Von Pulau Kentar an die Südspitze der Insel Lingga sind wir schneller als erwartet. Der Wind kommt völlig überraschend aus Südwest. Wir freuen uns über ein paar Segelmeilen. Die Böen werden immer stärker, der Wind dreht auf Süd und die es entsteht eine steile, hohe Welle. Als wir den geplanten Ankerplatz ansteuern, sind wir froh, dass wir nicht weiterfahren müssen. Wir sind beide ziemlich kaputt. Es war den ganzen Tag dunkel und grau, was zusätzlich auf die Stimmung schlägt.
Nobbi fragt mich, ob ich nicht langsam mal in die Einfahrt einbiegen wolle. Ich verstehe ihn nicht, sieht doch alles super aus. Laut der Seekarte am Bord PC fahren wir nicht nur übers Riff, sondern mitten über die Insel. Die Karten auf Plotter und Tablett scheinen richtig zu sein. Kein Wunder, dass Nobbi nervös wurde. Nervös bin ich auch. Die Welle, die uns auf die kleine Insel zuschiebt, hinter der wir ankern wollen, ist steil und hoch. Danach wird es ruhiger. Am Ankerplatz liegt ein Fischernetz, wir finden noch davor einen Platz. Der starke Strom dreht uns so, dass wir mit dem Heck zum Schwell liegen und der Wind von der Seite kommt. In der Einfahrt brechen sich inzwischen die Wellen. Kein so ganz gemütlicher Platz. Abends lässt der Wind nach und der Strom kentert. Wir haben eine recht ruhige Nacht und trotzdem keine große Lust hier zu bleiben.
Wir sind heute zum fünften Mal über den Äquator gesegelt und nun wieder auf der Südhalbkugel. Ein Grund Neptun zu danken, ihn um Schutz zu bitten und natürlich ein Grund für ein Äquator-Bier.
Bis zur Nordseite der Insel Bangka sind es auf direktem Weg 90 Meilen. Eine Nachtfahrt lässt sich nicht umgehen. Unser Ziel liegt, mal wieder, genau im Wind. Den direkten Weg werden wir also auf keinen Fall fahren können. In zwei Tagen soll der Wind weniger werden, aber dann sind aber schwere Gewitter angesagt. Gegen an motoren wollen und können wir nicht. Mari hat eine eher schwache Maschine. Wenn wir kreuzen, ob unter Segeln oder Maschine, ist der Weg länger. Wir können kaum abschätzen wie viele Meilen wir mit welcher Geschwindigkeit zurücklegen werden. Die Routenplanung mit verschiedenen Tools zeigt, dass wir erst nach Osten segeln könnten, dann wenden, um mit dem drehenden Wind auf Südkurs zu gehen. Wenige Meilen später ist uns dann klar, das klappt nicht. Die Wellen kommen nicht aus der gleichen Richtung wie der Wind und der Strom ist stärker als erwartet. Unter Segeln und Maschine, können wir den Kurs nicht halten und machen nur knapp drei Knoten über Grund, außerdem ist es sehr ungemütlich. Wir beschließen, erstmal nach Süden zu fahren. Kaum haben wir gewendet, machen wir sieben Knoten Fahrt und die Laune an Bord steigt gewaltig. Kurz darauf werden wir von Delfinen begleitet. Das kann nur ein gutes Omen sein.
Letztlich fahren wir einen großen Bogen, erst nach Süd-Süd-West, dann nach Süden und später nach Osten. Der Strom schiebt uns erst nach Süden auf die Bangka-Straße zu, dreht dann und nimmt uns schließlich mit entlang Bangkas Nordküste nach Osten. Wir kommen viel besser voran, als wir uns erhofft hatten und sind am Ende so schnell, dass wir drei Stunden vor der Bucht warten müssen, weil wir uns nicht im Dunkeln in die Einfahrt trauen.
Es war sehr anstrengend. Wir mussten von Hand steuern, weil wir die meiste Zeit sehr hoch am Wind motorgesegelt sind und der Autopilot ausgefallen ist. Es sind weniger Fischer unterwegs als befürchtet, aber es gibt viel Schiffsverkehr. Zweimal müssen wir ausweichen. Mitten in der Nacht stecken wir in einer unangenehmen Rauchwolke, es brennt in den Augen und wir müssen husten. Waldbrand von Sumatra? Oder Abgase von den Zinnminen von Bangka? Wir wissen es nicht.
Als es um sechs Uhr hell wird, nehmen wir Kurs auf die Küste und eine Gruppe kleiner, dunkler Delfine begleitet uns. Hunderte kleiner Plattformen und Schiffe verschiedener Größe sind hier unterwegs. Die Ansteuerung ist interessant. Die rot-weiße Ansteuerungstonne fehlt, dafür hat der Leuchtturm die Kennung, die eigentlich die Ansteuerungstonne haben sollte. Das ist schon ziemlich hinterhältig. Fährt man auf den Leuchtturm zu, weil man ihn für die Ansteuerungstonne hält, landet man auf der Sandbank. In der Einfahrt sollte eine grüne Tonne liegen, die fehlt, dafür gibt es eine rote.
Von dem Punkt vor der Küste in die Bucht und bis zum Ort sind es 11 Meilen. Es zieht sich. Es beginnt zu regnen und wir sehen fast nichts mehr. Es ist alles viel breiter als wir es uns vorgestellt hatten. An dem Ort, wo wir eventuell ankern wollten, liegen mehrere kleine Tanker. Wir legen uns nicht dazwischen, sondern suchen uns einen Platz vor der kleinen Moschee mit goldener Kuppel. Wir sind stolz und sehr froh angekommen zu sein. Wir haben 24 Stunden von Hand gesteuert und beide nur je einmal 20 min geschlafen. Nun haben wir einen großen Teil der Strecke nach Belitung hinter uns und beginnen daran zu glauben, dass wir es tatsächlich schaffen werden. Nach einem kurzen Schläfchen, pumpen wir das Dinghi auf und legen es an Deck. Nobbi repariert den Autopiloten. Das ist leider nicht der einzige Schaden. Beim Ankern in Lingga ist der Pumpenschwengel von der Ankerwinsch über Bord gesprungen, haarscharf an Nobbis Kopf vorbei. Und das Radar hat eine Umdrehung gemacht und dann den Dienst eingestellt
Nach elf Stunden Schlaf sind wir bereit für neue Abenteuer.
