagert sich mit der kurzen Windsee aus Osten. Anders als befürchtet ist das nicht schlimm. Die Welle aus Süden ist zwar hoch aber sehr lang und so segeln wir mal bergauf, mal bergab. Das Wellenmuster ist merkwürdig, manchmal kann man kaum sagen, ob eine Welle auf einen zukommt oder wegläuft.

Am letzten Tag auf See frühstücken wir gemütlich im Cockpit, duschen und starten dann den Wassermacher. Innerhalb nur einer Stunde nimmt der Wind von drei Beaufort auf fünf bis sechs zu. Wir beschließen das zweite Reff wieder einzubinden. Dabei entdecken wir, dass an Deck ein (kaputter) Sicherungsring liegt. Das ist nicht gut, der fehlt irgendwo. Schnell stellen wir fest, dass er vom Lümmel stammt, d.h. von der Verbindung zwischen Baum und Mast. Das hätte sich spektakulär entwickeln können. Ein Hammerschlag bringt den Bolzen wieder an seinen Platz, ein neuer Sicherungsring hält ihn hoffentlich in Position.
Als Nobbi den Wassermacher spülen und ausschalten will, läuft die kleine Förderpumpe nicht. Ein Kabel ist lose, eine Sicherung durchgebrannt. Nobbi ersetzt die Sicherung und bastelt das Kabel wieder an. Die Pumpe läuft trotzdem nicht. Dann kippt der Elektrokoffer aus und die Ersatzteile ergießen sich auf den Fußboden. Stecker, Schalter, Schrumpfschläuche, Klemmen, Kabelschuhe und Werkzeuge. Leider haben wir in der Hektik eins der Ventile vom Wassermacher nicht geschlossen und so geht fast das ganze frisch produzierte Wasser wieder verloren. Es reicht, das Chaos ist groß genug. Wir sammeln alle Teile ein und beschließen den Fehler später am Ankerplatz zu suchen.
Zum Luftholen setzen wir uns ins Cockpit, kaum entspannen wir ein wenig, klatscht eine vorwitzige Welle an die Bordwand, schwappt über die Sprayhood und ergießt sich über uns. Mein frisches T-Shirt, die gerade gewaschenen Haare, die Kissen – alles ist nass.
Wenige Stunden später entscheiden wir uns für das dritte Reff. Der Wind nimmt immer weiter zu und außerdem sind wir zu schnell. Wir können Rodrigues heute nicht mehr erreichen und wollen, wenn irgend möglich, nicht im Dunkeln ankommen. Auch das Bimini packen wir wieder ein.
Nobbi hängt schon wieder kopfüber überm Wassermacher, er mag nicht warten und will das Problem finden. Zufrieden taucht er wieder auf. Die Pumpe schnurrt wieder. Es gab noch ein loses Kabel.
Der Seegang nimmt schnell zu. Leider kommen Wind und Welle von der Seite, von achtern wäre es netter. Abends haben wir 30 Knoten Wind, in Böen über 40. Das sind sieben Beaufort in Böen acht bis neun. Das wäre jetzt nicht nötig gewesen. Nach den ruhigen Tagen fällt es uns schwer sich wieder daran zu gewöhnen, an das Heulen des Windes und die heranrauschenden Wellen. Aber eigentlich geht’s ganz gut, Mari macht das schon. In der zweiten Hälfte der Nacht nimmt er Wind etwas ab. Trotzdem haben wir das Vorsegel so weit wie möglich verkleinert und das Groß weit geöffnet. Langsam segeln ist bei so viel Wind schwierig.

Um Mitternacht sehen wir die Lichter von Rodrigues. Als es gegen fünf langsam hell wird, können wir die grünen Hänge der Insel bereits gut sehen, falls sie nicht gerade in einem Schauer verschwinden.
Gegen sechs sprechen wir mit der Coast Guard, fahren in die Mathurin Bay, ankern dort vor dem Hauptort und warten auf weitere Anweisungen. Kaum ist der Kaffee fertig, werden wir angefunkt. Wir sollen ins Hafenbecken fahren und dort ankern. Das Hafenbecken ist eine rechteckige Fläche, die vor der Handelspier ins Riff gesprengt wurde. An der Pier liegt der Versorgungs-Frachter „Peros Banhos“.
Wir hatten erwartet eine ganze Reihe von Yachten zu treffen, doch außer uns, sind nur zwei weitere hier. Skyfall, die Yacht, die wir auf See getroffen haben, ist einen Tag vor uns angekommen, und Mehalah ankert gleichzeitig mit uns.

Ein Boot kommt längsseits und bringt die Offiziellen an Bord. Zwei sind von der Gesundheitsbehörde, einer von der Coast Guard, einer von der Hafenbehörde, einer ist zuständig für Drogen. Bei den anderen wissen wir es nicht. Alle sind sehr freundlich, wir füllen viele Seiten aus und bekommen erklärt, wie wir weiter vorgehen sollen.
Nach dem Frühstück pumpen wir gerade das Dinghi auf, als wir angefunkt werden, wo wir blieben. Wir sollen an Land kommen. Bei Immigration füllen wir zwei Formulare pro Person und zwei Formulare pro Boot aus. Im Nachbarbüro beim Zoll füllen wir acht Formulare (oder waren es noch mehr?) aus und anschließend zwei, die an die Hafenbehörde weitergegeben werden. Immer wieder Bootsname, Registrierungsnummer, Heimathafen, Passnummern. Nein, wir haben keine Fracht an Bord. Es geht flott, der Mann vom Zoll hilft ordentlich beim Ausfüllen. Das kannst du einfach weglassen, hier musst du nur unterschreiben. Und so weiter. Dann schenkt er mir einen Apfel, über den ich mich sehr freue. Wir haben vor zwei Tagen unseren letzten Apfel gegessen.
Als nächstes müssen wir eine Gebühr für die Inspektion durch die Gesundheitsbehörde bezahlen. Umgerechnet 35 Euro kostet der Spaß, kein Schnäppchen, aber es sind die einzige Gebühren, die bei der Einreise anfallen. Wir brauchen Bargeld und gehen zunächst zum Geldautomaten.
Zwei Minuten vor 14 Uhr finden wir den richtigen Schalter. Ein Schild informiert, dass man passend zahlen muss. Kleingeld haben wir nicht, versuchen es aber trotzdem. Die Dame wechselt unsere großen Scheine und wir bekommen eine Quittung. Dann schließt sie, der Schalter öffnet erst am Montag wieder. Glück gehabt!
Mit unserer Quittung können wir bei der Gesundheitsbehörde ein Einklarierungspapier bekommen. Das Büro befindet sich im Obergeschoss vom Marktgebäude. Ein Schild gibt die Öffnungszeiten an. Montag bis Freitag von neun bis zwölf. Wir hören, dass noch jemand im Büro ist, unterhalten uns etwas lauter und gucken durch alle Fenster. Es klappt, ein Mitarbeiter öffnet für uns den Schalter und übergibt uns das Dokument. Sehr nett, wie wir finden!

Nun sind wir mit den offiziellen Teil fertig und es beginnt die Kür. Auf dem Markt kaufen wir Ananas, Kiwi und Äpfel, dann reißen wir uns los. Die Bäckerei finden wir mit der Nase. Baguette und zwei Törtchen reichen für den ersten Hunger. Im Supermarkt wähnen wir uns im Schlaraffenland. All die feinen Dinge. Schinken, Butter, Käse (kein Cheddar-artiges Zeug das entfernt an Käse erinnert, sondern richtiger Käse!), dazu Rotwein und mauretanischer Rum. Mit leuchtenden Augen laufen wir durch die Gänge, bestaunen wunderbare Konserven (wie grüne Bohnen und saure Gurken) und Schokolade.
Unser letzter Einkauf in Belitung ist sechs Wochen her und war eher enttäuschend, seit dem letzten besser ausgestatteten Supermarkt sind zehn Wochen vergangen. Diese Auswahl an (bezahlbaren!) Leckereien haben wir seit Dili vor über einem Jahr nicht mehr gesehen.
Abends sind wir beim Nachbarboot auf einen Drink eingeladen, dann fallen wir sehr müde ins Bett.

Wir sind stolz auf uns und unsere Marisol. Die 2000 Meilen haben wir 15 Tagen und 20 Stunden zurückgelegt und waren damit etwas langsamer als gedacht. Einige Tage waren wir sehr schnell unterwegs, an anderen konnten wir gerade eben segeln. Der Indische Ozean ist seinem Ruf gelegentlich ein „nasty ocean“ zu sein gerecht geworden. Der Seegang war durchaus imposant. Unser drittes Reff hatten wir zuvor noch nie eingebunden.
Unser besonderer Dank gilt Mareike und Philipp, die uns immer dann via InReach mit Wetterberichten versorgt haben, wenn Starlink nicht kooperieren wollte. Inzwischen können wir an der Wellenhöhe ablesen, ob wir wohl eine Internetverbindung bekommen werden. Wie im richtigen Leben sind gute Freunde eben wertvoller als technische Gimmicks. Außerdem gibt es von ihnen neben den nüchternen Informationen auch aufmunternde Worte.

Unsere Windsteueranlage steuert Mari unermüdlich und fehlerlos.
Bei wenig Wind gibt’s Auslauf auf dem Vorschiff.
Wie genießen die ruhigen Tage.
Eine unvergessliche Walbegegnung
Sonnenaufgang auf See.
Mitten auf dem Ozean treffen wir die Yacht Skyfall.
Einfahrt nach Port Mathurin.
Die Offiziellen kommen an Bord.