Tanken und Zinn

Wir sind Belinyu oder Tanjung Mantung, wie der kleine Hafen heißt, angefahren, weil wir Tanken wollen. Vielleicht reicht unser Diesel bis Belitung, aber wir wissen nicht, wie stark der Gegenstrom sein wird und wie schnell oder langsam wir vorankommen werden.
Auf der Karte haben wir gesehen, dass es hier mehrere Tankstellen gibt und wir hier einen sicheren Ankerplatz finden können. Mit unseren leeren Dieselkanistern besteigen wir das Schlauchboot. Es ist gerade Niedrigwasser und der Strand ist sehr breit. Wir müssen das Boot etwa 300 m durch den Schlick tragen. Ein Mann kommt auf uns zu und fasst mit an. Yandi hat auch ein Boot und einen kleinen Warung am Strand. Diesel sein kein Problem, es gäbe hier so viele Schiffe. Wir möchte nicht den günstigen, subventionierten Diesel, der berüchtigt für seine Verunreinigungen ist, sondern wollen versuchen Diesel von der Tankstelle zu tanken. Pertamina Dex ist das Zauberwort. Das ist der Markenname des besten Diesels der staatlichen Ölgesellschaft.
Wir bekommen erstmal eine Trinknuss. Inzwischen sind einige Freunde von Yandi aufgetaucht, denen wir, unseren Indonesisch Kenntnissen und Google Übersetzer sei Dank, klar machen können, dass wir ein Auto suchen, das uns zur Tankstelle fährt. Sie lachen, überhaupt kein Problem. Noch bevor wir unsere Kokosnuss ausgetrunken haben, sind zwei weitere Bekannte samt Auto aufgetaucht. Schnell werden wir uns einig, dass sie uns zur Tankstelle fahren und wir anschließend noch Obst kaufen möchten. An der Tankstelle ist es lustig, alle wollen wissen, wo wir herkommen. Das sind die vom Boot, die vorm Hafen ankern, aus Deutschland, sie wollen Diesel kaufen… Anonym kann man hier nicht unterwegs sein.
Auf dem Markt bekommen wir Papaya, Honig- und Wassermelone, Mandarinen, Drachenfrüchte, Bananen, Weiß- und Chinakohl, Zwiebeln, Möhren, Auberginen, Frühlingszwiebeln und Tomaten. Die Obstfrau übt ihr Englisch mit uns, der Gemüsemann erklärt mir, dass ich mindestens doppelt so viele Auberginen kaufen muss. Ein Mann auf einem Roller winkt mit einem Geldschein und hält vor Nobbi. Wir haben beim Tanken 100.000 Rupiah (6 Euro) zu viel bezahlt, dass ist beim Einsortieren in die Kasse aufgefallen. Also ist der Tankwart mit dem Roller zum Markt gefahren, um es uns zurück zu geben. Der Buschfunk funktioniert also hervorragend.
Wir sind rundum zufrieden, da macht es auch nichts, dass es zu regnen beginnt und wir klatschnass wieder auf dem Boot ankommen. Nachmittags scheint wieder die Sonne, wir können unsere Kleidung trocknen und das Schlauchboot trocken zusammenfalten und wieder unter Deck verstauen.
Leider gibt es schon wieder eine Schadensmeldung. Der Luftboden des Schlauchbootes hat ein kleines Loch. Bei seinem ersten richtigen Einsatz gibt es schon einen Schaden. Außerdem ist die Tasche eine innige Verbindung mit dem Boot eingegangen und Teile der Beschichtung kleben nun am Boot. Man wundert sich.

Der Weg zum Strand ist weit wenn man ein Dinghi trägt.
Yandi bringt uns eine Kokosnuss.
Wir liegen gegenüber der kleinen Moschee.
Die Fischer waten mit ihren Netzen im flachen Wasser.
Ich darf die Männer fotografieren und bekomme den Fang gezeigt.

Auf der Autofahrt haben wir einen kleinen Eindruck vom Ort bekommen. Die Straße ist super ausgebaut, es gibt viele Läden und einen gewissen Wohlstand. In der kleinen Stadt gibt es viele der „Hochhäuser“ für die Schwalben, deren Nester als „birdnest“ geerntet und exportiert werden.
Auf Bangka wird, genau wie auf Belitung, Zinn abgebaut. Das wussten wir. Das Ausmaß des Zinnabbaus war uns nicht klar. Die ganze Insel ist durchlöchert, zwei Drittel der Insel wurden umgegraben. Zurück bleiben große Löcher. Da die Vorkommen an Land erschöpft sind, wird nun im Meer nach Zinn gesucht. Große Schiffe, aber auch viele kleine hölzerne Plattformen werden eingesetzt. Nicht nur die staatliche Bergbaufirma, sondern auch andere große Firmen und viele Einzelpersonen mit und ohne Konzession graben hier den Meeresgrund um. Bei den vielen kleinen Holzplattformen, die wir in der großen Bucht gesehen haben, handelt es sich um handgeklöppelte Zinnförderanlagen. Wir lachen über den Zungenbrecher Zinnschürffloß. Überhaupt nicht zum Lachen sind die Umweltzerstörung, die katastrophalen Arbeitsbedingungen und die sozialen Folgen. Das großräumige Umgraben des Meeresgrundes führt zum Absterben der Korallenriffe, die unter Sand begraben werden und gefährdet den Fischbestand. Die Fischer fangen weniger Fische, suchen sich einen anderen Beruf oder graben nun auch den Meeresboden um. Auf Bangka herrscht noch immer eine richtige Goldgräberstimmung. Zinn zu fördern ist vergleichsweise einfach und man kann hier einen durchschnittlichen indonesischen Monatslohn in nur einer Woche verdienen. Nun wundern wir uns auch nicht mehr über die vielen kleinen Tanker, die Pumpen mit denen der Meeresgrund auf die Förderbänder gepumpt wird brauchen Treibstoff.
Nur in China wird noch mehr Zinn abgebaut als in Indonesien. Das chinesische Zinn reicht gerade um den chinesischen Markt zu bedienen, Indonesien exportiert weltweit. Neben den zerstörten Böden, den Löchern, die nun eigentlich wieder aufgefüllt werden müssten um eine Aufforstung zu ermöglichen und der starken Bodenerosion, gibt es ein weiteres Problem. In den küstennahen mit Wasser gefüllten Löchern fühlen sich Krokodile wohl, genau wie in flachen, schlickigen Flussmündungen. Dort wo Arbeiter mit ihren Flößen auftauchen. Und so gibt es im Bezirk Bangka Belitung jedes Jahr einige Opfer. Auf beiden Seiten. Offiziell stehen Krokodile unter Schutz und dürfen nicht getötet werden.

Belinyu war kein besonders romantischer Stopp unserer Reise, aber ein sehr interessanter. Innerhalb kurzer Zeit sind wir mit einer Handvoll kommunikativer und offener Menschen in Kontakt gekommen und haben sehr viel gelernt. Wenn ihr an professionellen Fotos und Berichten vom Zinnabbau auf Bangka interessiert seid, lohnt es sich Frau Google zu befragen. Von ungefähr jeder größeren Medienanstalt in Europa gibt es einen Beitrag aus den letzten zwei Jahren.

Der letzte Beitrag hat nun auch ein Titelbild bekommen.