Am Tag nach dem Auschecken (Freitag, 30. August), gönnen wir uns noch einen kleinen Ausflug auf eine der Sand-Inselchen, bevor wir das Schlauchboot an Deck nehmen, von Sand befreien, trocknen und einpacken. Dann fahren wir um die Nordwest-Ecke der Insel und ankern ein paar Meilen weiter südlich. Nun sind wir schon mal unterwegs.
Wir liegen wir zwar recht geschützt, aber quasi direkt an der Hauptstraße. An der Hauptstraße der Fischer. Ein Tintenfischboot nach dem anderen passiert uns. Am späten Nachmittag fahren sie raus, bei Sonnenaufgang kommen sie zurück.
Am nächsten Morgen geht es weiter. Wir fahren an Belitungs Westküste entlang nach Süden. Das Wetter ist schön, wir können teilweise segeln, bis der Wind mal wieder von vorne kommt. Wir sehen einige Frachter, die Küstenwache überholt uns und natürlich sind viele Fischer unterwegs. Eine Fähre kommt uns entgegen. Es riecht sehr aromatisch nach Gewürzen. Unsere Begeisterung über das leckere Essen verfliegt schlagartig, als wir durch den Teppich aus Styroporverpackungen fahren, die hinter der Fähre schwimmen. Anscheinend gab es auf der Fähre gerade Mittagessen und anschließend werden die Verpackungen einfach neben das Schiff gestellt. Leider haben wir jetzt schon öfter beobachtet, dass auf den Fähren der Müll kurz vorm Zielhafen über die Kante geworfen wird.
Wir ankern hinter der dicht mit Mangroven bewachsenen Insel Pulau Sikkindang. Bei Windstille hören wir leise die Geräusche der Industrieanlagen auf Belitung. An einer langen Pier wird dort irgendein Schüttgut verladen.
An diesem ruhigen Ort legen wir einen Tag Pause ein. Zeit zum Wäsche waschen, für die Routenplanung, etwas Bürokratie (wir müssen uns nun fast überall vorher anmelden), aber auch für ausgiebige Lesestunden und einen Film im Cockpit unter einem sehr schönen Sternenhimmel.
Als nächstes wollen wir an der Nordküste von Seliu, einer kleinen Insel südlich von Belitung ankern. Wir verlassen unseren Ankerplatz, der Wassermacher läuft und wir setzen die Segel. Minuten später kommt der Wind, mal wieder, genau von vorn. Wie der Strom. Es werden mühsame Meilen.
Immerhin scheint die Sonne und zwischen den Schatten der vorbeiziehenden Wolken können wir die Riffe gut sehen. Zum Glück, erkennen wir doch auch ein Riff, dass wir auf dem Satellitenbild nicht ausmachen können. Beim Segelbergen bekomme ich den Block der Großschot an den Kopf, zum Glück ist es nicht weiter schlimm. Meistens ist es bei uns Nobbi, der sich blutige Kratzer holt. Heute bin ich es, die eine dekorative Schramme auf der Stirn hat. Die Kopfschmerzen, die mir dieser kleine Zwischenfall dann doch beschert hat, sind am nächsten Morgen aber wieder verschwunden.
Am Ankerplatz hält ein Fischerboot mit vier Männern auf uns zu, sie zeigen uns, dass ihr Dorf auf der andern Seite der Insel liegt. Ob wir nicht dort ankern wollen?
Bis zu dem Ankerplatz in der Sunda-Straße sind es 210 Meilen. Die Sunda-Straße trennt die beiden großen Inseln Java und Sumatra und ist unser Tor zum Indischen Ozean. Wir hoffen, dass wir mindestens 100 Meilen segeln können, das wäre nicht nur schöner, sondern auch gut für unseren Dieselvorrat. Die nächste Tankstelle auf unserem Weg ist auf Rodrigues oder Mauritius. Im zweiten Teil der Strecke sollte der Strom uns schieben. Irgendwann unterwegs wird der Wind einschlafen, da sind sich die Vorhersagen einig.
Die Fahrt war sehr anstrengend, wir sind schöner und länger gesegelt als erhofft und uns wurde noch einmal (fast) alles geboten, mit dem Indonesien den Seglern das Fürchten lehrt. Über 150 Meilen konnten wir segeln, alles hoch am Wind. Mari hat mal wieder gezeigt, dass sie segeln möchte. Wir hatten keinen Regen und schöne Sonnenauf- und -untergänge.
In der ersten Nacht sind wir über drei Fischernetze gesegelt, wir haben blinkende Bojen und unbeleuchtete Fähnchen angetroffen, ein paar hin und her flitzende schwach bis gar nicht beleuchtete Fischer und einige der ankernden Fischer mit ihren hellen Lampen, die man sehr gut umfahren kann. Am zweiten Morgen erreichten wir die ersten Ölförderplattformen. In der Seekarte stand, es gäbe unbeleuchtete und nicht verzeichnete Strukturen, für uns war dieser Abschnitt aber eher unspektakulär. Nur zwei Türmchen waren nicht in der Karte, aber eine Bohrinsel fährt man garantiert nicht ausversehen über.
Die ganze Zeit war viel Schiffsverkehr. Das ist wenig überraschend, Indonesien ist ein riesiges Inselreich, alle Inseln wollen versorgt werden. Außerdem führen die Hauptschifffahrtsrouten wie Australien – China oder Australien – Singapur durch den Archipel. Die großen Frachter sind unproblematisch, sie sind natürlich korrekt beleuchtet, verfolgen einen kontinuierlichen Kurs, sind nachts über viele Meilen sichtbar und erscheinen auf dem AIS. Und dann gibt es die anderen. (Gar nicht mal so) kleine Tanker, lustige Frachter und die vielen Schleppverbände. In der ersten Nacht wecke ich Nobbi, weil ein Frachter, der gerade vor mir gequert hat den Kurs plötzlich um 90 Grad ändert und auf mich zu fährt. Ein vietnamesischer Tanker hat anscheinend ein Problem mit seiner Steuerung und schlingert wild hin und her. Kursänderungen um 60 Grad und mehr. Für uns ist das unangenehm, weil er direkt hinter uns fährt. Da er recht langsam ist, dauert das Überholmanöver eine Ewigkeit und immer mal wieder befürchte ich, dass er mich überfahren will. Ein Tanker hält auf Nobbi zu und zwingt ihn auf der falschen Seite des Fahrwassers zum Ausweichen nach Backbord. Das Gleiche macht er mit dem Schleppverband, der seit acht Stunden kurz hinter uns herfährt. Hier beschwert sich der Steuermann allerdings lautstark über Funk. Über Funk äußert auch der Wachgänger des Schiffs aus Madeira seinen Unmut und teilt den Schleppern vor ihm mit, dass sie zusehen sollen, dass sie wegkommen, er würde ihnen nicht ausweichen. Von einem 11m Segelboot wäre so eine Drohung wohl nicht so einschüchternd wie von einem 300m langen Containerschiff. Dass mir im Verkehrstrennungsgebiet ein Schlepper mit unbeleuchtetem Anhang auf der falschen Seite entgegenkommt, wundert mich gar nicht mehr.
Viel unproblematischer als erwartet ist die Querung der Fährstrecke Sumatra – Java. Auch nachts um zwei ist hier ein dichter Fährverkehr, vor dem in der Seekarte gewarnt wird. Wir sehen elf Fähren (alle ca. 190m lang) zwischen den Inseln und noch mal doppelt so viele an der Pier und am Ankerplatz. Alle Fähren haben AIS, so können wir die Abstände gut bestimmen. Eine Fähre kommt von Java und will vor Sumatra ankern, sie zeigt uns früh an, dass sie hinter uns passieren möchte und wir können einfach weiterfahren. Eine Fähre hat gerade von Bakauheni auf Sumatra abgelegt und ist schon mit 12 Knoten unterwegs. Wir drehen kurz auf sie zu um anzuzeigen, dass wir hinter ihr durchfahren wollen und schon ist sie vorbei.
Hier, hinter der nur 14 Seemeilen engen Stelle zwischen Java und Sumatra, wird es ungemütlich. Es ist stockdunkel und wir sehen die Wellen nur im Lichtschein der grünen Steuerbordlaterne, aber wir fühlen sie. Der Wind steht in die Meerenge und der Strom schiebt uns mit aller Macht aus der Javasee in den Indischen Ozean (oder zumindest die Sunda-Straße). Mari hüpft und fällt in die Wellentäler.
Wir sind schnell, viel zu schnell, noch drei Stunden bis es hell wird. Obwohl das Groß im zweiten Reff steht, rennt Mari. Wir bergen das Groß und geben nur so viel Gas, dass wir gut steuern können und sind immer noch mit fünf Knoten unterwegs.
Die letzten Meilen werden noch einmal spannend. Wir sind beide sehr müde und wollen ankommen, einen weiteren Adrenalinkick bräuchten wir nicht. Drei Schlepper, alle mit Anhang, kommen von vorne. Einer macht lustige Manöver, blinkt uns an und zwingt uns einen Halbkreis um ihn zu fahren. So ein Idiot. Einem schnell entgegenkommenden Gastanker können wir dann noch durch ein Vollgasmanöver entkommen.
Endlich wird es hell und wir erreichen unseren Ankerplatz. Wir sind nicht allein. Ein Schwarm aus Fischerbooten nähert sich ebenfalls der Bucht. Wir ankern und beobachten das Treiben. Die Boote legen an einem kleinen Steg an und verlassen diesen wieder, ankern in der Bucht und passieren uns dicht. Die Fischer winken uns zu und sind neugierig. Wirklich jede Region oder gar jede Insel hat einen eigenen Schiffstyp. Diese Boote haben einen schmalen Rumpf und unglaublich lange Bäume an denen sie ihre Lampen und Netze übers Wasser absenken und die tagsüber hochgeklappt werden.
Die Fahrt war anstrengend. Zwei Nächte haben wir kaum geschlafen. Wir freuen uns, dass wir so schön segeln konnten und dass wir nun endlich (am 5. September) unseren Absprungsort für den Törn über den Indischen Ozean erreicht haben.







